Präsidenschaftswahlen in Serbieb wieder gescheitert

Eine profitable Krise

Die serbische Präsidentschaftswahl ist zum zweiten Mal gescheitert. Das scheint einige politische Repräsentanten nicht zu stören.

Die zum zweiten Mal gescheiterten Präsidentschaftswahlen in Serbien haben zumindest ein klares Ergebnis gebracht. Der Machtkampf zwischen Premierminister Zoran Djindjic und dem noch amtierenden jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica eskaliert. Während der Koordinator des Balkanstabilitätspaktes, Erhard Busek, vor einer »ernsten Krise« warnt, scheint die Verlängerung des instabilen politischen Zustandes in Serbien einflussreiche Freunde zu besitzen. Denn je unsicherer die Zustände sind, desto billiger lassen sich die zur Privatisierung ausgeschriebenen Betriebe erwerben.

Viele Bürger wenden sich hingegen angeekelt von ihren politischen Repräsentanten ab und schalten lieber auf die populären lateinamerikanischen Soap Operas um, die in Endlosschleifen im Fernsehen laufen. Dort werden die Verwicklungen um Korruption, Machtmissbrauch und Mafiakämpfe wenigstens mit Liebesgeschichten angereichert, die ihnen die einheimischen Politiker nicht bieten können.

Das Ergebnis der Wahlen am 8. Dezember war grausam. Kostunica, der sich selbst als konservativen Patrioten bezeichnet, errang 58 Prozent der abgegebenen Stimmen. Den Vorsitzenden der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei, Vojislav Seselj, einen Freund von Jean-Marie Le Pen und Bewunderer Saddam Husseins, wollten erstaunliche 36 Prozent als ihren nächsten Präsidenten sehen. Nur knapp vier Prozent der Wähler konnte dagegen Borislav Pelevic, der Vorsitzende des Kickboxerverbandes sowie der ebenfalls rechtsextremen Partei der Serbischen Einheit, überzeugen. Außer dem nationalen Trio hatte niemand kandidiert. So war es ein Zeichen der politischen Vernunft, dass die meisten Serben lieber zuhause blieben.

Doch genau dieser Umstand belebt nun den Machtkampf zwischen Kostunica und Djindjic. Wegen einer gesetzlichen Bestimmung, die eine Mindestbeteiligung von 50 Prozent plus einem Wahlberechtigten vorschreibt, ist die Wahl ungültig. Darauf spekulierte der westlich orientierte Djindjic, als er keinen eigenen Kandidaten aufstellte. Kostunica hingegen ist stocksauer. Den Job des jugoslawischen Präsidenten ist er in ein paar Wochen los, weil nach einer Verfassungsänderung die Bundesrepublik Jugoslawien in »Serbien und Montenegro« umgetauft wird. Nach den zwei gescheiterten Versuchen, serbischer Präsident zu werden, gilt er nun als Verlierer.

Entsprechend drastisch fällt der Schlagabtausch aus, den sich die beiden Rivalen liefern. Noch in der Wahlnacht kündigte Kostunica an, das Ergebnis »nicht anzuerkennen« und »auf allen möglichen Ebenen« dagegen vorzugehen. So behaupten er und seine Parteifreunde von der Serbischen Demokratischen Partei (DSS), dass im Wählerverzeichnis rund 830 000 »Phantome« auftauchten. Dabei handele es sich um nicht existierende Personen, mit denen das Verzeichnis »inflationiert« worden sei, erklärte der Parteisprecher Nebojsa Bakarec. Würde man die »Phantome« streichen, hätten 51,7 Prozent der Serben gewählt. Kostunica wäre also der rechtmäßige Präsident. Die Wahlleiter wiesen die Vorwürfe hingegen zurück und erklärten, Kostunica hätte sich etwas früher beschweren müssen, nach der Wahl sei es jedenfalls zu spät.

