Begeisterung als erste Bürgerpflicht

Hamburg bewirbt sich um Olympia. Die üblichen Verdächtigen halten bisher still. von thorsten büchner

Ginge es nach den Symphatisanten des geräumten Hamburger Bauwagenplatzes Bambule, würde der FC St. Pauli seine Heimspiele nur noch am Freitag- oder Montagabend austragen. Denn dann gibt es eine interessante Gemengelage aus Sport und Politik. Die Bambulisten holten nach dem Abpfiff die Fans vor dem Stadion ab, gemeinsam formierte man sich zum Demonstrationszug und wieder einmal knallte es in Hamburg.

Der Konflikt um Bambule hat Hamburgs linke Szene geweckt, dabei geht ein anderes, ebenso dankbares Thema weithin unter: die Bewerbung der Hansestadt um die Olympiade im Jahr 2012. Unter allen deutschen Bewerberstädten werden Hamburg die besten Chancen eingeräumt, am 12. April vom Nationalen Olympischen Komitee (NOK) in die internationale Endausscheidung geschickt zu werden. Nicht zuletzt, weil es bislang »keine Proteste gibt«, wie es die von Stadt und Wirtschaft ins Leben gerufene Bewerber-GmbH »Hamburg für Spiele« verkündet. Den Hanseaten, so Geschäftsführer Horst Meyer, brenne »die olympische Flamme in den Herzen«.

Und tatsächlich, obwohl die Olympiade seit knapp zwei Jahren ein Thema ist, gibt es nicht den geringsten Protest, anders als in Frankfurt, wo die Initiative NOlympia gegen die Bewerbung mobilisiert. Während sich die linke Szene in Ronald Schill verbissen hat, steht das parlamentarisch vertretene Hamburg geschlossen hinter der Bewerbung. Bürgermeister Ole von Beust tingelt durch die Fernsehstudios und preist die Chancen für den Arbeitsmarkt, für den Städtebau und überhaupt fürs Renommee. Sozialdemokraten und Grüne, ansonsten in strammer Opposition gegen den rechten Senat, stimmen ihm zu. Schließlich hat Rot-Grün, vor eineinhalb Jahren noch an der Regierung, die Bewerbung auf den Weg gebracht.

»Die Idee, die Spiele auf dem Gelände eines neu geschaffenen Stadtteils mitten in der Stadt stattfinden zu lassen, ist schon genial und birgt viele Chancen«, sagt die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Verena Lappe. Gemeint ist die »Hafen-City«, ein noch brach liegendes Gelände im Freihafen. Dort sollen in den kommenden Jahren neben zahlreichen Sportstätten (inklusive Olympiastadion) vor allem Wohnungen, Geschäfte und Büros entstehen. Die Spiele, so Lappe, würden Geld für die Anschubfinanzierung des neuen Stadtteils bringen. »Das wären zusätzliche Mittel für ein ohnehin geplantes Projekt.«

Zudem verspricht sich die Hamburger Politik von der Olympiade auch Veränderungen in anderen Teilen der Stadt. »Das ist eine Chance, bislang vernachlässigte Stadtteile zu entwickeln«, sagt Lappe. Vor allem Wilhelmsburg soll profitieren. Die Elbinsel – gern als »sozialer Brennpunkt« stigmatisiert, der wechselweise von Sturmfluten und Kampfhunden heimgesucht wird – ließe sich aufwerten. »Allerdings dürfen wir die angestammte Bevölkerung nicht verdrängen«, räumt Lappe ein.

Diese Gefahr sieht man auch in der Hamburger PDS, die sich in den vergangenen Monaten erfolgreich etablieren konnte. Ihr Landessprecher Yavuz Fersoglu fürchtet vor allem höhere Mieten: »Die Spiele mögen gut für den Ruf Hamburgs sein, für die Wilhelmsburger, die zurzeit noch verträgliche Mieten bezahlen, sind sie es nicht.« Obwohl die Entscheidung für die deutsche Bewerberstadt kurz bevorsteht, hat die PDS noch keine klare Haltung gefunden. »Wir sind dabei, uns genauer mit dem Thema auseinanderzusetzen«, sagt Fersoglu. Und sein Parteifreund Till Petersen ergänzt: »Die Leute sind sehr intensiv mit Schwarz-Schill beschäftigt. Eine Mobilisierung gegen Olympia findet wohl erst statt, wenn die Sache konkret wird.«

