Ein Faschist ist ein Faschist

Prozess gegen einen Antifaschisten

Wie ehrverletzend kann es für einen Faschisten sein, ein Faschist genannt zu werden? Um derartige Fragen drehte sich am vergangenen Donnerstag ein Spektakel vor dem Amtsgericht Tiergarten. Die Geschichte geht so: Ein linker Aktivist ist angeklagt, einen Menschen mit dem Satz, »es ist eine Sauerei, dass dieses braune Schwein hier sitzt«, beleidigt zu haben. Bei dem »braunen Schwein« handelt es sich um Gerd Schneider, ein ehemaliges Mitglied der Grünen.

Der wackere Antifaschist leugnet in keiner Weise, ihn einen Faschisten genannt, sehr wohl aber, ihn öffentlich mit Verbalinjurien belegt zu haben, denn schließlich wisse er ja, an welcher Stelle er »die … zu halten« habe. Immerhin habe es sich um eine von überwiegend bürgerlichem Publikum besuchte Veranstaltung im Haus der Demokratie zum 20. Juli 1944 gehandelt.

Der Antifaschist sagt, er habe lediglich das Bedürfnis gespürt, sein Wissen über die Person Gerd Schneider mit dem Publikum zu teilen. Dass dieser mit Horst Mahler durch die Stadt spaziere, auf antisemitischen Demonstrationen verkehre – »antizionistisch«, wirft ein älterer Herr von der Zuschauerbank ein – und eben ein Faschist sei, wie der Zuschauer Michael Koth eben auch ein Faschist sei.

Koth ist ein Gründungsmitglied des Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS). Gerd Schneider arbeitet mit ihm als Berliner Regionalbeauftragter der »Deutschland-Bewegung« (DB) zusammen, die als Netzwerk für die organisierte Rechte die »nationale Erneuerung von unten« propagiert. »Wir wollen die Bevölkerung aufklären über die Politik fremder Mächte, die alles, was deutsch ist, demontieren wollen«, schreibt Alfred Mechtersheimer, der Gründer und Sprecher der DB. Wer diese Mächte sind, machte Schneider auf einer Veranstaltung des KDS deutlich. Er identifizierte als »Hauptfeind des deutschen Volkes – damals wie heute – das Kapital der amerikanischen Ostküste«.

Solche und andere Details weiß der Angeklagte über Herrn Schneider zu berichten, und er macht von seinem Recht, ihn zu befragen, so ausführlich Gebrauch, dass die Protokollführerin entnervt fragt, ob das denn alles ins Protokoll müsse? Der Richter winkt ab.

Herrn Schneider werden die Fragen über seine Betätigung ebenfalls zu viel, er will schließlich seine Ehrverletzung gesühnt haben, wozu sonst hat er sich die Mühe gemacht, den informationswütigen Menschen beim Staatsschutz anzuzeigen. Beim Staatsschutz? Ja, doch, das sei für ihn die richtige Adresse gewesen.

Trotz seiner Beteuerungen wie sehr ihn diese Beleidigung getroffen habe, da ja sein Vater früher als »rote Sau« beschimpft worden sei, scheint sich das Verfahren nicht zu seinen Gunsten zu entwickeln, wenn schon der Richter die Bezeichnung »Faschist« nicht als »ehrabschneidend« empfindet. Geschickt fädelt der Verteidiger des Antifaschisten schließlich die Einstellung des Verfahrens ein. Getauscht wird die Übernahme der Prozesskosten gegen den Rückzug des Strafantrags.

Es wird Herrn Schneider nicht gefallen haben, dass vor Gericht am Ende in aller Deutlichkeit erklärt wurde, dass es auch in Zukunft keinen Straftatbestand darstellen wird, ihn einen Faschisten zu nennen.

verena herzog