Ein flotter Dreier

In der Allianz aus ANC, Cosatu und KP wachsen die Spannungen, in der südafrikanischen Bevölkerung macht sich eine nostalgische Stimmung breit.
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Ein bisschen hört es sich an, als sei der bewaffnete Kampf noch nicht vorbei, wenn der ANC und seine Partnerorganisationen sich über die politische Richtung der Regierung streiten. »Da wir mit linken und mit rechten Professionellen konfrontiert sind, muss und wird unsere Bewegung diesen Professionellen auf revolutionäre, ehrliche und offene Art und Weise antworten. Wir werden uns nicht zurückziehen oder den Kampf aufgeben«, schrieb der ANC-Politiker Dumisani Makhaye noch vor zwei Wochen im Newsletter ANC Today, dessen Inhalt vom Staats- und ANC-Präsidenten Thabo Mbeki kontrolliert wird. Seit Monaten bereitete sich die ehemalige Befreiungsbewegung und jetzige Regierungspartei, die sich allerdings noch immer als Befreiungsbewegung versteht, auf die Konferenz vor, die am Montag begann.

Die anhaltenden Diskussionen über die »Ultra-Linken«, wie Mbeki nicht näher identifizierte »Tendenzen« und »Elemente« innerhalb der regierenden Allianz taufte, betrafen angebliche Versuche einer sozialistischen Minderheit, möglichst viele Vertreter in das einflussreiche National Executive Committee (NEC) wählen zu lassen. Im NEC wird zwischen den alle fünf Jahre stattfindenden Parteitagen die Politik des ANC bestimmt.

»Es gibt keinen besseren Weg um sicherzustellen, dass der ANC seine historische Ausrichtung auf die Arbeiter und die Armen beibehält, als dass Arbeiter die Reihen des ANC verstärken. Deshalb erlauben wir es Mitgliedern und Führern des Cosatu, sich in das NEC des ANC wählen zu lassen (...). Cosatus politische Kommission wird diese Arbeit koordinieren, um sicherzustellen, dass die Anliegen der Arbeiter bei der ANC-Konferenz angemessene Aufmerksamkeit erhalten«, sagte Vukani Mde, der Sprecher des Gewerkschaftsbundes Cosatu, vor kurzem.

Seit Jahren streiten sich in der so genannten Dreierallianz der ANC, der Cosatu und die kommunistische Partei SACP über die Regierungspolitik. Vor allem der Cosatu sträubt sich gegen die Pläne der Regierung Mbeki, staatliche Einrichtungen wie die Strom- und Wasserversorgung zu privatisieren und im öffentlichen Dienst Entlassungen durchzuführen. Auch in der Aidspolitik verlangen die Gewerkschaften seit langem eine aktivere Rolle der Regierung. Außerdem setzen sich die Gewerkschaften für höhere Ausgaben im Sozialbereich, etwa für eine Sozialhilfe von umgerechnet zehn Euro pro Monat, anstatt der wachstumsorientierten Politik der Regierung ein. Bereits mehrmals riefen sie zu eintägigen Generalstreiks auf.

Die ANC-Regierung versteht sich jedoch selbst als Anwältin der Benachteiligten, immerhin sind sieben von zehn ANC-Wählern arbeitslos. Da die Streiks auch von linksradikalen Gruppen wie dem Anti Privatisation Forum unterstützt wurden, charakterisierten Teile des ANC die Führung des Cosatu bereits als einen Haufen linker Spinner.

Kurz vorm Beginn der Konferenz schlugen die zerstrittenen Fraktionen einen versöhnlicheren Ton an. Der ANC-Generalsekretär Kgalema Motlanthe erklärte, es werde keinesfalls zu einer Spaltung der Dreierallianz kommen: »Wenn der ANC seinen linken Flügel verliert, wird er nicht fliegen. Die SACP und der Cosatu spielen eine vitale Rolle, und es ist grundlegend für die demokratische Revolution in diesem Land, dass die Allianz vereinigt bleibt.« Auch der Cosatu-Generalsekretär Zwelinzima Vavi bestritt, dass es zu einer Spaltung komme: »Die Allianz zu zerbrechen kann niemals im Interesse des ANC, der Arbeiter, der Kommunisten oder des Landes sein.«

Beobachter gehen davon aus, dass es vor den nächsten Wahlen in zwei Jahren zu keiner Spaltung kommen wird. Zu stark sind einerseits die persönlichen Bindungen zwischen den führenden Personen in den drei eng miteinander verflochtenen Organisationen, die sich zum großen Teil noch aus den Tagen des bewaffneten Kampfes gegen das Apartheidsregime kennen.

