Neues von Christian Anders

Es geht auch Anders

Eine unglaubliche Geschichte des deutschen Schlagers. Heute: Christian Anders.

Der letzte europäische Schlagerwettbewerb hat Christian Anders gar nicht gefallen. »Das ist nicht der Grand Prix d'Eurovision«, schimpfte der 57jährige Sänger, der 1972 mit »Es fährt ein Zug nach Nirgendwo« den Erfolg seines Lebens hatte, »das ist der Grand Prix Disco-Scheiß!«

Eines der neuesten Lieder des Sängers trägt den Titel »Der Hai«. Darin heißt es ganz engagiert: »Ich trage Boss und ein Toupet, hin und wieder schnupf ich Schnee / Ich bin cool und so korrupt, es gibt nichts was mich stoppt auf dem Weg nach oben / Ich bin der Hai.«

Anders bedient alle Ressentiments: »Ich hab die Macht, ich hab das Geld, ich bin der Herrscher dieser Welt. / Ich schick euch täglich auf die Rolle, ihr kennt sie nicht, 'die Protokolle'.«

Wessen Protokolle er meint, singt er nicht, deutet es aber immerhin an: »Auf sieben Säulen ruht die Welt, sieben Familien haben das Geld / Ob Rothschild, Cohn oder Donati, man nennt uns auch Illuminati / Mit Aids verseuchen wir die Welt, und machen mit der 'Heilung' Geld.«

Christian Anders wurde 1945 im österreichischen Bruck an der Mur als Antonio Schinzel geboren und wuchs in Sardinien und Deutschland auf. Schon 1971 legte er mit »Gobbo« und »Blutschrei« die ersten Romane vor und wurde in dieser Zeit, den frühen Siebzigern, auch einer der erfolgreichsten Schlagersänger im deutschsprachigen Raum.

Nach eigenen Angaben verkaufte er über 20 Millionen Tonträger, schrieb über 900 Lieder, fünf Drehbücher, zehn Bücher, führte Regie und spielte in neun Filmen, schrieb zwei Musicals, eine Sinfonie (Malibu-Sinfonie) und ein Theaterstück: »Der Mann, der Aids erschuf«. Ein Titel, den es auch als Buch gibt und in dem es um folgendes geht: Aids sei in Laboratorien künstlich produziert worden und gezielt in Homosexuelle und Schwarzafrikaner injiziert worden.

In seinem Buch »Schlager. Kleine Philosophie der Passionen« schreibt Rainer Moritz, einer der bedeutendsten Schlagerexperten Deutschlands: »Anders' große Hits fallen genau in die fünf Jahre Brandtscher Kanzlerschaft: 1969 der erste Erfolg mit 'Geh nicht vorbei', 1974 der letzte mit 'Einsamkeit hat viele Namen'«. Moritz glaubt, dass im »Andersschen Werk die Dialektik der Aufklärung zum Tragen kommt, vor der die frohgemut aufbrechenden Brandts, Epplers und Heinemanns als Boten des Niedergangs erscheinen.«

Nach 1975 gelang Anders kein großer Hit mehr, und Mitte der achtziger Jahre gab er sich in Kalifornien den Namen »Lanoo«, was auf Sanskrit »Schüler« bedeutet. Mitunter wurde er als Sektengründer gehandelt, seitdem tritt er zumeist esoterisch gewandet auf.

Die politische Bedeutung, die nach der Ansicht von Moritz im Frühwerk des Schlagersängers Anders angelegt war, nahm derweil sein Bruder auf. Dieter Schinzel machte in der SPD Karriere und galt lange Jahre als wichtigster Vertreter des linken Flügels in Nordrhein-Westfalen. In Aachen unterhielt er mit der heutigen Gesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt ein Büro. Sie bürgte auch für ihn, als er in Finanzprobleme geriet.

Schinzel gelangte in die Parlamente, aber 1994 wurde er, mittlerweile Europaparlamentarier, mit einem Koffer Falschgeld verhaftet. Christian Anders kettete sich damals nackt ans Tor des Untersuchungsgefängnisses, um gegen die Festnahme seines Bruders zu protestieren.

