Minijobs am Herd

Die angeblich familienfreundlichen Hartz-Reformen drängen Frauen zurück in ihre alten Rollen. Hartzschrittmacher VI. von katharina pühl und stefanie wöhl

Endlich können Familien sich unter der besonderen Obhut einer Gruppe von SpezialistInnen sicher fühlen: den ArbeitsvermittlerInnen. Denn einer der angeblichen Vorteile der Anfang Januar in Kraft getretenen Gesetze zur Reform des Arbeitsmarktes ist die »familienfreundliche« Schnellvermittlung. Das bedeutet, dass Familien und Menschen, die Kinder oder andere Angehörige zu versorgen haben, vorrangig und besonders schnell in die Erwerbsarbeit vermittelt werden sollen. Von einer besonderen Sorgfalt bei der Vermittlung oder gar von den Lebensbedingungen und Bedürfnissen dieser Menschen ist dagegen nicht die Rede.

Auch an der Hausarbeitsfront geht es voran. So genannte Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich sollen ausgebaut werden. Der Haushalt, der viele bislang noch von der Erwerbsarbeit in verschiedenen schlecht bezahlten Jobs abgehalten hat, wird zukünftig nicht mehr in Schwarzarbeit versorgt, sondern legal, und die Frauen, die speziell in diesen Bereich vermittelt werden sollen, werden steuerlich begünstigt.

Völlig egal ist, ob die neue Haushaltshilfe vorher Professorin an einer polnischen Universität war. Hauptsache, sie besitzt eine Aufenthalts- und eine Arbeitserlaubnis.

Fehlende Voraussetzungen

Was der Bericht der Hartz-Kommission erwarten ließ, wird schneller zur Wirklichkeit werden als gedacht. Vor allem der Druck auf die betroffenen Arbeitslosen wird erhöht.

Gut beraten ist, wer jetzt einen guten Plan für die nötige »work-life-balance« präsentieren kann. Das Ziel der schnelleren Vermittlung verträgt sich nicht mit dem Umstand, dass die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Hartzpläne bislang noch nicht geschaffen sind. Die versprochenen zusätzlichen Kindergartenplätze und die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren, die schon der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl versprochen hatte, sowie 10 000 Ganztagsschulen müssen erst noch eingerichtet oder gebaut werden, um es Müttern zu ermöglichen, eine Arbeit aufzunehmen.

Mit diesen Vorhaben soll Deutschland zum »kinderfreundlichen Land« werden, wie es im Programm »Zukunft, Bildung und Betreuung« der Bundesregierung zu lesen ist. Angeblich sollen diese Reformen auch Alleinerziehenden zugute kommen. Dabei wird das Ehegattensplitting beibehalten und damit die Bevorteilung der Ehe und die steuerliche Benachteiligung der Alleinerziehenden.

Gut stehen vor allem diejenigen da, deren Arbeitsmöglichkeiten nicht »beschränkt« sind und die sich frei bewegen können. Eine Kultur der mobilen kinderlosen Singles, die mal hier, mal dort, auch mal unter prekären Bedingungen arbeiten, ist attraktiv. Wozu braucht man ein soziales Umfeld oder gewachsene Bindungen nicht familiärer oder wahlfamiliärer Art? Ein paar Zugeständnisse müssen die Familienlosen schon machen, die sich verantwortungslos der Bestandssicherung der deutschen Bevölkerung entziehen.

Es lassen sich mehrere Konzepte erkennen, die teilweise einander widersprechen, die auf jeden Fall aber das geförderte und geforderte Individuum erheblich unter Druck setzen, je nach Lebenssituation auf sehr unterschiedliche Weise.

ArbeitskraftunternehmerInnen in eigener Sache müssen neue Techniken erlernen, um mit der verstärkten repressiven Praxis bei der Gewährung staatlicher Ausfallleistungen wie dem Arbeitslosengeld umgehen zu können. Die neuen Bedingungen werden in jedem Fall absehbare geschlechterpolitische Folgen haben.

Strategien der Disziplinierung

Die erweiterte Möglichkeit, haushaltsnahe Dienstleistungen in Minijobs zu verwandeln, setzt neue Standards bei der sozialen Absicherung dieser Arbeitsverhältnisse. Das von der Regierung beschworene ungenutzte »Potenzial« in diesem Bereich ergibt sich aus Schätzungen der bislang schwarz oder unbezahlt geleisteten Arbeit.