Zum anderen verleiht der linke Flügel den so genannten Nationalisten im ANC einen Anschein von innerparteilicher Demokratie und Legitimität, während die Linken auf einen gewissen Einfluss auf die Regierungspolitik »ihrer Partei« hoffen. Niemand will eine Partei verlassen, die immerhin mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit regiert, die sie angesichts der zersplitterten Opposition wahrscheinlich auch in zwei Jahren verteidigen kann.

Dabei ist die Bevölkerung mehr und mehr enttäuscht vom ausbleibenden Erfolg des Befreiungskampfes. Zwar hat sich in den letzten Jahren eine kleine schwarze Mittel- und Oberschicht herausgebildet, doch viele Bewohner der Townships müssen heute mit einem geringeren Einkommen als vor zehn Jahren leben. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage äußerte sich eine Mehrheit positiv über die Art, wie das Land regiert wird.

Doch angesichts der hohen Kriminalitätsraten, sich ausbreitender Korruption und ansteigender Arbeitslosigkeit erklärten 60 Prozent der Befragten, dass Südafrika unter der weißen Regierung besser geführt worden sei. »Es ist nicht so, dass sie eine Rückkehr der Apartheid wollen, aber im Rückblick war das eine Zeit, in der die Züge pünktlich fuhren. Es war eine brutale, repressive, aber anscheinend effiziente Regierung«, erklärte der Leiter des »Afrobarometer«, Robert Mattes, die unter Weißen wie Schwarzen grassierende Apartheidsnostalgie.

Vor allem eine Gruppe ist besonders unzufrieden mit der Regierung, und ihr liegt offensichtlich nichts an pünktlichen Zügen. Ende Oktober verübte die rechtsextreme Organisation Boeremag mehrere Bombenanschläge auf die vor allem von Schwarzen benutzten S-Bahn-Verbindungen in die Townships rund um Johannesburg. Eine schwarze Frau kam bei den Anschlägen ums Leben. Kurz vor dem Beginn der Konferenz konnte die Polizei die Verhaftung der meisten zur Fahndung ausgeschriebenen Boeremag-Mitglieder melden.

Die Gruppe vertritt eine krude Mischung aus christlichem Fundamentalismus und Rassismus und kämpft nach eigenem Bekunden für die Rechte der burischen Bevölkerung, also für jenen Teil der Südafrikaner, der die Hauptstütze des Apartheidregimes war. Der Fahndungserfolg könnte überdecken, dass offenbar burische Angehörige der Polizei und der Armee und ehemalige Bergarbeiter, die im Besitz von Sprengstoff sind, mit der Ideologie der Gruppe sympathisieren.

Trotzdem kann der Präsident Mbeki die Arbeit seiner oft als ineffizient und korrupt angesehenen Polizei diesmal als Erfolg präsentieren. Auch die Aufwertung der südafrikanischen Währung in den letzten Monaten und Vorhersagen über ein Wirtschaftswachstum zwischen 2,8 und 3,7 Prozent verkauft die Regierung als Resultate ihrer Austeritätspolitik. Doch selbst die Regierung geht davon aus, dass es erst bei einem Wachstum von sechs Prozent zu einer nennenswerten Verringerung der Armut kommen wird.

Der SACP-Generalsekretär Blade Nzimande verlangte deshalb vor der Konferenz, dass der ANC sich auf die Themen Aids, Armut, Arbeits- und Landlosigkeit konzentriert. »In den meisten dieser Kämpfe tendierte der ANC dazu, abwesend zu sein, oder hat einen entmutigenden Ansatz vertreten. Wir fürchten, das die ANC-Konferenz von Attacken auf Kommunisten und die Arbeiterklasse dominiert wird. Das sind doch völlig falsche Angriffe.«