25 Jahre Deutscher Herbst

War da was?

Die deutsche Gesetzeslage lässt den Geheimdiensten alle Möglichkeiten, ihre Akten für immer verschlossen zu halten.

Was einmal werden könnte, hat schon einen Namen: Informationsfreiheitsgesetz. Und es hat auch eine Geschichte, eine viel zu lange. Von den Grünen empathisch gefordert, im Koalitionsvertrag 1998 angekündigt, zwei Jahre später in einem ersten Entwurf des Bundesinnenministeriums in die Diskussion gebracht, wurde es nach wenigen Monaten der Debatte wieder in den Schubladen versenkt.

Im Paragraf 1 des Gesetzentwurfes hieß es: »Jede natürliche und juristische Person des Privatrechts hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes ein Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit diese Verwaltungstätigkeit verrichten.« Für den Fall allerdings, dass die geforderten Informationen »die öffentliche Sicherheit« beeinträchtigen könnten, war auch in diesem weit gehenden Entwurf eine Ausschlussklausel vorgesehen.

Dass der Entwurf dennoch am Widerstand des Bundesverteidigungsministeriums, der Geheimdienste und des Finanzministeriums scheiterte, dem die Informationsfreiheit zu teuer schien, sagt viel über das Verständnis von öffentlicher Kontrolle in der deutschen Exekutive aus. Landesgesetze zur Informationsfreiheit, wie sie in Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein in den letzten Jahren beschlossen wurden, beschneiden den Informationsanspruch des Einzelnen ebenfalls erheblich, um Sicherheitsbelange, aber auch andere, allgemeiner beschriebene Verwaltungsinteressen nicht zu beeinträchtigen.

Doch nicht nur um die Informationsfreiheit, die dazu führen könnte, dass BürgerInnen Einsicht in laufende Verwaltungsvorgänge beanspruchen könnten, ist es schlecht bestellt. Auch Archivalien, die Aufschluss über die jüngste deutsche Vergangenheit gewähren könnten, sind nicht so leicht zu bekommen. Zwar gibt es das gut bestückte Bundesarchiv in Koblenz mit mehreren Zweigstellen, den Umgang mit dessen Bestand aber regelt das Bundesarchivgesetz. Es wurde 1988 nach jahrelangen erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Archivaren, Datenschützern und der Exekutive beschlossen. Wie ein Archivexperte in einem Aufsatz beklagte, ging es darum, »die letzten Relikte des früheren Verständnisses der Archive als bloße Geheimarchive für die Staatsorgane zu tilgen und die Archivbenutzung zu einem subjektiv-öffentlichen Recht des Bürgers zu erheben«.

Dieses Recht soll der Paragraf 5 des Bundesarchivgesetzes gewähren: »Das Recht, Archivgut des Bundes aus einer mehr als 30 Jahre zurückliegenden Zeit zu nutzen, steht jedermann auf Antrag zu, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist.« Die Frist von 30 Jahren ist zwar in vielen Archivgesetzen enthalten, aber sie ist keineswegs zwingend. Zum Beispiel sind die Bestände der Massenorganisationen und Parteien der DDR ausgenommen. Der Hinweis auf andere bestimmende Rechtsvorschriften dehnt die Spielräume des Bundes noch weiter aus. So sind Unterlagen ausgenommen, die nach einer Rechtsvorschrift der Geheimhaltung unterliegen und für die eine Sperrfrist von 80 Jahren gilt.

Selbst Unterlagen, die nicht notwendigerweise als »geheim« oder als »Verschlusssache« zu klassifizieren sind, müssen nicht zwingend nach 30 Jahren ins Bundesarchiv abgegeben werden. Insbesondere die Geheimdienste, aber auch Behörden übergeben ihre Bestände nur sehr zögerlich oder gar nicht. Schutzwürdige Belange der Bundesrepublik Deutschland werden dafür ins Feld geführt. Aber auch die Frage, wann eine Behörde die Akten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt, kann sehr flexibel beantwortet werden. Zudem bietet der Datenschutz Möglichkeiten, Akten zu sperren, wenn »schutzwürdige Belange Dritter« ihrer Veröffentlichung entgegenstehen. Auch das ist, wie die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung zeigen, eine weit auslegbare Formulierung.

Mitarbeiter des Bundesarchivs stellen immer wieder verärgert fest, dass Behörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Bundesnachrichtendienst der Verpflichtung, Akten herauszugeben, so gut wie nicht nachkommen. Wer also versucht, in den in Koblenz und Potsdam aufbewahrten Archivalien Dokumente über die staatliche Politik gegenüber der RAF in den Jahren 1970 und 1971 zu finden, wird enttäuscht. Es gibt dort weder Dokumente über V-Leute, über die Konzeption der Fahndungen und die Verhaftungen durch die Polizei noch über die politischen Pläne zur Bekämpfung der RAF. Immerhin hat der Generalbundesanwalt Verfahrensakten aus den ersten Prozessen abgegeben, allerdings nicht die hausinternen Akten, die in der mündlichen Verhandlung keine Rolle spielten. Damit ermöglicht das Archivgesetz der interessierten Nutzerin, auf den Erkenntnisstand einer Prozessbesucherin vor 31 Jahren zu kommen - nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Für alles Weitere, so teilen einem die Archivare mit, seien die aktenführenden Stellen verantwortlich, die jederzeit die Möglichkeit hätten, den Verschlusssachenvermerk zu entfernen und die Akten zugänglich zu machen. Sie haben auch das Recht, ihre Akten früher selbständig zu veröffentlichen. Eine andere Möglichkeit wäre es, das Stasi-Unterlagengesetz von 1991 auf alle deutschen Geheimdienste anzuwenden. Es sieht Verwendungsbeschränkungen vor allem zum Schutz persönlicher Daten solcher Menschen vor, die keine Personen der Zeitgeschichte sind, kennt aber weder Fristen noch übergeordnete Geheimhaltungsinteressen.