Heike Gläsers Film »Die Präsidenten«

Zwei Männer, die leben

Alexander Bergmann und Steven Springfield sind zwei lettische Juden. Beide sind in Riga aufgewachsen, haben dort im Alter von 16 bzw. 18 Jahren das Ghetto und die Konzentrationslager Kaiserwald und Stutthof überlebt. Während der Zeit im Ghetto lernten sie sich kennen, sie schufteten beide im Arbeitskommando Ordnungspolizei Ostland.

Nach ihrer Befreiung durch die Rote Armee trennen sich ihre Wege. Steven Springfield wandert in die USA aus und eröffnet zwei Geschäfte für Hausbedarf in New York. Heute lebt er als Privatmann auf Long Island. Alexander Bergmann arbeitet bis heute als Rechtsanwalt in Riga. Nach 50 Jahren treffen sie sich in ihrer Heimatstadt wieder. Beide sind heute Präsidenten jüdischer Organisationen; Springfield ist Vorsitzender eines jüdischen Vereins in den USA, Bergmann in Riga. Darüber hinaus hat Bergmann sich in der Frage der Zwangsarbeiterentschädigung engagiert und die Klage jüdischer Zwangsarbeiter gegen die Bundesrepublik Deutschland unterstützt.

Die beiden sind die Hauptdarsteller des Dokumentarfilms »Die Präsidenten«, des ersten Films der Berlinerin Heike Gläser.

Die erste Erinnerung, die Springfield und Bergmann wiedergeben, ist das Schlachten eines Schweines im Auftrag der SS. »Wir waren darin völlig ungeübt«, sagt Bergmann. »Wir versuchten, das Tier mit einem zehn Kilo schweren Hammer zu erschlagen. Wir waren schlechte Schlächter.«

Der Tod soll in diesem Film noch eine weitaus größere Rolle spielen. Unvermittelt kommen die beiden zur Schilderung der Situation im Ghetto und in den beiden KZ. In Riga seien schon am zweiten Tag der deutschen Besetzung 15 000 Menschen erschossen worden. Bei weiteren Räumungen des später eingerichteten Judenghettos sei es zu neuen Massenerschießungen gekommen. Bergmann: »Ich lebe vom Holocaust. Er beherrscht meine Gedanken und Gefühle.«

Alljährlich wird der Toten in Riga gedacht - auf dem Friedhof. Dort, sagen Bergmann und Springfield, habe die SS die Leute erschossen. »Hier liegt keiner freiwillig.« Schon 1940, beim Einmarsch der Sowjetarmee in Lettland, hätten sich tief greifende Veränderungen im Leben bemerkbar gemacht. Geschäfte der Eltern wurden geschlossen, »Kapitalismus war verboten« (Springfield). »Aber das war nichts im Vergleich zu 1941«, als die Deutschen kamen.

»Die Präsidenten« ist im Gegensatz zu Steven Spielbergs »Die letzten Tage« ein unaufgeregter Film; hier wird das Schicksal der Überlebenden ins Zentrum gestellt, wenn auch streckenweise der Hang zu nervender Filmmusik offenbar wird. Das tut dem Informationsgehalt keinen Abbruch. Der Film, der hier zu Lande wahrscheinlich nicht allzuoft zu sehen sein wird und seinen Weg vorerst nicht in den geregelten Kinobetrieb findet, erzählt viel über die Geschichte der Judenverfolgung in einem Land, wo heutzutage wieder über Pläne für die Errichtung von Denkmälern für die ortsansässigen SS-Verbände nachgedacht wird.

Vor dem Einwickeln in den Mantel der Geschichte warnt auch Thomas Irmer. Gleichzeitig mit der Deutschlandpremiere von »Die Präsidenten« am 24. August präsentiert der Berliner Politologe eine Internetausstellung über den Holocaust in Lettland.

»Die Präsidenten«. D 2001. R: Heike Gläser. Die deutsche Premiere des Films findet am 24. August im Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Berlin-Mitte unter Anwesenheit der Protagonisten und des Filmteams statt. Kartenreservierung: 030 - 242 50 76. Internetausstellung: www.die-praesidenten.com