Marusha redet

Das ist genähte Kunst

Am 1. Oktober war Marusha zu Gast in der Harald-Schmidt-Show. Eine Dokumentation

Harald Schmidt: Herzlich willkommen, Marusha. Hallo.

Marusha (überreicht eine Leinwand mit Stofffetzen drauf): Ich habe dir ein Bild mitgebracht.

Schmidt: Oh, das ist aber nett. Vielen Dank!

Marusha: Ein genähtes. Und zwar ist es eine genähte Kunst sozusagen. Und die beiden, die das gemacht haben, haben auch das Kleid heute gemacht. (Steht auf, dreht sich) Ganz schönes Kleid.

Schmidt: Super.

Schmidt (überlegt): Das ist genähte Kunst?

Marusha: Das ist genähte Kunst.

Schmidt: Aus alten Stoffteilen?

Marusha: Aus alten Stoffteilen. Aus allen möglichen Stoffteilen, die die Leute wegwerfen sozusagen, und ich trage das dann an meinem Körper. Damit man auch da ein bisschen Geld sparen kann sozusagen.

Schmidt: Na gut, du kannst sowas tragen. Aber man muss schon eine sehr besondere Ausstrahlung haben, damit man nicht so wirkt wie in Lumpen gehüllt.

Marusha: Ja.

Schmidt: Verstehst du den Unterschied? Bei dir hat das sozusagen gleich etwas Hippes ...

Marusha: ... etwas sehr Angesagtes ...

Schmidt: Verkaufen die das in Boutiquen?

Marusha: Die verkaufen das, mmh, eigentlich arbeiten die in einem Raum, also zu Hause, und dann kann man dahin gehen und es sich kaufen, oder man bekommt es geschenkt. Wie auch immer, je nach Bekanntheitsgrad oder eben nach Freundschaftsgrad. Bei mir ist es eher der Freundschaftsgrad - nicht, dass ich nicht bekannt wäre -, und die haben es mir genäht. Und ich denk' mal, das war irgendwann mal so'n türkisches, so'n ...

Schmidt (fasst an den Saum): Ja, das sieht aus wie ein Herrenjackett, ein altes.

Marusha: Ja, wie ein altes Herrenjackett und vielleicht ein bisschen Tischdecke dabei. Bisschen ...

Schmidt: Weißt du, ob die schon viel verkauft haben oder ob das meiste bisher verschenkt wurde?

Marusha: Letzteres. Aber sie sind sehr angesagt. Es ist so am Prenzlberg, das sind drei junge Leute, Thomas, Hanna und Maria, und die sind sehr innovativ ... Die wühlen immer da rum, wo sonst immer Zuwanderer vielleicht wühlen, keine Ahnung, und ... (lautstarkes Rumoren im Publikum)

Schmidt: Da macht das Publikum schon hohoho!

Marusha: Vielleicht wühlen wir alle mal demnächst darin, wer weiß?

Schmidt: Aber dass Zuwanderer wühlen, bitte, ist eine absolut politisch korrekte Beschreibung. Der Begriff Zuwanderer löst bei den Leuten schon ... Zuwanderer sind zum Beispiel die Frauen von Harvard-Professoren. Die sind zugewandert aus den USA - weil sie den Frieden lieben - hierher zu uns, und die wühlen da drin. Aber der Begriff Zuwanderer ist schon bei vielen ...

Marusha: Ich find' Wandern immer sehr sportlich, also im Sinne, jeder sollte sich sportlich betätigen. Und warum nicht diesen Sport ausüben?

Schmidt: Ja.

Marusha (streicht übers Kleid): Und wie man sieht, kann man ja wirklich auch landen damit, und vielleicht sollte man sich das auch mal zu Gemüte führen und ein bisschen wühlen.

Schmidt: Und das Wandern aus seinem Ghetto holen, oh Hilfe!

Marusha: Ich hab' dir ein Kinderbild mitgebracht.

Schmidt: Ein Kinderbild von dir?

Marusha: Ja, weil mich immer ganz viele Leute fragen: Wie hast du eigentlich früher ausgesehen?

Schmidt: Ja, das stimmt. Ich frag' mich das auch (...)

Marusha: Hast du Brille getragen als Kind?

Schmidt: Ja, schon mit acht. Ich war der einzige in der Schule, der eine Brille hatte.

Marusha: Auch so mit Milchglas und so?

Schmidt: Heute wär' das so absoluter Oasis-Kult, diese Brille, aber damals war das das einzige Modell, das es gab, so ein absolutes AOK-Hammerteil.

