Ermittlungen gegen bewaffnete linke Gruppen

Rüstige Rentner gesucht

Nach dem spektakulären Ende der Stadtguerilla 17. November ermittelt die griechische Polizei gegen zwei weitere bewaffnete Gruppen.

Nachdem der griechischen Polizei im Sommer der lang ersehnte Schlag gegen die Stadtguerilla 17. November gelang, sollen nun die übrigen bewaffnet kämpfenden Gruppen enttarnt werden. Die konservative Tageszeitung Kathimerini berichtete in der vergangenen Woche, dass nur noch »einzelne Puzzlestücke« an einem umfassenden Bild des »griechischen Terrorismus« fehlten.

Die Zeitung beruft sich auf Informationen aus höchsten Polizei- und Regierungskreisen und kündigt die baldige Verhaftung von mindestens fünf Personen an. Diese befänden sich seit einiger Zeit unter ständiger Beobachtung. Die Festnahmen seien noch nicht erfolgt, weil einer der Verdächtigen nicht nur Mitglied des 17. November gewesen sein soll, sondern sich später auch den Organisationen Erster Mai und Ela (Revolutionärer Volkskampf) angeschlossen habe und heute an »einer Universität in der Ägäis« unterrichte.

Anhand dieses Mannes, der in der Organisation 17. November unter dem Codenamen Parkinson geführt worden sein soll, wollen die Behörden ihre Lieblingstheorie beweisen. Sie besagt, dass alle in Griechenland bewaffnet kämpfenden Gruppen eng miteinander verbunden sind und teilweise aus denselben Personen bestehen.

Nach der Meinung der Ermittler versuchten zwei Personen mehrere Male, eine vom 17. November unabhängige Organisation zu gründen. Der erste Versuch, die Revolutionäre Kämpferische Linke (Ema), endete in einem Fiasko. Bei ihrer ersten Aktion deponierte die Gruppe eine Bombe vor dem Haus eines Industriellen. Ein Passant nahm das Paket an sich und stieg damit in den nächsten Bus, wo die Bombe explodierte. Wie durch ein Wunder wurde jedoch niemand ernsthaft verletzt.

Die gleichen Personen gründeten 1987 den Ersten Mai, dem sich nach Angaben von Kathimerini auch Parkinson anschloss. Er soll sich im gleichen Jahr an dem Anschlag auf den damaligen Vorsitzenden des Allgemeinen Griechischen Gewerkschaftsbundes, Giorgos Raftopoulos, beteiligt haben. Damals wurde zunächst der im vergangenen Oktober erneut verhaftete Anarchosyndikalist Giannis Serifis (Jungle World, 40/02) für diesen Anschlag verantwortlich gemacht. Jedoch mussten die Ermittlungen wegen mangelnder Beweise eingestellt werden.

Nach der Theorie der Fahnder schloss sich die Organisation im Jahr 1990 nach einem Mordanschlag auf den stellvertretenden Staatsanwalt am höchsten griechischen Gericht dem Revolutionären Volkskampf an. Diese Gruppe, die von den Verfolgungsbehörden als »die Mutter aller Terroristen« bezeichnet wird, ist das eigentliche Ziel der Ermittlungen. Angeblich sind die Gründungsmitglieder der Organisation seit dem Beginn der neunziger Jahre durch die Auswertung von Stasi-Akten bekannt. Diese Hinweise genügten bisher aber nicht für Vorladungen oder gar Festnahmen.

Ein Teil dieser Akten bezieht sich auf die angeblichen Verbindungen, die die Organisation zur damals in aller Welt gesuchten terroristischen Carlos-Gruppe unterhielt. Erst das in den letzten Jahren mit Hilfe britischer- und US-amerikanischer Spezialisten neu gesammelte und ausgewertete Material habe jedoch gesicherte Erkenntnisse gebracht. Es sei jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis die »Ela-Opas« verhaftet würden.

Vor sieben Jahren stellte die Organisation den bewaffneten Kampf ein, der jedoch fast bruchlos von den Revolutionären Zellen fortgeführt wurde. Im Gegensatz zum 17. November legte die Ela immer Wert darauf, dass bei ihren Anschlägen keine Menschen gefährdet wurden. Die meisten Einschätzungen gehen davon aus, dass damals ein Teil der Ela die Auflösung der Organisation nicht akzeptierte und unter neuem Namen weitermachte. Die Ermittler wollen nun diese Annahme beweisen. Sie glauben allerdings, dass von der einst mitgliederstarken Organisation nur noch fünf Personen in den Revolutionären Zellen aktiv waren. Auch die Verhaftung dieser Personen werde vorbereitet.

Die Revolutionären Zellen traten vor allem während des Kosovokrieges in Erscheinung, als sie zahlreiche Bombenanschläge auf europäische und US-amerikanische Ziele in Griechenland durchführten. Bei einem dieser Anschläge auf ein Kongresshotel in Athen starb eine unbeteiligte Frau, die bei der Räumung des Hotels von den Sicherheitsbehörden vergessen wurde.

Die Ermittler könnten aber noch einige Schwierigkeiten mit der Glaubwürdigkeit ihrer Zeugen bekommen. In einem ausführlichen Interview mit der Tageszeitung Eleftherotypia meldete sich Anfang Dezember Dimitris Koufodinas, ein Mitglied des 17. November, zu Wort. Er hatte sich Anfang Oktober freiwillig gestellt und die politische Verantwortung für alle Aktionen der Organisation übernommen.

In dem Interview erklärte er, warum der bewaffnete Kampf immer noch berechtigt sei, und bestritt den Wahrheitsgehalt der Aussagen, die mutmaßliche Mitglieder des 17. November gemacht haben. Einige der Inhaftierten hätten keinerlei Beziehungen zu der Organisatuion unterhalten. Namen nannte Koufodinas allerdings nicht.

Die Staatsanwaltschaft in Athen will mit dem Prozess gegen die in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen Militanten des 17. November voraussichtlich Ende März beginnen. Bis dahin sollen sich die Gefangenen mit drei Stunden Hofgang pro Tag begnügen und die restliche Zeit in Isolationshaft verbringen.

Indes gehen die Solidaritätsaktionen für den ebenfalls in Untersuchungshaft sitzenden Anarchosyndikalisten Serifis weiter. Ende November forderten über 3 500 Teilnehmer einer Antikriegsdemonstration in Athen seine sofortige Freilassung. Mit derselben Forderung sorgte Anfang Dezember eine Demonstration von Motorradfahrern in der Innenstadt von Thessaloniki für Aufsehen.