Deutsche Revanchisten befürworten den polnischen Beitritt zur EU

Jetzt wird zurückgekauft

Die Ost-Erweiterung der EU eröffnet deutschen Revanchisten neue Perspektiven in Polen.

Polternd, kompromisslos und brutal« nennen einige EU-Politiker das Auftreten der polnischen Delegation. Es sind vor allem die Deutschen, die Probleme mit der Verhandlungsstrategie ihrer östlichen Nachbarn haben. Man gewinne manchmal den Eindruck, dass nicht Polen der EU, sondern die EU Polen beitritt, hört man aus der Umgebung des Kommissars für die Erweiterung, Günter Verheugen.

Im Mittelpunkt der deutschen Bemühungen steht seit Jahren die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU. Auf der einen Seite schüren PolitikerInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen die Angst vor polnischen Firmen und Arbeitskräften, die auf den deutschen Markt drängen könnten. So musste die polnische Regierung widerwillig der Regelung zustimmen, dass einzelne EU-Staaten für die Dauer von fünf Jahren - bei Problemen auf dem Arbeitsmarkt sogar sieben Jahre - die Freiheit der Wahl des Arbeits- und Wohnortes einschränken können.

Auf der anderen Seite ist die Niederlassungsfreiheit in Osteuropa im deutschen Interesse. Ein seit 1920 existierendes polnisches Gesetz macht den Grundstückserwerb durch Ausländer bisher von einer Genehmigung des polnischen Innenministeriums abhängig. Damit ist Schluss, wenn Polen der EU beitritt. Dann wird das polnische Gesetz unwirksam, das es den nach dem Zweiten Weltkrieg Umgesiedelten bisher unmöglich machte, sich einfach ihren ehemaligen Besitz zurückzukaufen.

Und mangels »brutaler« VerhandlungsführerInnen, wurden statt der von Polen geforderten zwölfjährigen Frist nur sieben Jahre als Übergangszeit vereinbart. Kein Wunder, dass der vertriebenenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, die »deutschen Heimatvertriebenen« als »engagierte Anwälte von Polens Beitritt zur Europäischen Union« bezeichnete.

Wenn Polen wie geplant am 1. Januar des Jahres 2004 Teil der EU wird, muss das Land deutschen Investoren, die beispielsweise Industrieprojekte realisieren wollen, den Kauf von Grundstücken ermöglichen. Wer bereits seit mindestens sieben Jahren gepachtetes Land bewirtschaftet, darf es in Westpolen nach dem Beitritt kaufen. In Ostpolen muss man vorher sogar nur drei Jahre Pacht gezahlt haben. Ansonsten muss der Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Flächen spätestens nach zwölf Jahren genehmigungsfrei möglich sein, Ferienhäuser und Zweitwohnsitze dürfen von allen EU-Bürgern fünf Jahre nach dem polnischen EU-Beitritt erworben werden.

Auf die kaufkräftigen Deutschen warten bereits jetzt lukrative Angebote. So kann man sich beispielsweise im Internet ein Internatsgebäude mit 350 Quadratmetern plus Nebengebäude und Grundstück ansehen, das in deutscher Sprache für 13 000 Euro angepriesen wird.

Vom EU-Beitritt unberührt bleibt dagegen die Frage nach der Entschädigung derjenigen, die von den tschechischen Benes-Dekreten oder den polnischen Regelungen nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen waren. Die Versuche von Deutschland und Österreich, die Ost-Erweiterung der EU mit Entschädigungsforderungen zu verknüpfen, haben keinerlei juristische Grundlage. Im Paragraf 295 des EG-Vertrages, der die Grundlage der Europäischen Union darstellt, ist unzweifelhaft geklärt, dass das Gemeinschaftsrecht »die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unberührt lässt«.

Auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kam im Mai zu diesem Schluss. »Weder enthält das Gemeinschaftsrecht Vorschriften, die einen möglichen Anspruch auf Wiederherstellung früherer Eigentumsverhältnisse beziehungsweise Restitutionen jedweder Art begründen könnten, noch postuliert der EG-Vertrag unmittelbare materielle Vorgaben für die Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Eigentumsordnungen.«

Die Juristen des Bundestags stellten zusammenfassend fest, dass die Enteignung und ihre Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht »keine Frage« ist, »die rechtlichen Einfluss auf den Beitritt hat, wenn die Altmitgliedstaaten den Beitritt politisch befürworten«. Der Streit um Entschädigung ist also vor allem ein politischer und kein juristischer. Entscheidend ist, ob die EU, deren Gründung für manche auch den Versuch darstellte, deutsches Großmachtstreben einzuschränken und zu kontrollieren, den juristisch getarnten revanchistischen Forderungen Deutschlands nachkommen wird.

Problematisch ist, dass bereits heute die sich zum Deutschtum bekennenden polnischen Staatsangehörigen in einigen Woiwodschaften, die mit deutschen Bundesländern vergleichbar sind, politische Mehrheiten stellen. Wie Samuel Salzborn zu den Wahlen im Oktober 1998 schrieb, haben die Vertreter der deutschen Minderheit 13 von 45 Sitzen im Parlament der Woiwodschaft Opolskie inne und sind an der Regierung beteiligt. In den drei Landkreisen Opole, Krapkowice und Strzelce Opolskie erreichte die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen sogar die absolute Mehrheit.

Der CDU/CSU-Fraktion geht das aber noch nicht weit genug. Sie kritisierte es in einem Bundestagsantrag vom Mai 2001, dass den Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen deutsche Wehrdienstzeiten sowie Zeiten der Kriegsgefangenschaft in polnischen Arbeitslagern nach 1945 nicht als rentensteigernd anerkannt würden. Damit verlangt sie vom polnischen Staat nichts weniger, als die am deutschen Überfall auf Polen beteiligten Wehrmachtssoldaten für ihre Kriegsverbrechen mit Renten zu belohnen.

Aber auch in Publikationen, die von der rot-grünen Bundesregierung unterstützt werden, wird revisionistisches Gedankengut verbreitet. In dem Themenheft »Die Ost-Erweiterung der EU, der Nato und die Interessen der deutschen Heimatvertriebenen« zweifelt der Göttinger Professor für Völkerrecht, Udo Fink, die Gültigkeit der deutschen Ostgrenze an, da die »Abtretung der Ostgebiete« nicht vom deutschen Volk gebilligt worden sei. Er mokiert sich in dem Heft, das die »Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen« im Jahr 1999 herausgegeben hat, auch darüber, »dass im Zuge der Wiedervereinigung ein Viertel des ehemals deutschen Staatsgebietes nicht am Prozess der Wiedervereinigung teilhaben konnte«.

Angesichts des Instrumentariums der Ost-Erweiterung, mit dem Grenzen nach Belieben der Mitgliedsstaaten geschlossen oder eingerissen werden können, erscheinen derartige Verlautbarungen allerdings fast anachronistisch. Der moderne, schleichende Revisionismus braucht keine rechtsextremen Argumentationshilfen, solange genug Geld von der EU kommt.