Sportarten im Selbstversuch III

I’m Walking

»Gut für die Gelenke.« Irgendwas fällt denen immer ein. Kein Wunder, wer lässt sich schon gerne grundlos demütigen? Ich persönlich gehe ja lieber joggen. Eigentlich ist das okay, zwar nicht so aufregend wie Basketball oder Tischtennis, doch der Park ist direkt vor der Haustür, und viel Gerät braucht man dazu auch nicht.

Ich kenne einen Typen, der das Jogging hasst. Das sei total langweilig. Darum ist er auch immer auf der Aschenbahn des Sportplatzes gelaufen, 40 Runden nacheinander, rückwärts abgezählt. Sich zum Training zu motivieren, wird immer schwieriger und doch muss es sein. Inzwischen soll es sogar gefälschte Kylie-Minogue-Aerobicvideos auf dem Markt geben.

Ein anderer Typ stand in seiner Jugend auf Gehen, weil die Kerle dabei so schön mit dem Arsch wackeln. Walking ist ja sowas Ähnliches wie Gehen, nur ohne Arschwackeln. Dafür wird mehr mit den Armen gerudert. Einmal habe ich mich auch zum Walking überreden lassen. Viel besser für die Gelenke sei das, beim Joggen würde man ja gleich den ganzen Körper verschleißen, während das Walken nur den Kreislauf raufbringe und so für eine prima Kondition sorge. Ganz ohne Nebenwirkungen.

Bei uns im Park sind die Walker noch unbeliebter als die Blader. Blader hasst man, weil sie einem immer über die Füße fahren, seitdem der Weg, der durch die Mitte des Parks führt, neu geteert wurde. Walker dagegen werden trotz ihrer Harmlosigkeit verachtet. Warum? Vermutlich einfach aus Mitleid. Und in Neukölln gibt man eben nicht gerne zu, dass man Mitleid hat. Aus diesem Grund treiben sich die Walker meist nur im hinteren Teil des Parks herum, wo die Bäume etwas dichter stehen und nicht so viel los ist. Dort sind sie sicher vor dem Spott der Dealer und können auch von den Bladern nicht überfahren werden.

Das Problem ist vermutlich der gelenkschonende Bewegungsablauf. Das sieht nicht gut aus und ist zudem nicht besonders schnell. Manche Walker unterscheiden sich von Spaziergängern nur durch die sportliche Bekleidung. Verdächtig ist außerdem, dass es sich bei den Walkern hauptsächlich um türkische Hausfrauen handelt. Als ob sie die größten Probleme mit ihren Gelenken haben!

Dass Walking mit den normalen Bewegungsgewohnheiten des Menschen nicht viel zu tun hat, konnte ich bei meinem eigenen Walkingabenteuer feststellen. Bei dem einen Mal sollte es aber bleiben. Nicht dass ich Angst hätte, mich in aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen; das bereitet mir normalerweise keine großen Probleme. Ich bin nur irgendwie nicht richtig in Fahrt gekommen.

Alles dauert noch viel länger und ist noch viel langweiliger als beim Joggen. Und mein Körper hat nicht, wie er es sonst bei außergewöhnlichen Belastungen tut, Salzwasser abgesondert. Dafür habe ich mir an beiden Hacken riesige Blasen gelaufen. Oder vielmehr gewalkt. Nach fast vier Wochen waren die Wunden vollständig verheilt, und ich konnte wieder festes Schuhwerk tragen. Irgendwie muss ich das mit dem richtigen Bewegungsablauf falsch verstanden haben. Aber mit den Gelenken ging's wirklich gut.

Beim nächsten Mal gehe ich lieber wieder joggen. Aber erst im nächsten Frühjahr, wenn's nicht mehr so kalt ist.