Der Unternehmer Rafik Khalifa

Die Ich-AG der Generäle

Der in Frankreich noch vor kurzem als erfolgreicher algerischer Unternehmer gefeierte Rafik Khalifa ist in Ungnade gefallen. Denn seine Unternehmensgruppe ist ein Hindernis für westliche Investoren.

Noël Mamère, der Bürgermeister von Bègles ist, einem Vorort von Bordeaux, und der im Frühjahr als Präsidentschaftskandidat der Grünen antrat, gab sich prinzipienfest. Nein, er werde nicht am Spiel der Rugbymannschaft Bègles-Bordeaux teilnehmen, erklärte er. Das habe »politische Gründe«, denn »der Milliardär« Rafik Abdelmoumem Khalifa, der neue Sponsor des Rugbyclubs, sei »ein Freund der algerischen Generäle. Ich will ihm nicht begnegen.«

Energisch giftete der Schauspieler Gérard Dépardieu zurück: »Das sind rassistische und faschistische Äußerungen. Mamère hat vielleicht in seine samtene Unterhose geschissen.« Seitdem Khalifa den Club Bègles-Bordeaux sponsort, ist Dépardieu Mitglied des Verwaltungsrats der Rugbymannschaft. Und er hat an der Seite seines Partners in den algerischen Weinbau investiert. Letztlich blieben sowohl Mamère als auch Khalifa dem Spiel am letzten Wochenende im September fern.

Der Polemik um Khalifa folgten im Oktober binnen weniger Tage zahlreiche Artikel und Enthüllungsberichte, unter anderem in der Sonntagszeitung JDD und der satirischen Wochenzeitung Le Canard enchaîné. Die Pariser Tageszeitung Libération machte sogar mit einem fünfseitigen Dossier samt Titelseite über »die verborgene Seite des Khalifa-Imperiums« auf.

Nicht allein Journalisten, sondern auch die Nachrichtendienste und der Staatsapparat interessieren sich für die Geheimnisse des mit Abstand wichtigsten privaten Wirtschaftsimperiums in Algerien. So zitiert die linksliberale Libération nacheinander »eine vertrauliche Studie der französischen Regierung«, »ein internes Dokument der DGSE«, des französischen Auslandsgeheimdienstes, sowie »einen Polizisten der Renseignements Généraux«, der Nachrichtenabteilung der französischen Polizei, die teilweise geheimdienstliche Aufgaben hat. Khalifa, so der Tenor der Vorwürfe, diene algerischen Militärs als Strohmann für ihre Geschäfte.

Noch im Frühjahr schienen die Dinge ganz anders zu liegen. Die französischen Medien, die Khalifa damals entdeckten, waren des Lobes voll. Der Canard enchaîné hatte im April in Algerien den »ernsthaften Rückstand dieses vom Etatismus geprägten Landes« festgestellt, sah aber Rettung nahen: »Mit dem Aufsehen erregenden Aufstieg des extravaganten Herrn Khalifa in dieser erstarrten Landschaft - 36 Jahre jung und schon eine Milliarde Dollar auf dem Konto - lernt endlich auch die örtliche Nomenklatura, was eine privatisierte Ökonomie bedeutet.«

Zum wirtschaftlichen Imperium des jungen Mannes gehören unter anderem die Fluggesellschaft Khalifa Airways, die größte Privatbank Algeriens (El Khalifa Bank), ein Computerhandel und eine Pharmagruppe. Sein Fernsehsender, den er originellerweise Khalifa Télévision taufte, musste allerdings im Oktober nach nur sechs Wochen abgeschaltet werden, weil der französische Medienkontrollrat CSA ihm die Sendelizenz verweigerte. Auch im europäischen Ausland ist der algerische Mischkonzern aktiv.

Doch niemand weiß, woher eigentlich das Kapital stammte, das in die verschiedenen Unternehmungen Khalifas investiert wurde. Die einzigen bekannten Investoren des Konzerns sind sieben Mitglieder der Familie. Geschäftsleute aus den Golfmonarchien werden manchmal als Geldgeber genannt, die Rede ist aber auch von einflussreichen algerischen Militärs.