In der DSS gibt es nun Überlegungen, wie man die Regierung am besten stürzen könnte. Die Patrioten erwägen, mit Seseljs Rechtsextremisten und den Überresten der Sozialistischen Partei Milosevics eine gemeinsame parlamentarische Front zu bilden, die die Regierungsarbeit blockieren könnte. Gelänge das, müsste Djindjic bald Neuwahlen ausrufen. So könnte Kostunica, der trotz aller Misserfolge immer noch populärer ist als Djindjic, den Machtkampf doch noch für sich entscheiden.

Doch bis es so weit ist, werden in jedem Fall noch Wochen vergehen. So lange wird es wohl auch dauern, bis klar ist, wie und wann der vakante Präsidentenposten besetzt werden soll. Als Interimspräsidentin amtiert zunächst die Djindjic zugeneigte Parlamentssprecherin Natascha Micic.

Was anmutet wie der alberne Machtkampf zweier Chaoten, spiegelt in Wirklichkeit die gesellschaftliche Blockade wider, in der sich das bankrotte Serbien befindet. Die nach dem Sturz Milosevics von Djindjic betriebene Politik der Marktwirtschaft und der Weltmarkteinbindung trifft auf anhaltenden Widerstand.

Weil sich in dem postsozialistischen Land wegen des Embargos und mangelnder Wertschöpfung bisher kein kapitalkräftiges Unternehmertum entwickeln konnte, stützt sich die Fraktion Djindjics hauptsächlich auf neoliberale Intellektuelle wie den im ersten Wahlgang gescheiterten Wirtschaftsprofessor Miroljub Labus. Sie genießt nicht genug Anerkennung in der Gesellschaft, um eine unumstrittene Hegemonialkraft zu entfalten. Entsprechend unpopulär ist Djindjic, der ständig zu Tricks greifen muss, um sich an der Macht zu halten.

Große Teile der alten Managerseilschaften, die schon in Jugoslawien die Betriebe kontrollierten, unterstützen dagegen den von Kostunica gepriesenen Weg der nationalen Souveränität. Sie fürchten die schnelle Marktöffnung und das von Djindjic erhoffte Auslandskapital, weil es ihnen die Machtpositionen nehmen könnte. Das heißt aber nicht, dass sie der Privatisierungspolitik grundsätzlich im Weg stünden. Sie soll nur unter ihrer Kontrolle stattfinden.

Dabei hilft ihnen nicht zuletzt die politische Dauerkrise, die zu einer dramatischen Entwertung der 7 000 Betriebe führt, die bis zum Ende des Jahres 2005 in privates Eigentum übergehen sollen. Die bisher volkseigenen Unternehmen werden meist auf Auktionen versteigert. Solange aber Serbien nicht als investitionssicheres Land gilt, will kein Ausländer so recht mitsteigern. Das drückt die Preise und freut die Mitglieder der Managerkaste, die so ausgiebig zum Zuge kommen.

Überhaupt nicht lustig finden das alles die Beschäftigten. Nach Angaben des Statistikbüros der Regierung stagniert der Durchschnittslohn derzeit bei miserablen 250 Euro im Monat, während die Preise ständig steigen. Mit noch viel weniger müssen die knapp 30 Prozent Arbeitslosen sowie die Rentner auskommen. Nach Schätzungen der Weltbank hat in Serbien derzeit über die Hälfte der Bevölkerung weniger als zwei Euro am Tag zur Verfügung. Die Aussichten sind frustrierend, zumal die Hoffnung, nach dem Sturz Milosevics könnte sich die Situation eigentlich nur bessern, längst verflogen ist.

So trugen die Beschäftigten in den vergangenen Wochen immer wieder ihren Ärger auf die Straße oder sie traten in den Streik. Der Präsident der Assoziation Unabhängiger Gewerkschaften, Milenko Smiljanic, denkt sogar darüber nach, bei den nächsten Wahlen einen Kandidaten der beiden großen Gewerkschaften aufzustellen. Sein Gegenspieler Branislav Canak von der Gewerkschaft Nezavisnost (Unabhängigkeit) hält das allerdings für Nonsens. »Das ist nicht ernst zu nehmen«, erklärte er.