Marusha: Subventioniert?

Schmidt: Ja, ich durfte wirklich ein halbes Jahr während des Sperrmülls nicht auf die Straße gehen, aus Angst, abgeholt zu werden. Aber guck' mal an, unsere kleine Marusha. Nannte man dich damals auch schon Marusha?

Marusha (eifrig): Ja, ich heiß' Marusha, eigentlich von Anbeginn. Es wurde mal in meinen Pass eingetragen: Marion, denn es gab in Deutschland tatsächlich damals ein Gesetz, das Marusha, wenn es nicht im Namensbuch, im deutschen, praktisch auftaucht, verbot. Und so gab es vor 35 Jahren ein vehementes Poblem, diesen Namen eintragen zu lassen. Meine Mutter hatte das Problem damals und hat dann Marion eingetragen, weil das sehr angesagt war zu der Zeit, davon konnte sie Marusha ableiten. Das war wieder von Maria abgeleitet, was aus dem russischen, eine Verniedlichungsform ist. Wir haben aber dagegen prozessiert und ...

Schmidt: Nein!

Marusha: Und seit zehn Jahren ist Marusha Aphrodite im Ausweis, praktisch.

Schmidt: Du heißt Marusha Aphrodite?

Marusha: Marusha Aphrodite ist der ganze Name.

Schmidt: Heißt Aphrodite nicht die Schaumgeborene?

Marusha: Die Schaumgeborene, ja genau, auf Santurini, oder?

Schmidt: Ich weiß es nicht genau. Aphrodite, ist das nicht...

Marusha (stolz): Die Göttin der Liebe!

Schmidt: War da nicht was mit Zeus? Der hat sich irgendwo rangeschlichen, natürlich wieder verkleidet? War das nicht so?

Marusha: Du meinst, er war pädophil?

Schmidt: Nein, er hat sich nicht an Aphrodite rangeschlichen, sondern Aphrodite entstand, weil er sich wo rangeschlichen hat. Verkleidet.

Marusha: Ach, so verschlichen meinst du.

Schmidt: Ja. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. Du kennst dich da auch nicht aus in der griechischen Mythologie?

Marusha: So'n bisschen nur. So weit bin ich da nicht bewandert. Ich weiß nur, dass sie tatsächlich schon angespült wurde irgendwo.

Schmidt: Aber das wurdest du nicht?

Marusha: Ich wurde irgendwann ausgespült, glaub' ich eher.

Schmidt: In Nürnberg.

Marusha: In Nürnberg, in irgendeinem Krankenhaus.

Schmidt: Das merkt man bei dir aber gar nicht mehr, diesen Dialekt.

Marusha: Seit zwölf Jahren beflügelt mich dann doch eher die Berliner Umfeld-Generation, die dann so eher dit und weeßte ...

Schmidt: Aber sagen das nicht eher vorwiegend Schwaben, die sich dort vor der Bundeswehr drücken wollten?

Marusha: Um vorzutäuschen, dass sie von daher kommen?

(...)

Schmidt: Man hört so viel, dass Berlin so brummt und so angesagt ist.

Marusha: Ja, total.

Schmidt: Sag mal, Prenzlberg, muss ich da hinziehen?

Marusha: Du musst auf keinen Fall dahin ziehen.

Schmidt: Ist es Mitte?

Marusha: Es kommt drauf an. Also Berlin ist in jedem Fall 'ne Boomtown, ich finde, gerade als Vielreisende, ist es die spannendste Stadt in Europa im Moment. Also London hat abgedankt...

Schmidt: Huch!

Marusha: ... finde ich. Also tatsächlich es gibt eine schöne Tradition bei uns in Berlin und überhaupt in Ostdeutschland, dass man einfach Kunst fördert in jedem Bereich. Ob es jetzt Schriftsteller sind oder eben Künstler eben im Kleidungsbereich oder im musikalischen Bereich, und es entstehen unheimlich viele kleine Oasen überall, und jeder hilft dem anderen irgendwie. Es gibt natürlich wahnsinnig viel Konkurrenz, aber dadurch ist natürlich auch gewährleistet, dass man viel motivierter an die Sache rangeht. Du bräuchtest auch mal 'ne Konkurrenz, weil...

Schmidt: Also, auf nach Berlin!

Marusha: Ja, genau!

Schmidt: Aber ich trau' mich noch nicht in die Hauptstadt. Das ist irgendwie so, den Vibrations dort bin ich, glaub' ich, nicht gewachsen.

Marusha: Ach, ich denke mal, es ist immer eine Reise wert.

(...)