Die Kritik an den Spielen bleibt im Ungefähren, es gibt allenfalls Unbehagen wegen der »Kommerzveranstaltung« (Petersen). »Eigentlich hat Hamburg andere Sorgen«, findet Fersoglu und mag nicht einsehen, »dass der Senat Mittel für Drogen- oder Obdachlosenprojekte abzieht, für Olympia aber Milliarden in den Sand gesetzt werden«.

Genau genommen, sind es bislang drei Millionen Euro für die nationale Ausscheidung, mit denen sich die Stadt an der Bewerber-GmbH beteiligt. Hinzu kommen »Peripheriekosten« (Lappe), die auch der grünen Bürgerschaftsabgeordneten zuweilen gegen den Strich gehen; die 750 000 Euro zum Beispiel, mit denen die Stadt das Tennisturnier am Rothenbaum unterstützen will, um den Ruf Hamburgs als Sportstadt zu verbessern. »Die Veranstalter haben schlecht gewirtschaftet, die Bürger sollen’s zahlen«, ärgert sich Lappe.

Indes, »wenn die Spiele kommen, werden sie dank der Zuschüsse von NOK und IOC auch ein finanzieller Gewinn«, sagt Verena Lappe. »Wenn Hamburg als deutsche Bewerberstadt aber scheitert, ist der Nutzen schwer abzuschätzen.«

Der Schaden wohl auch. Den könnte, so sieht es Lappe, vor allem der vom Senat geplante U-Bahn-Bau für die Hafen-City anrichten: »Das ist gar nicht zu finanzieren.« Stattdessen machen sich die Grünen für die in Hamburg eigentlich ausgestorbene Straßenbahn stark, die die Jugend der Welt zu den Sportstätten kutschieren soll. So sah es auch das Olympiakonzept von Rot-Grün vor. »Bislang hat sich der Charakter der Bewerbung durch Schwarz-Schill nicht wesentlich geändert«, sagt die Abgeordnete, »aber wir müssen aufpassen, dass der Senat die Nachhaltigkeits- und Ökologiekriterien des Konzepts nicht über Bord wirft.«

Dass nun ausgerechnet die Rechten die rot-grüne Olympiabewerbung präsentieren, bereitet Lappe freilich Ärger. Und eine positive Entscheidung des IOC wäre 2005 zudem eine Steilvorlage für die CDU im Bürgerschaftsvorwahlkampf. »Wir können etwas, was wir vor eineinhalb Jahren auf den Weg gebracht haben, nicht plötzlich schlecht finden«, sagt sie.

Schon jetzt hat der olympische Geist Hamburg voll im Griff. Auf Bussen und Bahnen prangt das offizielle »Feuer und Flamme«-Logo, das Boulevardblatt Morgenpost verwöhnt die Leser mit einem täglichen »Olympia-Countdown« und die Bewerber-GmbH wähnt 86 Prozent der Bevölkerung hinter sich. Olympiabegeisterung als erste Bürgerpflicht.

Kein Wunder also, dass »vielen der Mut fehlt, etwas zu tun«, sagt der PDS-Sprecher Fersoglu. Deshalb wolle man sich Ende März in einer Ausstellung im Karolinenviertel mit dem Thema beschäftigen. Auch für die dort wohnenden Unterstützer der Bambule, die sich zurzeit lustvoll am Innensenator und an Exekutivkräften abarbeiten, sei das durchaus bedeutsam: »Die Repressionspolitik des Senats wird sich durch die Bewerbung noch verschärfen.«

In der Tat, IOC-Funktionäre lieben saubere Städte. Junkies, Obdachlose und Bauwagenbewohner passen nicht ins Bild. Der Konflikt um die Bambule könnte sich allerdings bald von selbst lösen. Die Stadt und ihre Bewohner sind auf Kompromisskurs. Und auch mit den demofreundlichen Montagsspielen des FC St. Pauli hat es bald ein Ende. In der Regionalliga kickt man am Samstagnachmittag.