München: Streit ums Eine-Welt-Haus

Was für ’ne Welt!

Das Eine-Welt-Haus in München steht wegen antiisraelischer Veranstaltungen in der Kritik. Demnächst wird sich der Kulturausschuss des Stadtrats damit befassen.

Von der Last der Deutschen mit dem Staate Israel« lautete der Titel einer Veranstaltung im Eine-Welt-Haus in München, die Anfang November im Rahmen der so genannten Palästina-Tage stattfand. Bei der Veranstaltung trat der Münchner Lehrer Christoph Steinbrink auf. Trotz des Vorwurfs des Antisemitismus würden immer »mehr Deutsche nicht mehr zum Terrorismus in Nahost schweigen, gerade auch zu dem, für den die politische und militärische Führung des Staates Israel verantwortlich zeichnet«, war im Programm des Eine-Welt-Hauses zu lesen. In der Süddeutschen Zeitung wurde Steinbrink mit den Worten zitiert, er werde zeigen, »dass wir 50 Jahre lang von der Presse einseitig über den Nahostkonflikt informiert wurden«.

Im Januar wird sich der Kulturausschuss des Münchner Stadtrates mit dieser Veranstaltung und den Palästina-Tagen im von der Stadt München finanzierten Eine-Welt-Haus befassen. Nach Steinbrinks Auftritt erklärte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München, sie prüfe, ob der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt sei. Die Stadtratsfraktion der CSU sprach von einem Skandal und verlangte eine Erklärung des Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD).

In einer weiteren Veranstaltung der Palästina-Tage hatte der Züricher Journalist Shraga Elam über »Holocaust-Religion und Holocaust-Industrie« referiert. Sein Thema lautete: »Der politische, finanzielle und kulturelle Missbrauch des Nazi-Judeozids durch den Staat Israel«. Elam unterstützte in der Vergangenheit nicht nur Jürgen Möllemann und Jamal Karsli, sondern er wirft der israelischen Armee »Nazimethoden« vor.

Und zuletzt sprach im Eine-Welt-Haus Azmi Bischara, ein palästinensischer Abgeordneter im israelischen Parlament, über Israel als »Apartheidsstaat«. Im Programm hieß es dazu, Israel müsse sich entscheiden, »entweder jüdisch oder demokratisch« zu sein.

»Besonders geärgert hat mich die Formulierung 'jüdisch oder demokratisch'. Israel ist der einzige demokratische Staat in der Region«, sagte der Pressesprecher der CSU, Marian Offman, der auch im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sitzt, der Jungle World. Er fordert Aufklärung über die Veranstaltungen, »möglicherweise die Schließung des Hauses«. Eine Anzeige wegen Volksverhetzung hält er dagegen für wenig Erfolg versprechend. Abgesehen von der berechtigten Kritik an antiisraelischen Veranstaltungen, die Offman übt, bekämpft seine Partei das Eine-Welt-Haus seit langem als Treffpunkt linker Gruppierungen.

Das städtische Kulturreferat, das die Einrichtung in der Schwanthaler Straße nahe der Oktoberfestwiese finanziert, hält sich derweil bedeckt und verweist auf die Ausschusssitzung im Januar. Neben einem Antrag der CSU zu den Vorgängen im Eine-Welt-Haus wird dort auch einer der SPD behandelt werden. Deren Fraktionsvorsitzender, Helmut Schmid, verlangt von Ude einen Bericht darüber, »wie das Eine-Welt-Haus seine Verpflichtung erfüllt, zur Völkerverständigung beizutragen«.

Als im Februar die Nato-Sicherheitskonferenz in München tagte, untersagte Oberbürgermeister Ude, der sich im Stadtrat auf eine Mehrheit der SPD und der Grünen stützt, kritische Veranstaltungen im Eine-Welt-Haus. So kurz vor der Kommunalwahl wollte sich die SPD keine Toleranz gegenüber Antimilitaristen nachsagen lassen. Gegenüber Steinbrink und seinen Anhängern sind Vertreter des rot-grünen Bündnisses nachsichtiger.

