Krise der FPÖ

Mach dich fit fürs Vaterland

In Österreich hat sich die Vorsitzende der FPÖ, Susanne Riess-Passer, im parteiinternen Machtkampf vorerst durchgesetzt. Doch Jörg Haider denkt schon an die nächsten Wahlen.

Seit der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei (FPÖ) kommt es in Österreich immer wieder zu Konflikten zwischen ihren Mandatsträgern und Jörg Haider. Das Muster ist bekannt. Wenn die blau-schwarze Koalition in Wien die sozialstaatlichen Almosen weiter kürzt, profiliert sich der Kärntner Landeshauptmann als »Anwalt der kleinen Leute« und fordert einen sozial verträglicheren Abbau.

Während in Wien intensiv über eine engere Kooperation mit der Nato diskutiert wird, besucht Haider den irakischen Präsidenten Saddam Hussein und wundert sich anschließend über die Aufregung, die die Visite selbst bei seinen Parteifreunden provoziert hat. Wenn sich die freiheitliche Parteivorsitzende und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer von rechtsextremen Parteien in Europa distanziert, trifft sich Haider mit Filip de Winter vom belgischen Vlaams Blok und Mario Borghezio von der Lega Nord, um über eine mögliche Vernetzung der europäischen Rechten inklusive einer zukünftigen gemeinsamen Kandidatur im Europaparlament zu diskutieren.

Fast immer droht Haider, wenn die internen Konflikte eskalieren, sich vollständig aus der Politik zurückzuziehen, und der Kärntner Landesverband der FPÖ kündigt an, sich nach dem Vorbild der CSU von der Bundespartei abzuspalten. Und in den Medien wird gleichzeitig bereits das Ende der politischen Karriere des inoffiziellen Führers der FPÖ verkündet.

Seit etwa 15 Jahren wiederholt sich diese Inszenierung. Doch die zahlreichen Untergangsprognosen widersprechen nicht nur dem Aufstieg Haiders, sie unterstützen ihn geradezu. Denn bislang stand er nach jedem prophezeiten Absturz besser da als zuvor.

Auch die aktuellen Auseinandersetzungen innerhalb der FPÖ könnten diesem Schema folgen. Haider drängte in den vergangenen Wochen darauf, die für das nächste Jahr geplante Steuerreform nicht zu verschieben. Die Mehrzahl der freiheitlichen Regierungsmitglieder und die meisten Landesverbände wollen hingegen warten, um die Opfer des Hochwassers großzügiger entschädigen zu können.

Diesmal fiel der interne Streit heftiger als gewöhnlich aus. Mit seiner Meinung fand Haider bei der Parteibasis und in der Bevölkerung wenig Sympathie. Angesichts des nationalen Schulterschlusses wegen der enormen Hochwasserschäden betrachten ihn viele nun als geltungssüchtigen Störenfried.

Nach einem heftigen Schlagabtausch mit Riess-Passer verkündete Haider seinen Rückzug. »Ich werde mich in jeder Form aus der Bundespolitik zurückziehen und meine politische Laufbahn schrittweise beenden«, erklärte er am vergangenen Freitag. Gleichzeitig machte er unmissverständlich klar, worauf sein Kalkül zielt. Die FPÖ muss nun ohne ihn in den nächsten Wahlkampf ziehen und wird vermutlich eine herbe Niederlage erleiden. Anschließend kann sich Haider, der seine nach wie vor vorhandenen Kanzlerambitionen nicht mehr über die austria presse agentur, sondern über den arabischen Nachrichtensender al-jazeera bekannt gibt, sich wieder als Retter in der Not präsentieren, ohne den eben nichts funktioniert. Der Rückzug wird zur Voraussetzung für den großen Triumph.

Auch wenn die Rangeleien zwischen Riess-Passer und Haider gelegentlich an den Streit zwischen etablierten Demokraten und schmuddeligen Rechtsextremen erinnern, die zwar alle etwas Ähnliches wollen, sich aber nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können, wird dabei doch immer auch ein inhaltlicher Konflikt deutlich. Die Partei will einerseits neoliberale Reformen und einen Abbau staatlicher Leistungen, andererseits darf sie die Ansprüche der sozial Deklassierten zumindest propagandistisch nicht völlig vernachlässigen.

Der Erfolg bei den letzten Nationalratswahlen wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass die FPÖ ihren Stimmenanteil bei den abhängig Beschäftigten von vier Prozent in den achtziger Jahren auf 47 Prozent steigern konnte. Die Freiheitlichen sind nicht nur Agenten des Neoliberalismus, wie Traditionsmarxisten jeglicher Schattierung ständig behaupten. In der Partei gibt es sowohl Stimmen, die eine forcierte ökonomische Liberalisierung fordern, als auch solche, die eine national-soziale Ausrichtung verlangen.

Auch wenn es so scheint, als repräsentiere Haider die zweite Option, ist er doch in Wirklichkeit zurzeit der Einzige in der Partei, der diese Widersprüche vereinen kann. Er verbindet das fanatische Leistungsdenken der Neoliberalen mit den Existenzängsten der sozialen Absteiger. Der Neoliberalismus wird von ihm nur als Fitnessprogramm für die Nation und das Vaterland akzeptiert, nicht als schrankenlose Freiheit fürs Kapital. Deshalb stellen auch Wahlslogans wie »Solidarität statt Sparpaket« für Haider keinen Widerspruch dar.

Dennoch führen diese parteiinternen Konstellationen auch zu Konflikten, die in der FPÖ etwas rabiater ausgetragen werden als in anderen Parteien. Der »schlanke Staat«, den die FPÖ propagiert, entspricht der schlagkräftigen Gang, als die die FPÖ schon mehrfach charakterisiert wurde. Der Begriff der »Bande« birgt zwar die Gefahr, von jenen Inhalten wie etwa dem Antisemitismus zu abstrahieren, die die Partei und ihre Anhängerschaft verbinden. Dennoch drängt er sich angesichts der Gepflogenheiten in der FPÖ auf, gerade wenn es um personelle Veränderungen geht.

Kaum einer der Funktionäre, die noch vor zehn Jahren neben Haider zu den prominentesten Exponenten der Partei gehörten, hat heute noch etwas zu melden. Gleichzeitig wird stets suggeriert, dass es jeder in der Partei zu etwas bringen kann, wenn er über genügend Loyalität und Brutalität verfügt.

Gleichzeitig hat die FPÖ, trotz der zahlreichen internen Konfikte, einige ihrer Ziele erreichen können. Sozialstaatliche Leistungen wurden reduziert, in der Wirtschaftspolitik wird das sozialdarwinistische Leistungsdenken kaum noch kritisiert. Beim Antisemitismus und Rassismus hat sich nicht viel getan, sie gehören bereits zur österreichischen Normalität.

Jenen Freiheitlichen, die sich vermutlich lieber wieder als Nationalsozialisten bezeichnen würden, reicht das natürlich nicht. Gerhard Sailer, der nach dem Regierungseintritt der FPÖ zum hochrangigen Beamten im Infrastrukturministerium avancierte, klagt in dem von der Regierung subventionierten Blatt Zur Zeit: »Wozu ist die FPÖ in der Regierung, wenn Asylkriminelle und Heroinafrikaner mehr denn je ihr Unwesen treiben und der Bürger schlimmer als je zuvor für dubiose Entschädigungsansprüche ausgepresst wird?« Er braucht sich nicht zu sorgen. Seine Bedürfnisse werden zweifellos weiterhin sowohl von Haider als auch von der FPÖ bedient werden.