Kommunismus mit WC

Bei den Gemeinderatswahlen in Graz wählte jeder fünfte Bürger die KPÖ. Wird in der Steiermark jetzt der Kapitalismus abgeschafft? von amon brandt, wien

Nichts wies vorher darauf hin, dass Ende Januar bei den Wahlen in der zweitgrößten Stadt Österreichs, der steirischen Landeshauptstadt Graz, ausgerechnet die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) absahnen würde. Mit ihrem Spitzenkandidaten Ernst Kaltenegger erreichte sie 21 Prozent der Stimmen. Wer nun entsetzte Gesichter bei Konservativen und Liberalen erwartete, sollte allerdings enttäuscht werden. Der Vorsitzende der steirischen ÖVP, Gerhard Hirschmann, gratulierte den Genossen und bemerkte, auch seine eigene Partei sei »in ihrem Herzen immer eine kommunistische gewesen«. Zum Dank für so viel Wohlwollen, hofft er, werde die KPÖ dem konservativen Bürgermeisterkandidaten Siegfried Nagl zum Sieg verhelfen.

Die Konservativen rechnen sich gute Chancen auf das Bürgermeisteramt aus, konnten sie doch, ähnlich wie die KPÖ, rund 13 Prozentpunkte hinzugewinnen. Die seit dem Zweiten Weltkrieg in Graz regierenden Sozialdemokraten sind hingegen nur noch die zweitstärkste Partei, während die FPÖ auf knapp acht Prozent zurückfiel.

Ein großer Erfolg für die KPÖ, der es in der Zweiten Republik nie wirklich gelang, politisch Fuß zu fassen. So erreichte sie bei der Nationalratswahl im November des vergangenen Jahres ein halbes Prozent. In linken Kreisen stößt sie auf wenig Resonanz, auch die Bewegung gegen die blau-schwarze Regierung brachte ihr keinen Aufwind. In letzter Zeit versucht der Bundesvorsitzende Walter Baier, in der Antiglobalisierungsbewegung mitzumischen.

Der Erfolg in der Steiermark dürfte mit dieser Neuorientierung aber nicht zusammenhängen. Fast alle Medien halten ihn für ein lokales Phänomen. Nicht der Kommunismus ist bei den Grazern populär, sondern nur der örtliche Oberkommunist. Sogar der Vorsitzende der Bundespartei stimmt dem kleinlaut zu.

Tatsächlich führte die Partei einen Wahlkampf, der vor allem auf die Person Kaltenegger zugeschnitten war. »KPÖ – Ernst Kaltenegger«, stand auf Plakaten und Flugblättern. Kein Wunder, dass das Wort von der »Kaltenegger-Partei Österreichs« die Runde macht.

Dabei wird dem 53jährigen von allen Seiten Integrität zugesprochen. So meinten die Redakteure der größten Grazer Tageszeitung übereinstimmend, der Grund für die Popularität Kalteneggers liege in dessen »Authentizität«.

Schon bei der vorherigen Wahl hatten die Grazer Kommunisten sensationelle acht Prozent eingefahren. Erheblich dazu beigetragen hatte das glaubwürdige Engagement ihres Vorsitzenden im sozialen Wohnungsbau. Nach den Wahlen von 1998 wurde eigens für ihn ein winziges Ressort geschaffen, das sich mit der Verwaltung der 11 000 Gemeindewohnungen befasst. Ein schwieriges Amt angesichts der maroden Bausubstanz.

Während sich Kalteneggers Parteikollegen in der letzten Zeit mit der teuren Ausstaffierung der Stadt zur »Kulturhauptstadt Europas 2003« beschäftigten, fuhr er mit seiner Wohnungskampagne fort. So propagierte er Selbstverständlichkeiten wie die Ausstattung jeder Wohnung in Stadtbesitz mit WC und Bad. »Ich wohne in der Innenstadt unterm Dach, und das Haus unter mir droht zusammenzubrechen«, beschreibt Gerhard Torner, leitender Redakteur der Kleinen Zeitung, die Zustände in Graz, die ortsunkundige Besucher nicht unbedingt mitbekommen. Denn in den letzten Jahren hat sich die Stadt darum bemüht, die Fassaden zu renovieren und Jugendliche von den Straßen und Plätzen der City zu verbannen.

