Fußballprofis in den Regional- und Oberligen

Opfer fürs Vaterland

Der Einsatz von Profis in den Reserveteams der Fußballbundesligisten erzürnt die Amateurvereine.

Ciriaco Sforza hatte die Grippe. Pech für den Spieler des 1. FC Kaiserslautern, Pech für seinen Trainer Eric Gerets, aber vor allem Pech für den FC Schweinfurt 05. Denn um nach der Genesung nicht gleich wieder in der Bundesliga verheizt zu werden, wurde der Star aus der Schweiz in die Amateurreserve des FCK abkommandiert. Beim Regionalligaspiel gegen den Tabellenletzten aus Unterfranken sollte Sforza wieder in Tritt kommen, und weil es gerade passte, lief sein Kollege Hervé Lembi gleich mit auf. Er hatte eine Knieverletzung überstanden und nutzte den Kick ebenfalls, um wieder zu Kräften zu kommen.

Das Spiel im Oktober endete wenig überraschend 2:0 für die Pfälzer. Solche Einsätze von Profis sind in den Regional- und Oberligen nicht ungewöhnlich. So erzielte kürzlich Razundara Tjikuzu alle Treffer für die zweite Garnitur von Werder Bremen zum 3:2 Sieg bei Dynamo Dresden. Leverkusens Nationalspieler Daniel Bierofka, in der Bundesliga zu diesem Zeitpunkt wegen einer roten Karte gesperrt, schoss den 1:0-Siegtreffer für die Reserve gegen Wattenscheid 09, und beim 3:1 von Alemannia Aachens Amateuren bei der SpVgg Velbert konnten insgesamt zehn Zweitligaprofis in der Oberliga spielen.

Möglich wurden solche Gastspiele dank einer Statutenänderung des DFB im vergangenen Sommer. Die Begrenzung für Profieinsätze in den Zweitmannschaften auf maximal drei U-24-Spieler wurde aufgehoben. Die in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) organisierten 36 Bundesligisten können für ihre Reserve jetzt so viele Berufskicker aufbieten, wie sie wollen.

Die Vertreter der Amateurklubs aber sind extrem verärgert. Paderborns Coach Uwe Erkenbrecher sieht die Regionalliga als bloßes »Versuchslabor«, und Schweinfurts Pressesprecher Stefan Funk fühlt sich zu einem »Sparringspartner« degradiert. Wattenscheids Trainer Hannes Bongartz schließlich sprach von »Wettbewerbsverzerrung«, denn nachdem Bierofka gegen seine Elf noch getroffen hatte, stand er eine Woche später gegen Rot-Weiß Essen nicht mehr zur Verfügung. Da ging er schon wieder in der Bundesliga auf Torejagd, für die erste Mannschaft der Leverkusener.

Der Sprecher des DFB, Harald Stenger, hält den erbosten Amateuren entgegen, dass es das Ziel der Regelung sei, »jungen deutschen Profis bei den Reserven die Spielpraxis zu ermöglichen, die sie in der Bundesliga nicht immer bekommen«. Darüber hinaus hätten Rekonvaleszenten in den Regional- und Oberligen die Gelegenheit, unter Wettkampfbedingungen in Form zu kommen.

Die Empörung der Amateurklubs, die es, wenn sie Pech haben, mit Heiko Herrlich, Lars Ricken, Sven Vermandt oder Christian Rahn zu tun bekommen, kann Stenger nicht verstehen: »Man muss auch das große Ganze sehen. Das ist eine sinnvolle Maßnahme, um die WM-Spieler für 2006 aufzubauen.«

Das findet übrigens auch Uli Hoeneß. In Paderborn solle man sich doch freuen, wenn Marcio Amoroso für Dortmunds Zweite auflaufe, sagte der Manager von Bayern München kürzlich. Jeder sei gefordert, seinen Beitrag für die WM zu leisten.

