Streit um genetische behandelte Nahrungsmittel

Kein Recht auf Vorsicht

Die Regierungen des südlichen Afrika brüskieren die USA mit der Ablehnung von Nahrungsmittelhilfen, die gentechisch behandelten Mais enthalten.

Ginge es nach Tony Hall, so würde Slobodan Milosevic in Den Haag bald Gesellschaft bekommen. »Leute, die ihrem Volk Nahrung verweigern, die Menschen zu Tode hungern lassen, sollten sich verantworten müssen (...) für die schlimmsten Verbrechen an der Menschheit vor den höchsten Gerichten der Welt«, forderte der US-Botschafter bei den Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Uno am vorletzten Samstag.

Namen nannte Hall nicht, doch es war offensichtlich, dass er vor allem die Regierungen Zambias und Zimbabwes meinte. In beiden Ländern herrscht eine Hungersnot, dennoch hatte die Regierung Zambias Ende Oktober entschieden, die Einfuhr von genetisch manipulierter Nahrung generell zu verbieten. Nach Zimbabwe darf sie nur in pulverisierter Form importiert werden. Ein Skandal aus der Sicht der US-Regierung, die genmanipulierte Nahrung für gesundheitlich völlig unbedenklich hält.

Zu anderen Schlüssen kommt jedoch ein Anfang Dezember veröffentlichter Bericht zambischer Wissenschaftler. Neben Antibiotika-Resistenzen seien beim Konsum genmanipulierter Nahrung neue Allergien und insbesondere bei Menschen mit schlechtem Gesundheitzustand Schädigungen des Immunsystems zu befürchten. Hinzu kommt die Furcht vor neuen ökonomischen Abhängigkeiten und vor Forderungen der Agrarkonzerne.

So bestätigte ein kanadisches Berufungsgericht Anfang September dieses Jahres das Urteil gegen den Farmer Percy Schmeiser, der dem Biotechkonzern Monsanto eine Entschädigung zahlen soll, weil er ohne Genehmigung eine genmanipulierte Sorte Raps angebaut hat, auf die Monsanto ein Patent besitzt. So etwas ist auch im südlichen Afrika nicht ausgeschlossen, fürchten Kritiker der »grünen Biotechnologie« und afrikanische Regierungen.

Die Fallstricke und Gefahren der landwirtschaftlichen Gentechnik wurden mitten in der seit Jahrzehnten größten Nahrungsmittelkrise zur Staatsaffäre. Insgesamt 38 Millionen Menschen in ganz Afrika sind Informationen des World Food Programme (WFP) zufolge derzeit von Hungersnöten bedroht. Nach jüngsten Schätzungen der Regionalorganisation SADC benötigen allein in Zimbabwe, Malawi, Zambia, Lesotho, Mozambique und Swaziland mehr als 14 Millionen Menschen bis zum März des kommenden Jahres Lebensmittelhilfen.

Das WFP, die größte Nothilfeorganisation der Welt, koordiniert den Versand von über einer Million Tonnen Nahrungsmitteln im Wert von 507 Millionen US-Dollar in diese Region. Das ist etwa ein Viertel des festgestellten Bedarfs, der größte Anteil soll durch Regierungsprogramme und kommerzielle Importe beschafft werden (Jungle World, 33/02). Die Vereinigten Staaten tragen jährlich ungefähr 50 Prozent zum Bedarf des WFP bei. Im Unterschied zu den europäischen Staaten und zu Japan leisten die USA nicht finanzielle Beiträge, sondern versenden überwiegend die Erzeugnisse US-amerikanischer Farmer, auch genmanipulierten Mais.

Wenn afrikanische Bauern die High-Tech-Samen zur Aussaat verwenden sollten, wären nach geltendem Patentrecht Gebühren fällig. Es wird auch befürchtet, dass die Kontamination von herkömmlich gezüchteten Maissorten die Zuchterfolge der letzten Jahrzehnte zunichte machen könnte. Außerdem könnte der Export landwirtschaftlicher Produkte in die Europäische Union, den Hauptabsatzmarkt für Agrarprodukte afrikanischer Länder, gefährdet werden. So beschloss die EU kürzlich eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungs- und Futtermittel, die für afrikanische Produzenten schwer zu erfüllen sein dürfte.

Auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit ist nach sieben Jahren des Konsums genmanipulierter Produkte in der Wissenschaft umstritten. Jean Ziegler, der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, macht daher das »Recht auf Vorsicht« geltend, zumal genügend nicht genmanipulierte Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Allein aus Kenia, Tansania, Südafrika und Uganda könnten einer Erhebung der Food and Agricultural Organization (FAO) vom August zufolge über eine Million Tonnen Getreide bezogen werden. In einer scharfen Stellungnahme verurteilte die Umweltorganisation Greenpeace die US-amerikanische Hilfe als Versuch, afrikanische Bauern von der stark monopolisierten Biotechnologie abhängig zu machen. Die staatliche Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID stehe »an der Spitze einer Marketingkampagne, die genmanipulierte Nahrung in den Entwicklungsländern einführen will« und sei »ein Vehikel der Gentechnik-Industrie«.

Darüber hinaus dienen die Lieferungen der doppelten Subventionierung des US-amerikanischen Agrobusiness. Der Bill Emerson Humanitarian Trust lagert derzeit über zwei Millionen Tonnen Weizen einheimischer Produzenten. Allein im Rahmen der Hilfsaktion für das südliche Afrika wurden seit dem Juni dieses Jahres 575 000 Tonnen Weizen auf dem freien Markt verkauft. Die Erlöse wiederum werden für den Ankauf von Mais verwendet, darunter auch genmanipulierte Sorten, die wegen des Boykotts der EU Absatzschwierigkeiten haben und schließlich ins südliche Afrika verschifft werden.

Dass die Aktivitäten von USAID vor allem Hilfe zur Selbsthilfe sind, nämlich für US-amerikanische Unternehmen, ist auf deren Website nachzulesen: »Die hauptsächlichen Nutznießer amerikanischer Hilfsprogramme waren immer die Vereinigten Staaten. Fast 80 Prozent der Verträge und bewilligten Gelder gehen direkt an amerikanische Firmen. Hilfsprogramme waren hilfreich bei der Schaffung von Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse.« Die Entwicklungspolitik anderer so genannter Geberländer unterscheidet sich davon allerdings nur in Nuancen.

Mit Ausnahme von Südafrika lehnen die Länder des südlichen Afrika die Produktion und Einfuhr genmanipulierter Nahrungsmittel ab. Doch angesichts wachsender Armut und leerer Staatskassen, die den Import von nicht behandeltem Getreide immer schwieriger machen, ist es fraglich, wie lange dieser Widerstand durchgehalten werden kann. Zudem ist kaum zu kontrollieren, ob das WFP genmanipulierte Lebensmittel kauft oder nicht. So wurde im April des Jahres 2001 nach Angaben der Umweltorganisation Friends of the Earth in einer von Deutschland finanzierten Hilfslieferung nach Nicaragua Biotech-Mais nachgewiesen.

Die derzeitige Hungerkrise kommt den Adepten der gentechnischen Landwirtschaft und ihrer Argumentation, diese werde den Hunger aus der Welt schaffen, gerade recht. Mit markigen Worten protestieren sie gegen die Ablehnung durch Umweltorganisationen und afrikanische Regierungen. »Die Unvernunft des ungebildeten Afrika vereint sich hier mit der Unvernunft des übergebildeten Westens in einer vollendeten Mischung aus vagem Denken und Maschinenstürmerei«, schäumt Rich Lowry im US-amerikanischen National Review.