Die Bewohner der Innenstadt waren es nun, die der KPÖ den größten Erfolg bescherten. Schließlich kennen sie ihren Kaltenegger. In den vergangenen Jahren fuhr er demonstrativ mit seinem Skoda durch die schicke City und spendete 60 Prozent seines Gehaltes für Bedürftige, insgesamt fast 200 000 Euro verteilte er unter rund tausend Menschen.

Die FPÖ mit ihrem Eintreten für Umstrukturierung und für eine Bürgerwehr hatte es schwer gegen einen solch mitfühlenden Kommunisten. Vielleicht fanden es die Grazer auch unschick, dass die FPÖ das Stadtbild der Kulturhauptstadt mit ihren ausländerfeindlichen Plakaten verschandelte. Andererseits sprach sich, wie die Wiener Wochenzeitung Falter berichtet, auch Kaltenegger gegen die Vermietung der Gemeindewohnungen an Ausländer aus, was nicht unwesentlich dazu beigetragen haben dürfte, dass 5 500 ehemalige Wähler der FPÖ zu den Kommunisten überliefen.

Von der Kronen Zeitung, die der FPÖ nahe steht und sonst sogar die Grünen als »Maoisten« beschimpft, wird Kaltenegger wegen seiner Volksnähe als »Mann des Tages« gefeiert. Tatsächlich ähnelt dessen Strategie jener des erfolgreichen Boulevardblattes: ansprechbar, bodenständig, hilfreich, wo Not am Mann ist – sei es in der Tierecke der Zeitung oder der Miet-Hotline der Kommunisten. »Helfen statt reden«, lautet das Motto der Grazer KP.

Nach seinem Wahlerfolg empfiehlt Kaltenegger seinen Genossen, sich wieder lokalen Problemen zuzuwenden. Auch einen personenbezogenen Wahlkampf sollten sie nicht scheuen, sagt er der Jungle World, schließlich sei das in der medialen Demokratie ein unumgängliches Mittel geworden. Mitmischen in Porto Alegre ist gut und schön, greifbar werde die Problematik aber erst, wenn man sich vor Ort den unmittelbaren Auswirkungen der Globalisierung zuwende, so sein Ratschlag an die Parteispitze.

Er und sein Team sprachen sich vehement gegen den Verkauf von Stadteigentum wie etwa der Stadtwerke aus. Das sei schließlich »Volksvermögen«. Auch wenn ihre antikapitalistische Praxis letztlich eine karitative ist, scheute sich die Grazer KP nicht, im Wahlkampf mit Sprüchen zu glänzen wie: »Kapitalismus hat keine Fehler, Kapitalismus ist ein Fehler.«

Über andere Themen hört man hingegen nicht viel. So lautete der einzige Satz im Wahlprogramm zu Einwanderern, die immerhin fast zehn Prozent der Grazer Bevölkerung ausmachen: »Ausländische Gemeinschaften, die durch ihre Anwesenheit die Identität der Stadt Graz bereichern, brauchen ebenfalls Plätze für Treffen und Austauch.« Die Unterstützung linker Subkultur kommt Kaltenegger weniger in den Sinn. Er verschließe sich dem aber auch nicht, wie er etwas zögerlich versichert.

Der Mann ist Pragmatiker, weshalb er sich auch den Erwartungen der ÖVP bei der Bürgermeisterwahl nicht verschließen will. Er scheint darauf zu hoffen, dass die ÖVP seine Unterstützung des konservativen Kandidaten mit einem Entgegenkommen bei seinen sozialen Forderungen honorieren könnte.

Das ist allerdings unwahrscheinlich. Die Grazer Volkspartei ist, entgegen allen Lippenbekenntnissen, eine neoliberale Partei. Mit den Sozialdemokraten hat sie sich in dieser Hinsicht schon in der Vergangenheit prächtig verstanden. Deshalb ist Kaltenegger nicht wirklich in Gefahr, durch eine kompromissbereite Zusammenarbeit an Glaubwürdigkeit zu verlieren.