Flüchtlingspolitik

Offensiv abwehren

Ungeachtet aller Kritik hält die australische Regierung an ihrer rigiden Flüchtlingspolitik fest. Ein Gerichtsurteil könnte nun jedoch die Wiederaufnahme Tausender Asylverfahren erzwingen.

Premierminister John Howard ist unzufrieden mit der australischen Justiz. »Gerichte und Tribunale arbeiten oft auf unfaire Art und Weise«, klagte er, nachdem das Hohe Gericht am 8. August im Fall zweier indonesischer Flüchtlinge entschieden hatte, dass die Ablehnung ihres Asylantrags überprüft werden müsse. Das Gericht urteilte, ihr Verfahren vor dem Revisionstribunal, das von der Immigrationsabteilung in erster Instanz abgewiesene Anträge von Asylsuchenden behandelt, sei »nicht ordnungsgemäß und fair« verlaufen.

Tausende abgelehnte AsylbewerberInnen in Australien können nun auf die Wiederaufnahme ihrer Verfahren hoffen. »Wie kann es angehen, dass so vielen Asylsuchenden über einen derartig langen Zeitraum ein faires Verfahren vom System verweigert wurde?«, fragte David Bitel, der Vorsitzende des australischen Flüchtlingsrates, im Anschluss an die Urteilsverkündung in der Tageszeitung Sydney Morning Herald. Er fordert als Konsequenz die Überprüfung und Wiederaufnahme der 22 000 seit 1993 negativ beschiedenen Asylgesuche.

Die für ihre restriktive Haltung gegenüber Flüchtlingen berüchtigte konservative australische Koalitionsregierung dagegen will das Urteil nicht einmal als Präzedenzentscheidung für die 6 700 anhängigen Einsprüche gegen das Revisionstribunal ansehen. Es handele sich um eine »kleine, kleine technische Angelegenheit«, so die Sprecherin des Immigrationsministeriums, Ann Duffield.

Die Regierung muss sich jedoch nicht nur mit Protesten (Jungle World, 16/02) und renitenten Richtern auseinandersetzen. Auch auf internationaler Ebene wächst die Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik. Australien praktiziert als einziges Land der Welt die »obligatorische Haft« für ankommende Flüchtlinge, alle Asylsuchenden werden bis zur Klärung ihrer Verfahren in Lager gesperrt. Die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) veröffentlichte Ende Juli ihren Untersuchungsbericht über die Situation in den australischen Internierungslagern. Der zuständige Bevollmächtigte, Prafullachandra Natwarlal Bhagwati, kommt zu dem Schluss, dass die Bedingungen in den Lagern gegen internationale Abkommen wie die Anti-Folter-Konvention verstoßen.

»Die Menschenrechtssituation von Personen in australischen Internierungslagern gibt Anlass zu ernsthafter Beunruhigung«, die Bedingungen dort seien schlicht »unmenschlich und erniedrigend«, berichtete Bhagwati bei der Veröffentlichung des Reports. Besonders kritisch äußerte er sich über die teils mehrjährige Inhaftierung von Minderjährigen.

Schon im Juni dieses Jahres hatte ein aus Psychologen bestehendes Untersuchungsteam festgestellt, dass die Selbstmordrate unter den Internierten zehnmal höher liegt als in der australischen Gesellschaft. Ihr Bericht resümiert: »Wenn jemand sich hinsetzen würde, um ein System zu entwickeln, das Menschen in Unruhe versetzt, um sie wahnsinnig zu machen, dieses Lagersystem würde es sein.«

Die konservative Regierung weist hingegen sämtliche Kritik von sich. »Der Report der Vereinten Nationen leidet an mangelnder Objektivität und stellt verschiedene Aspekte des Managements der Internierungslager falsch dar«, erwiderten Immigrationsminister Philipp Ruddock und Außenminister Alexander Downer in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Zusammenführung von Familien sowie die Freilassung von Kindern aus den Lagern, wie im Report der Vereinten Nationen gefordert, lehnte Premierminister Howard ab: »Wenn man die gesamte Familie herausholt, entsteht die Gefahr, dass sie sofort in der Community verschwindet«. Eine derartige Politik wäre wie »ein starker Magnet, der noch mehr Menschen anlocken würde«. Seine Regierung werde in jedem Fall an der »obligatorischen Haft« und der rigiden Abschottung der illegalisierten Flüchtlinge festhalten.

Zwar sind seit fast neun Monaten keine Boote mit Asylsuchenden mehr in australische Gewässer gelangt und es hat offensichtlich auch keine derartigen Versuche gegeben. Die australischen Streitkräfte halten trotzdem an der Operation Clever, der Überwachung der Seegrenzen, fest. Zunächst waren nicht weniger als drei Fregatten, zwei Versorgungsschiffe und vier Überwachungsflugzeuge mit der Suche nach Flüchtlingsschiffen beschäftigt. Kosten: 4,3 Millionen australische Dollar am Tag.

Inzwischen wurden die Verbände zwar verkleinert, die Kontrollen werden aber aufrecht erhalten und durch die Kooperation mit Nachbarstaaten und Transitländern, den so genannten Plan der Pazifischen Lösung (Jungle World, 13/02), sogar verstärkt. Die Einreise auf dem Luftweg ist für viele Asylsuchende schon in den Ausgangs- und Transitländern wegen restriktiver Überprüfungen auf den Flughäfen versperrt. Ein Teil der »pazifischen Lösung« ist auch die Verfolgung von so genannten Schleppern. In Australien wurde deswegen unlängst ein 81jähriger Kapitän wegen »Menschenschmuggels« zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Um die transnationale Kooperation weiter auszubauen, tourte Ruddock in den ersten beiden Augustwochen durch mehrere afrikanische und europäische Länder. »Um diese inhumanen Operationen des Menschenschmuggels zu stoppen, muss man von allen Seiten angreifen«, erläuterte er in einer Presseerklärung das Ziel seiner Reise.

Das neueste Projekt der australischen Regierung ist die Einführung einer Rasterkontrolle für Touristen. So sollen Menschen, die verdächtigt werden, nach dem Ablauf ihrer Visa im Land bleiben zu wollen, präventiv bei der Einreise abgewiesen werden. In dem Regierungspapier, das dem Sydney Morning Herald zugespielt wurde, werden 44 »Risikoherkunftsländer« genannt. Für die Rastererfassung kommen die Merkmale Alter und Geschlecht hinzu. Menschen, die in das vorgegebene Raster fallen, sollen gezwungen werden, Beschäftigungsnachweise und Kontoauszüge vorzulegen. Nur wenn deren Prüfung die Regierung zufrieden stellt, dürfen sie australischen Boden betreten.