Anders benötigte damals Publicity. Nennenswerter Erfolg stellte sich für Lanoo nicht ein, und so gab es ihn bald wieder unter seinem alten Künstlernamen Christian Anders.

Mit seiner Freundin Jenna Kartes, die mittlerweile beim TV-Sender 9-live moderiert, tritt Anders auf und sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Einmal verkündete er, dass er - nach dem Vorbild des Kinofilms »Ein unmoralisches Angebot« - einen zahlungskräftigen Mann suche, der gegen Bezahlung mit seiner Freundin schlafen könne. Er habe Schulden und sehe keine andere Möglichkeit, sein Finanzproblem in den Griff zu kriegen.

Ein anderes Mal kündigte er an, er wolle sich die Kehle durchschneiden, was er dann doch nicht tat, obwohl mit dem 19. Mai 2002 in Berlin die Zeit und der Ort schon feststanden. Neben solchen Krachern gab es immer wieder kleinere PR-Aktionen, wie etwa die aktuelle Ankündigung, Dieter Bohlen eventuell wegen ehrenrühriger Erwähnungen in dessen Buch zu verklagen.

Zur Leistung der deutschen Fußballnationalmannschaft wusste er unter der Überschrift »Samenverlust und zu viel Reichtum« beizutragen: »Ich hätte Sexverbot befohlen bis zum Ende der Weltmeisterschaft. Was haben denn die auf hip gestylten Fußballtanten dort zu suchen?«

Auf seiner Website www.christiananders.net und in Büchern wagt Christian Anders auch stets Voraussagen. So behauptet er, bereits 1999 vom Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 gewusst zu haben.

Und nach New York, so sieht es Anders heute, sei Deutschland dran: »Hauptziele der Terroristen: Religöse Einrichtungen, Finanzbauten. Zentrale der 'Heiligen Krieger': Baden-Baden. Warum? Weil man sie dort am wenigsten vermutet.«

Auch zum Nahen Osten äußert sich der Prophet: »Ich sage voraus, dass die Israelis schon bald alle von ihnen besetzten Gebiete im Westjordanland und Gazastreifen räumen werden. Das ist auch gut so. Israel ist nur durch Vertreibung der arabischen Einwohner entstanden und ist darum per Definition ein Militärstaat.«

Woran das alles liegt, das mit den Israelis, dem World Trade Center und dem Heiligen Krieg, weiß Christian Anders natürlich auch. Er hat das Buch »Der wahre Bankenschwindel (und was man dagegen tun kann)« geschrieben. »Was so falsch ist an dem augenblicklichen Währungssystem?« fragt Anders seine Leser und klärt sie auf : »Es ist der Zins. Und der Zinseszins.« Mutig wettert Anders gegen die Knechtschaft: »Die Banker, jene Vasallen der wahren Mächtigen (einige wenige Illuminati-Familien in der Welt) werden keine Gnade kennen und die Schuld einfordern, für welche (z.B. in der BRD) der Deutsche Steuerdepp fleißig zahlt, bis die Schwarte kracht.«

Der aktuelle Titel des Sängers Christian Anders, den er zusammen mit Jenna Kartes aufnahm, heißt: »Der Tag, an dem die Erde stillstand« und behandelt den 11. September. »Christian liebt seine Jenna und vielleicht kam ihm der Gedanke, wie es gewesen wäre, wenn er oder sie in einem der Flugzeuge gesessen hätten«, heißt es auf seiner Website. »Dass die CD so spät auf den Markt kam, hatte mit Vorbehalten der Musikindustrie zu tun.«

Gegen deren »Mittelmäßigkeit und Vetternwirtschaft« aber geht Anders ja jetzt vor, und er will sich um die deutsche Teilnahme am Grand Prix bewerben. »Ich werde die Ehre der Deutschen retten! Ich werde demnächst den Grand Prix gewinnen!«