So meinte Sigi Benker, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, auf Nachfrage der Jungle World, im Eine-Welt-Haus müssten Veranstaltungen möglich sein, »auch wenn Dinge gesagt werden, die problematisch sind«. In der Einrichtung, die im Sommer des vergangenen Jahres eröffnet wurde, treffen sich etwa 80 Gruppen aus dem Solidaritäts- und Migrantenspektrum. Da werde es »immer so sein, dass verschiedene Gruppen ihre ethnienspezifische Sicht darstellen«. Auch die Israelitische Kultusgemeinde könne dort eine Veranstaltung abhalten. Christoph Steinbrink kenne er seit über 20 Jahren, dem sei Antisemitismus fremd. »Der hat sich da hineinmanövriert, weil er angegriffen wurde.«

Die Stadträtin Ingrid Anker (SPD), die im Kulturausschuss sitzt und ihre Fraktion im Beirat des Eine-Welt-Hauses vertritt, ist immerhin »verärgert über die Ankündigung der Themen«, die Texte seien »reißerisch gemacht«. Eine Bewertung mochte sie jedoch nicht vornehmen. In den Veranstaltungen »sollen die Diskussionen differenziert geführt worden sein«, habe man ihr berichtet. Steinbrink sei ihr »bisher nur angenehm aufgefallen«.

Steinbrink arbeitet im Pädagogischen Institut des Schul- und Kulturreferates Münchens und organisiert dort Fortbildungen für Lehrer im Fach Ethik. Im vergangenen Juli verteidigten er und Fuad Hamdan vom Palästina-Komitee im Eine-Welt-Haus die Ausfälle Möllemanns. Der Titel der Veranstaltung lautete damals: »Antisemitismus: In Deutschland unausrottbar oder auch ein Totschlaginstrument«.

In der Ankündigung wurde eine angebliche »Gleichschaltung der Medien gegen eine politische Person« beklagt und gefragt: »Greift man hintersinnig zum Antisemitismusvorwurf, sobald sich ein kritischer Geist zum Thema Nahost oder Zentralrat der Juden in Deutschland meldet?«

Der Vorstand des Eine-Welt-Hauses weist indes jede Kritik an den Palästina-Tagen zurück. Das Gremium spricht in einer Reihe von Erklärungen von Vorverurteilung, Hetze und einer angeblichen Pressekampagne gegen die Einrichtung. Beklagt wird, dass unter Hunderten von Veranstaltungen einige herausgepickt würden, man habe sich deshalb an den deutschen Presserat gewandt.

Der Geschäftsführer des Eine-Welt-Hauses, Kurt Haymann, sagte, er wehre sich gegen »Denkverbote« im Eine-Welt-Haus, wobei der Freiraum ende, »wo er in Konflikt mit den Zielen und Grundsätzen des Trägervereins des Eine-Welt-Hauses kommt« oder an juristische Grenzen stoße. Er sehe keine Gemeinsamkeiten der Äußerungen Steinbrinks und der in den Ankündigungen formulierten Positionen mit Möllemanns Attacken oder Martin Walsers Gerede von Auschwitz als »Moralkeule«, die gegen die Deutschen gerichtet sei.

Die Ansichten Möllemanns könne er »äußerst wenig gutheißen«, betont Haymann. Auf die Frage, ob auch er eine »Gleichschaltung der Medien« im Fall Möllemann unterstelle, meinte er, »ein überwiegender Teil« der Medien habe die Behauptung »ungeprüft und unreflektiert übernommen«, dass das Flugblatt Möllemanns vom September antisemitisch sei. »Im Text des Flugblattes lässt sich aus meiner Sicht explizit nichts Antisemitisches finden.« Das allerdings verwundert kaum noch.