Skandale im griechischen Fußball

Europa kann kommen

Manipulierte Spiele, bankrotte Fernsehsender und inhaftierte Präsidenten: Im griechischen Fußball häufen sich die Skandale.

Den größten internationalen Erfolg seiner Fußballmannschaft konnte der Präsident des AEK Athen nur hinter Gittern verfolgen. Im Fernsehsaal des Staatsgefängnisses sah Makis Psomiadis Ende September das eindrucksvolle 3:3 im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid.

Wegen Urkundenfälschung war er zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Schon kurz nach dem Abpfiff zeigten sich die Spieler des griechischen Vizemeisters in zahlreichen Fernsehinterviews mit ihrem Präsidenten solidarisch und widmeten ihm den überraschenden Punktgewinn. Mittlerweile kam Psomiadis, der im Stadion nicht nur dicke Zigarren raucht, sondern sich dazu auch noch gerne einen Whiskey gönnt, auf Kaution wieder frei. Gut für die Spieler von AEK Athen, die sich nun wieder auf ihr Gehalt freuen dürfen, das so lange nicht ausgezahlt wurde, wie ihr Präsident im Athener Gefängnis saß.

Psomiadis ist zugleich so etwas wie eine Symbolfigur und eine Karikatur des griechischen Fußballs. Er würde außerhalb der griechischen Fußballwelt sicher kaum jemanden interessieren, wenn nicht gerade in dieser Woche die Findungskommission der Uefa für die Ausrichtung der Europameisterschaft im Jahr 2008 die politisch traditionell verfeindeten Länder Griechenland und Türkei besuchte. Beide Staaten, die sich noch 1996 wegen eines kleinen Felsens in der Ägäis fast in einen Krieg gestürzt hätten, haben sich um die gemeinsame Ausrichtung des Turniers beworben. Sie sind die letzten von insgesamt sechs Kandidaten, die der europäische Fußballverband deswegen nun besucht.

Was den Fußball betrifft, gibt es für die Uefa-Abordnung derzeit in Griechenland nicht so viel zu sehen. Seit dem vergangenen Wochenende streikt die Liga. Schuld daran hat, wie die Vereine behaupten, wieder einmal das Fernsehen.

Bis Mitte September hatten die knapp elf Millionen Einwohner Griechenlands das in ganz Europa wohl einzigartige Privileg, zwischen zwei Pay-TV-Sendern hin und her zappen zu können. Allerdings war schon länger klar, dass einer der beiden Sender die aktuelle Fußballsaison nicht überleben wird. Für den kleinen griechischen Markt mit nur drei Millionen Haushalten grenzt das profitable Wirtschaften schon eines Bezahlfernsehsenders fast an ein Wunder.

Folgerichtig meldete Alpha Digital Synthesis (ADS) bereits nach fünf Spieltagen Konkurs an. Nur 40 000 statt der benötigten 120 000 Abonnenten hatten bis Anfang September den Dekoder des Unternehmens bestellt. Das waren zu wenig, seit dem 11. September sendet ADS nicht mehr. Aber nicht nur die geprellten TV-Konsumenten, sondern auch die meisten griechischen Clubs sind davon betroffen.

Insgesamt zehn der 14 Vereine der Nationalliga waren erst im November des vergangenen Jahres kollektiv vom Pay-TV-Konkurrenten Netmed, der einem niederländischen Konsortium gehört, zu ADS gewechselt. Der Sender versprach schließlich fünf Mal höhere Summen für die Übertragungsrechte als der Mitbewerber.

Seit dem Konkurs von ADS ist nun erstmal Schluss mit den Träumen vom schnellen Geld. Da die meisten Fußballclubs bis zu 90 Prozent ihres Saisonetats aus den erhofften Einnahmen decken wollten, stehen sie nun fast selbst vor der Pleite.