Dieses Opfer für den Weltmeistertitel ist den Amateur- und Halbproficlubs aber zu groß. Mit dem Totschlagargument »WM« rechtfertige der DFL jedes Mittel, um die eigene Vormacht auszubauen, klagt Stefan Funk. Er kennt den Klub der Reichen noch aus der vergangenen Spielzeit, als sein Verein für ein Jahr in der zweiten Liga mitkickte: »Letztlich besteht die DFL aus den Top Five wie Bayern oder Dortmund, die dem DFB anschaffen, was er zu tun hat. Dann gibt es ein breites Niemandsland von Mitläufern und schließlich die armen Schlucker aus dem Amateurbereich, die ab und zu in der Zweiten Liga vorbeischauen.«

Das neue Statut zeige die Wertschätzung, die der Amateurfußball beim DFB und in der DFL genießt. »Die halten uns für ihre Spielwiese«, sagt Funk. Das nagt am Selbstwertgefühl, schließlich sind Amateur- und Halbprofivereine wie Dynamo Dresden, Rot-Weiß Essen oder der VfL Osnabrück regional stark in der Bevölkerung verankert. Doch für den Unterbau in den dritten und vierten Spielklassen fehlt dem DFB seit der Einführung der Bundesliga jedes schlüssige Konzept. »Die eiern seit 40 Jahren rum«, schimpft Funk, dessen Schweinfurter in der Grauzone zwischen dem Berufs- und dem Hobbyfußball gewohnheitsmäßig ums Überleben kämpfen.

Mit dem steigenden Einfluss der Bundesliga auf den Halbprofi- und Amateurbereich ist der wirtschaftliche und sportliche Abstand nach oben größer geworden. Wer aufsteigen will, riskiert den finanziellen Totalschaden. Denn wenn es nichts wird mit dem Profifußball, kommt immer öfter der Insolvenzverwalter. »Durch den Einsatz der Sforzas und Rickens wird sich die Kluft zwischen den Bundesligisten und den Amateurvereinen weiter vergrößern«, sagt Lothar Gans, der Manager des VfL Osnabrück. »Am Saisonende belegen die Reserve-Teams die ersten sechs Plätze in der Regionalliga.«

Weil sie aber nicht in die zweite Liga aufsteigen dürfen, wäre der Tabellensiebte dran. »Nur der ist dann sicher nicht wettbewerbsfähig und steigt sofort wieder ab«, meint Gans. »So gehen Klubs wie Osnabrück oder Essen kaputt. Und das, obwohl wir regelmäßig vor 10 000 Zuschauern spielen, Werder Bremen II aber nur vor 250.«

Tatsächlich, viele Drittligisten übertreffen mit ihren Zuschauerzahlen sogar die meisten Zweitligaclubs, allen voran Essen, Offenbach, Osnabrück und der Aufsteiger Dresden. Dynamo stellte im vergangenen Jahr mit einem Schnitt von 8 000 sogar einen neuen Zuschauerrekord für viertklassige Vereine auf. Die konkurrierenden Reservemannschaften der DFL-Vereine spielen dagegen faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In Leverkusen sind sogar zweistellige Zuschauerzahlen nichts Außergewöhnliches.

Acht Zweitmannschaften gibt es inzwischen in den beiden Regionalligastaffeln, und es ist absehbar, dass ihre Zahl wächst. »Diese Entwicklung ist gewollt«, sagt der stellvertretende DFB-Vorsitzende Engelbert Nelle. Auch der Einsatz von Profis in diesen Teams passe gut ins Konzept der Talentförderung. Hier freilich misst der Verband mit zweierlei Maß. Wenn nämlich Osnabrück einen Spieler aus dem Kader der ersten Mannschaft in der eigenen Reserve einsetzt, wird er anschließend 16 Tage lang für die Regionalliga gesperrt. »Den Bundesligisten mutet man so etwas natürlich nicht zu«, ärgert sich der Manager Gans.

In der DFL indes reagiert man auf die Wut in den Amateurvereinen gleichgültig. »Wenn wir die Möglichkeit haben, einen Ciriaco Sforza in der zweiten Mannschaft einzusetzen, dann nutzen wir sie auch«, sagt Michael Novak vom 1. FC Kaiserslautern lakonisch. Dass die Talentförderung auf Kosten der anderen Regionalligisten gehe, sei nicht sein Problem. »Der DFB hat's beschlossen, fertig.«