Rafik Khalifas Vater Laroussi gründete kurz vor der Unabhängigkeit den Vorläufer des militärischen Nachrichtendienstes. Später amtierte er auch als Industrie- und Ölminister, wurde aber 1967 entmachtet. Bei seinem Tod 1990 scheint er kein großes Vermögen hinterlassen zu haben, und es ist unwahrscheinlich, dass sein Sohn das Startkapital allein mit der Apotheke in einem Vorort von Algier verdiente, die er Anfang der neunziger Jahre betrieb.

Als einheimische Investoren kommen nur Teile der militärisch-staatsbürokratischen Nomenklatura in Frage, möglicherweise wählten sie Khalifa wegen alter familiärer Verbindungen als Repräsentanten. Angehörige der herrschenden Schicht haben während der letzten beiden Jahrzehnte prächtige Vermögen angehäuft. Bereits in der Phase des Staatssozialismus, die bis zum Jahr 1988 dauerte, bildete sich jenseits der planwirtschaftlichen Industrialisierung ein teilweise informeller Privatsektor, zunächst in Form von Zulieferer- und Dienstleistungsbetrieben, die von den staatlichen Projekten profitierten. Oft gehörten sie Mitgliedern der militärisch-staatsbürokratischen Schicht.

Als der Staatssozialismus Anfang der achtziger Jahre in die Krise geriet, investierten solche Geschäftsleute meist in den Import von Produkten, an denen es auf dem heimischen Markt mangelte. Im Laufe der Jahre überflügelte dieser Sektor die nationale Produktion, die mit den Erzeugnissen der europäischen oder der nordamerikanischen Industrien nicht konkurrieren konnte. In den neunziger Jahren wurden die Liberalisierung und die Marktöffnung explizit ins Programm der Regierenden übernommen. Jedem eigenen Entwicklungsmodell wurde so definitiv eine Absage erteilt, stattdessen muss das Land seither versuchen, für westliche Investoren möglichst attraktiv zu werden.

Doch nicht nur wegen des schlechten Rufs Algeriens in Sachen Terrorismus lassen die umworbenen Investoren auf sich warten. Bestehende Überreste der staatssozialistischen Ökonomie, wie manche noch fast kostenlose Grundversorgungsgüter und andere soziale Errungenschaften, werden als störend empfunden. Vor allem aber erwarten die Geldgeber solide strukturelle Garantien für ihr Wirken in Algerien. Beispielsweise sollen die privilegierten Kartelle, die es im algerischen Importgeschäft nach wie vor gibt, zurückgedrängt werden.

Aus diesem Grund dürfte die erste populäre Galionsfigur der algerischen privaten Bourgeoisie in Ungnade gefallen sein. Die Kampagne gegen Khalifa ist ein deutliches Signal an die hinter ihm stehenden Angehörigen der herrschenden Nomenklatura und ihre Kartelle.

Ebenfalls gegen diese Personengruppe sind die regelmäßig wiederholten Behauptungen gerichtet, der algerische Staat habe die Islamisten zugeschriebenen Massaker der letzten Jahre organisiert. Solche finden sich oft in Medien, die wie Libération als kritisch gelten, in ihrer Kritik an der Nomenklatura aber das Interesse mächtiger Europäer an Ländern wie Algerien übersehen, das durchaus im Widerspruch zu den Mehrheitsinteressen der dortigen Bevölkerung steht.

Im April dieses Jahres schloss Algerien als letzter Staat des Maghreb ein Assoziierungsabkommen mit der EU, um am 1995 in Barcelona begonnenen Prozess zur Schaffung einer euro-mediterranen Freihandelszone teilzunehmen.

In diesem Zusammenhang werden französische und andere europäische Kapitalisten in den nächsten Jahren weiter versuchen, in den Ländern des Maghreb günstige Investitionsbedingungen zu erreichen und besonders der algerischen Nomenklatura beizubringen, was eine privatisierte Ökonomie bedeutet. Mit weiteren »Enthüllungen« ist zu rechnen.