Traditionell ruft man in Griechenland in solchen Situationen nach dem starken Staat. Der jedoch, in Person des mächtigen Kultur- und Olympiaministers Evangelos Venizelos, wies die Forderung nach einer staatlichen Alimentierung strikt zurück. Auch der andere von den Clubs vorgelegte Vorschlag, nämlich an den Einnahmen der in Griechenland sehr beliebten Fußballwette »Stichima« beteiligt zu werden, stößt bei Politikern auf heftigen Widerstand. Aus gutem Grund fehlten auf den Scheinen für die Fußballzocker die griechischen Partien, nur auf ausländische Spiele kann getippt werden.

Denn betrieben wird das lukrative Geschäft mit den Wetten vom Eigentümer und Präsidenten des griechischen Fußballclubs Olympiakos Piräus, Sokratis Kokkalis. Wenn nun, wie gefordert, auch griechische Spiele auf den Wettscheinen auftauchten, wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet, vermutet man im Athener Ministerium wohl nicht ganz zu Unrecht. Nun also streiken die Clubs erst einmal auf unbefristete Zeit für ihre Forderungen.

Ob der Ausstand den gewünschten Erfolg bringt? Insider verweisen auf mafiöse Strukturen in den Vereinen. Auch innerhalb der Liga soll nicht alles mit rechten Dingen zugehen. Sechsmal hintereinander errang Kokkalis' Club die Meisterschaft. So oft und souverän, dass Olympiakos Piräus gelegentlich schon als »staatlich bestellter Dauermeister« tituliert wurde. Nicht selten verhalfen zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen der Mannschaft zum Sieg.

Ausgeheckt worden sein sollen diese und andere Maßnahmen zugunsten des Teams in der so genannten »Barakas«. Dabei handelt es sich um eine neugriechische Wortschöpfung, die die organisierten Machenschaften im griechischen Fußball umschreibt.

In dieser einflussreichen Baracke also trafen regelmäßig Tomas Mitropoulos, der Vorsitzende des nationalen Fußballverbandes (Epo), sein Bruder Viktor Mitropoulos, Vorsitzender des Verbandes der griechischen Fußballvereine (Epae), und der Leiter des griechischen Schiedsrichterverbandes zusammen. Mitunter schaute auch der Präsident von Olympiakos Piräus vorbei. Gegen Kokkalis wurde übrigens gerade in Athen wegen angeblicher Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit und einiger Wirtschaftsdelikte Anklage erhoben.

Die Funktionäre sollen darüber gesprochen und entschieden haben, welcher Schiedsrichter welches Fußballspiel zu leiten habe. Es ging aber wohl auch um Bestechungen, wie polizeiliche Überprüfungen der Vermögen einiger Referees vor zwei Jahren zu Tage brachten.

So ist auch der seltsame Umstand zu erklären, dass der griechische Schiedsrichter Kyros Vassaras zwar von der Fifa für die diesjährige Fußballweltmeisterschaft in Japan und Südkorea nominiert wurde, jedoch kaum ein Spiel in seiner eigenen nationalen Liga pfeifen durfte. Er gilt in Griechenland als schlichtweg unbestechlich und war deshalb für die Baracke nicht interessant.

Da sich die Manipulationen in den letzten sechs Jahren so offensichtlich in Toren, Punkten und Meisterschaften für Olympiakos Piräus zeigten, geht kaum noch jemand ins Stadion. Viele Fans haben schlichtweg die Lust am Vereinsfußball verloren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zu normalen Erstligaspielen weniger als 1 000 Zuschauer kommen.

Dank einiger personeller Veränderungen im Fußballverband schien es jedoch in diesem Sommer schon fast so, als sei »der griechische Patient«, wie die Tageszeitung Kathimerin die Nationalliga nannte, auf dem Weg der Besserung.

Doch als im August plötzlich der Vizepräsident des Verbands, Aristeidis Stathopoulos, am hellichten Tage unweit seines Büros mit einer Eisenstange »von beauftragten Profikillern« schwer verletzt wurde, wie es in einer offiziellen Presseerklärung der Epo hieß, war der kurze, unbeschwerte Sommer der griechischen Fußballwelt auch schon wieder vorbei.