Die neue Zeitschrift Woman

Was Petzen lesen

Die neue Frauenzeitschrift Woman ist so bunt wie überflüssig.

So richtig begeistert zeigte sich der Branchendienst kress report über die erste Nummer der neuesten Frauenzeitschrift Woman aus dem Verlag Gruner+Jahr nicht. 350 000 Exemplare seien verkauft worden, hieß es dort, und das sei weder gut noch schlecht. Denn schließlich sei für das Blatt, das derzeit noch zum Einstiegspreis von einem Euro verkauft wird, auch massiv geworben worden, »jedes andere Ergebnis wäre eine Enttäuschung gewesen«.

Wobei unklar ist, warum Frauen Woman brauchen sollten. Gut, die erste Nummer präsentierte ein Interview mit Barabara Schöneberger, die auch gleich vom Titel glubschte, aber im Moment ist es kaum möglich, eine Zeitschrift ohne ein Interview mit Schöneberger zu finden. Musste man da wirklich gleich eine ganze neue Illustrierte drumherum basteln?

Definitiv ja, findet die Redaktion. Der Chefredakteur Karsten Flohr schwärmt im Editorial von der neuen Zeitschrift »in einem neuen Look, mit neuen Inhalten, Themen und Schwerpunkten.« Erfahrene Frauenzeitschriftenkäuferinnen bekommen bei solchen Ankündigungen aber meistens gleich Angst, denn wann immer ein neuer Titel unter der Prämisse, alles irgendwie anders machen zu wollen, gestartet wird, kann man sicher sein, doch wieder nur mit Themen wie Küche, Make-up, Urlaub, Mode und Frisurentipps belästigt zu werden.

So sei Woman nicht, schreibt Flohr. Das Blatt soll nämlich so sein: »lebendig, abwechslungsreich, überraschend. Genau so, wie wir uns unsere Leserinnen vorstellen«. Was eigentlich nicht weiter überraschend ist, denn tote Leserinnen dürften für kaum eine Redaktion die angestrebte Zielgruppe sein. Die ideale Leserin ist dann aber auch für Woman nur »souverän, selbstbewusst. Und erwachsen. Damit ist nicht das Alter gemeint, sondern die Einstellung zu den Dingen des Lebens - und des Lesens.«

In das Lesevermögen der lebendigen Leserinnen scheinen die Macher von Woman jedoch nicht allzu viel Vertrauen zu haben. Wo in anderen Zeitschriften das Inhaltsverzeichnis grob nach den verschiedenen Themenbereichen sortiert und hin und wieder mal mit einem Bildchen aufgelockert wird, wird's bei Woman bunt. Stolz erklärt die Redaktion, bei ihr würden die Themen »übersichtlich nach Farben gegliedert«.

Übersichtlich? Nach Farben gegliedert? Das ist nicht nur eine seltsame Idee, das kolorierte Inhaltsverzeichnis sieht auch scheiße aus. Unter der pinkfarbenen Überschrift »Trends« etwa finden sich die Themen des Genres, ebenfalls in rosa. Dann wird's rot, denn es folgt der Bereich »Aktuell«. Ein unerfreuliches Blau ist allem, was mit dem Beruf zu tun hat, zugeordnet, es folgen die Mode in Lila, Beauty-Themen in Puderrosé sowie die grünliche Fitness.

Schön ist das nicht, und wer auf die Idee gekommen ist, für alles rund ums Essen ein absolut nicht zu den anderen Farben passendes Süßkartoffelorange zu wählen, der sollte mindestens für den Rest des Monats mit Kürbisschlammsuppe bestraft werden.

Extrem farbig geht es auch gleich auf den ersten Seiten zur Sache. Die Trends verkünden, »die Königsfarbe kommt an die Macht«, und zeigen Sessel, Handschuhe, Lippenstifte und Wodka - in Lila. Lila? War da nicht was? Ja. Im Inhaltsverzeichnis ist die Abart des Violetten eindeutig dem Thema Mode zugeordnet, wo sich aber leider kein einziges lila Teil findet.

Aber was soll's, weitere heiße Trendinformationen warten bereits. Schließlich hat die erwachsene Leserin ja eine gewisse Einstellung zu den Dingen des Lebens, zu denen unbedingt auch Seifen gehören. Wir lernen, dass die Schönen dieser Welt »Seifen, Lotionen und Badezusätze von Lush« benutzen, dass man Deotücher, Haarkuren und Cremes jetzt auch im Portionsbeutel kaufen kann und Uhren nun im Retrostil ticken.

