Abschluss der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten

Frust auf Tour

Am vorigen Samstag endete die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen. Die meisten Aktivisten ziehen eine niederschmetternde Bilanz.

Das ist ja bitter.« Die Aktivistin zählt nach und kommt gerade einmal auf 40 Menschen. Eigentlich hatte sie mehr Teilnehmer zur Auftaktkundgebung erwartet, mit der die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen am Dienstag voriger Woche in Berlin begrüßt werden sollte. Denn schließlich sollte doch Berlin der Höhepunkt der vierwöchigen Bustournee durch Deutschland sein.

Mit dem Slogan »Asylrecht ist Menschenrecht! Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!« wollten 50 Flüchtlinge und Migranten in der Endphase des Bundestagswahlkampfes ihren Protest auf die Straße tragen. Auch um den populistischen Parolen der Parteien etwas entgegenzusetzen. »Es ist doch immer das gleiche, wenn Wahlen bevorstehen, dann versuchen die Politiker auf unseren Rücken Stimmen zu gewinnen«, erklärt Mike Ade-Alabi, der Mitglied der Flüchtlingsorganisation The Voice aus Jena ist.

Aus ähnlichen Gründen war die Karawane schon einmal unterwegs. Vier Jahre ist das jetzt her. Auch damals, 1998, wollte man im Wahlkampf intervenieren. »Wir haben keine Wahl. Aber eine Stimme«, lautete das Motto. Doch anders als heute galt die Karawane damals als Erfolg. Immerhin war es zum ersten Mal gelungen, die verschiedenen regional isolierten Kämpfe von Asylsuchenden zu bündeln. Und außerdem gab es vor vier Jahren, als gerade die Kampagne »Kein Mensch ist illegal« gegründet worden war, eine breite Unterstützung der deutschen antirassistischen Szene.

Von der damaligen Aufbruchstimmung ist heute jedoch nicht mehr viel zu spüren. »Geblieben sind die Opfer des Rassismus. Es haben sich fast nur Flüchtlinge und Migranten beteiligt«, erzählt Debjani Das vom Internationalen Menschenrechtsverein Bremen. Dabei hat sich die Situation für in Deutschland lebende Flüchtlinge verschärft. Es gehe nicht nur um das fehlende Recht zu wählen, sondern auch darum, dass »es für uns völlig egal ist, welche Partei an die Regierung kommt oder dort bleibt«, sagt Das.

»Wir können uns auf keine Partei verlassen«, fährt sie fort und spielt damit auch auf das neue Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung an. »Schilys rassistisches Ausländergesetz« sei von den ursprünglichen Absichten meilenweit entfernt, es sei die Ursache dafür, dass Flüchtlinge nun nach ökonomischen Verwertungskriterien selektiert werden und das Asylrecht vollständig abgeschafft wurde.

Aufgebrochen war die Karawane am 17. August in Bremen, wo einst die Idee für diese Aktionsform entstanden war. Initiiert wurde die Fahrt von einem Netzwerk selbst organisierter Asylbewerber, von Migrantenorganisationen und Menschenrechtsgruppen. Über 35 Städte, Dörfer, Flüchtlingsunterkünfte und Abschiebegefängnisse haben sie in den letzten fünf Wochen besucht. Das Ziel der Rundreise war erneut die Koordinierung und Vernetzung der in Deutschland lebenden Flüchtlinge. »Wir treten an die Öffentlichkeit, um die Isolation zu durchbrechen« und »die kriminelle Abschiebepraxis, die Residenzpflicht und die lebensfeindliche Situation für Flüchtlinge in Deutschland« anzuprangern, hieß es im Aufruf zur Karawane.

»Wir waren auch unterwegs, um die derzeitigen Test- und Pilotprojekte der Ausreisezentren in Augenschein zu nehmen. Sozusagen eine Evaluierung der Aussichten, die uns bevorstehen«, ergänzt Debjani Das. Die so genannten Ausreisezentren sind ein weiteres Produkt des neuen Zuwanderungsgesetzes. In ihnen sollen abgelehnte Asylsuchende, die wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können, untergebracht werden. (Jungle World, 27/02) Das Personal in diesen Anstalten ist dazu verpflichtet, die Insassen zur »freiwilligen« Ausreise zu drängen. Die Zustände in den Ausreisezentren sind derart abschreckend, dass viele Asylsuchende lieber in die Illegalität abtauchen.

Während der Tour machte die Karawane an einigen dieser Einrichtungen Halt, an den Versuchsprojekten in Bramsche/Hesepe und in Ingelheim sowie am zurzeit im Aufbau befindlichen bayrischen Ausreisezentrum bei Nürnberg. »Für uns waren die Erfahrungen dort erschütternd. Die Ausreisezentren stellen eine eindeutige qualitative Verschlechterung der Lebensverhältnisse dar, weil die Menschen dort in Isolation von der Gesellschaft gefangen gehalten werden«, schildert Das ihre Erlebnisse. »In jedem Ausreisezentrum, an dem wir ankamen, herrschte an diesem Tag der Ausnahmezustand. Den Flüchtlingen wurde verboten, mit uns in Kontakt zu treten, und sie durften nicht heraus. Die Sicherheitsbeamten konfiszierten und kontrollierten sogar Mobiltelefone der Insassen, um Kontakte zu uns zu verhindern«, erzählt Birgit, eine deutsche Unterstützerin der Karawane.

In Düsseldorf war man erfolgreicher. Gemeinsam mit 500 von der Abschiebung bedrohten Roma, die zurzeit in den Rheinauen campieren, konnten die Flüchtlingsaktivisten eine grüne Wahlkampfveranstaltung zu ihrem Podium machen. Die dort anwesenden grünen Spitzenpolitiker Daniel Cohn-Bendit und Claudia Roth waren davon überhaupt nicht begeistert und warfen den Demonstranten vor, mit ihrer Kritik am Zuwanderungsgesetz auf der Seite Stoibers und Becksteins zu stehen.

Insgesamt zieht Debjani Das eine niederschmetternde Bilanz der fünfwöchigen Tour durch die Bundesrepublik: »Deutschland ist ein Land, in dem immer mehr Menschen hinter Stacheldraht leben müssen, und in den letzten vier Jahren haben sich die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland wesentlich verschlechtert.«

Auch das öffentliche Interesse an der Karawane sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben. So wurden die von der Karawane veranstalteten Pressekonferenzen kaum besucht. Immerhin kamen zur Abschlussdemonstration in Berlin am vorigen Samstag über 2 000 Menschen.

Ihre Hoffnung setzen die Aktivisten zurzeit auf die Entwicklungen auf europäischer Ebene. Eine Delegation der französischen Sans-papiers und italienischer Illegalisierter schloss sich den Abschlussprotesten in Berlin an. »Wir wollen uns in einem transnationalen Ansatz für die Rechte und die Gleichheit der Flüchtlinge, Migranten, Asylbewerber und Sans-Papiers einsetzen«, erklärt die französische Menschenrechtsgruppe Droit Devant aus Paris. Vielleicht geht sie ja mit dieser Forderung auf Tour.