Dann wird's wieder rot, denn ab Seite 25 beginnt der aktuelle Teil. Dort werden Fragen wie »Brauchen wir das Ehegatten-Splitting überhaupt?« geklärt (eher nicht, die meisten europäischen Länder kommen ohne aus). Weiter erfahren wir, wie die »leidenschaftliche Streiterin für die Kunst« von ihrer Berufung zur Kulturstaatsministerin erfuhr (»Der Anruf des Kanzlers hat mich kalt erwischt«).

Es folgen junge weibliche Bundestagsabgeordnete, die Sachen sagen wie »Mit Kinderwagen wird man inzwischen schief angeguckt« - was vielleicht daran liegen könnte, dass Frau Mantel von der CSU einen völlig untrendy Karren durch die Gegend schiebt, wer weiß das schon -, und ein Interview mit Rita Süßmuth, deren Satz »Die Neuen können nicht jung und zugleich erfahren sein« der Redaktion so bedeutsam erschien, dass sie ihn gleich zweifarbig ausblockte.

Aber Woman-Frauen wollen auch selbst etwas bewegen, schließlich sind sie selbstbewusst undsoweiter. Deswegen berät ihr Blatt sie auch in Berufsfragen. »Lachen - das beste Rezept für Leistung und Erfolg« lernt man dort, Heiterkeitsseminare seien total angesagt, in den USA habe Kodak gar »Humorpausenräume eingerichtet, in denen die Mitarbeiter Comics lesen«.

Dabei gibt es derzeit gar nicht viel zu lachen, wie Woman nur zwei Seiten weiter verrät: »Deutschland stöhnt, Konkurrenzdruck, Kündigungen, Krisenstimmung«. Das Rezept dagegen? Nein, nicht der Humorpausenraum, stupid, sondern »Hoch-Zeit für Teilzeit«.

Leider hat auch der Teilzeitjob einen entscheidenden Nachteil: die Kollegen. Wichtigtuer, Alkoholiker, Pseudobosse, Ideenklauer werden von Woman jedoch schnell zum Schweigen gebracht, und falls Tipps wie »Unterrichten Sie Ihren Vorgesetzten«, vulgo Petzen, nicht funktionieren, kann Frau sich ja immer noch selbständig machen. Zum Beispiel mit einem Kochbuchladen.

Oder sie kann einfach zu Hause bleiben. Dort gibt es schließlich eine Menge zu tun. Etwa Stecknadeln dicht an dicht in dicke Kerzen pieksen (Wohntrend Voodoo-Zauber), Linsen und Mungobohnen in kleine Gläser schütten und bunte Haushaltskerzen hineinpflanzen oder Stahlscheuerschwämme um Teelichter drapieren (»Saubere Lösung«). Und dann ist es auch schon wieder Zeit fürs Kochen. Kartoffeln etwa, als Gratin mit Birnen und knusprigem Bacon, oder vielleicht auch als Püree mit Merguez.

Dabei spart Woman nicht mit guten Ratschlägen. Wer hätte nicht schon einmal »versucht, mit dem Schneebesen Milch aufzuschlagen? Eine Qual!« Deswegen stellt das Blatt vier verschiedene Schaumschläger vor, vom »schlichten Wunderwerk« bis zum »Öko-Allrounder«, der mit Solarenergie funktioniert.

Falls sich eines der Dinger zufällig in den Haaren der Userin verfängt, auch kein Problem:Woman zeigt auf den Beauty-Seiten schon mal die neuen Trendfrisuren, und demnach sind fransige Spitzen sowieso gerade unglaublich angesagt. Dann noch ein wenig »Solidarität«-Lippenstift von Avon aufgelegt, und ab in den Garten. »Blumen pflanzen macht schlank«, 30 Minuten lang zu gärtnern entspricht dem, was man mit einer Viertelstunde Jogging erreicht.

Rundum fit kann die Frau sich dann ans Erholungsprogramm machen: »Es wird Meer gelesen«, heißt es auf den Bücherseiten, bloß Comics für den Humorpausenraum werden leider nicht empfohlen. Doch das passiert bestimmt in der nächsten Nummer. Aber in welcher Farbe?