Zugegeben: eine pauschale Abgabe des Arbeitgebers von zwölf Prozent für Löhne bis 400 Euro ist besser als gar keine. Die Schaffung regulierter Niedriglohnjobs schränkt jedoch die Möglichkeiten für eine existenzsichernde Altersvorsorge der Beschäftigten ein, vor allem für Frauen.

Neue soziale Ungleichheiten entstehen, bereits bestehende werden vergrößert, was etwa die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen für MigrantInnen und InhaberInnen deutscher Pässe betrifft. Der zu erwartende Wettbewerb um die schlecht bezahlten Arbeitsplätze wird viele Menschen ganz vom Lohnarbeitsmarkt drängen.

Die alte Geschlechterpolarität wird sicherlich auch durch die Vermittlungspraktiken der zukünftigen Personalserviceagenturen (PSA) verstärkt. Es sind dann vermutlich die »dazuverdienenden Ehefrauen«, die aus der Menge der Arbeitssuchenden verschwinden, sich aber auch den Regeln der neuen Zumutbarkeit entziehen können. Ein Privileg durch den Trauschein also? Deutlich wird zumindest der Widerspruch, einerseits die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern zu wollen, andererseits aber am Modell des Ernährers der Familie mit Hausfrau festzuhalten.

Mit der Beschleunigung der Lohnarbeitsvermittlung, der Zwangsbeschäftigung durch Personalserviceagenturen oder der aufgezwungenen Weiterbildung schwindet die Möglichkeit, die Zeiten zwischen zwei Arbeitsverträgen nach den eigenen Bedürfnissen zu verbringen. Zumal wenn das Unterhaltsgeld für die Dauer von Fortbildungen einschneidend gekürzt werden soll.

Verstärkt wird der Druck auf Arbeitslose noch durch die Zusammenlegung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe. Die auf die Erwerbsarbeit ausgerichtete Logik der Reformen vertieft die Kluft zwischen denen, die einen Arbeitsplatz haben, und denen, die keinen haben oder keinen zu unzumutbaren Bedingungen haben möchten.

Was ist zu erwarten?

Für eine Bilanz ist es zu früh, für eine kritische Einschätzung nicht. Die allein auf eine schnellere Vermittlung von Arbeitslosen gerichtete Reform kann die strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit nicht beheben. Produziert werden stattdessen widersprüchliche Effekte auf die Geschlechterverhältnisse, die teilweise durch geschlechterpolitische Maßnahmen noch verstärkt werden.

Ein Beispiel ist das so genannte Gender Mainstreaming, das die Folgen politischer Maßnahmen für beide Geschlechter untersuchen und bewerten soll. In der Privatwirtschaft wird es bislang nur selten verwirklicht. Im Sommer des Jahres 2001 lehnten es die Unternehmer mehrheitlich ab, das Ziel der Gleichstellung von Frauen im Wirtschaftsprozess festzuschreiben. Damit wurde zugleich eines der wichtigen geschlechterpolitischen Vorhaben des rot-grünen Regierungsprogramms von der Tagesordnung gestrichen.

Die qualitativen Gesichtspunkte bei der Kritik der geschlechtsspezifischen Verzerrungen des Arbeitsmarktes fallen immer öfter unter den Tisch. Es zählt, überhaupt eine Arbeit zu haben. Die Aushöhlung von Tarifverträgen und die Verschiebung der Grenze dessen, was als unzumutbar gilt, lassen auch Positionen in der Diskussion schwächer werden, die im System eine Gleichstellung von Frauen erreichen wollen.

Sicherlich werden sich durch den erhöhten Vermittlungsdruck berufsbezogene Geschlechterbilder und Ausbildungswege verändern. Vermutlich werden sich aber die Geschlechterbarrieren auf dem Arbeitsmarkt nicht auflösen. Die Konkurrenz um den Zugang zu bestimmten Berufssparten wird sich eher verschärfen. Unter dem Druck der ökonomischen Zwänge werden die sozial erworbenen Fähigkeiten von Frauen selektiv und willkürlich zur Norm erhoben. Auch sie sollen Existenzgründerinnen und Unternehmerinnen in eigener Sache werden, ganz gemäß dem alten Motto, dass jeder seines Glückes Schmied sein könne, wenn er nur wolle.

Der Umbau der Gesellschaft in Richtung ihrer totalen Vermarktung wird weiter vorangetrieben. Dabei wird das Verhältnis der Geschlechter benutzt, um nur noch auf den Markt orientiertes Denken zu fördern. Einerseits werden die traditionellen Rollenvorstellungen implizit aufgewertet, weil sie als Rückzugsmöglichkeit angesichts der neuen Zumutungen dienen können, wie am Beispiel des »Trauscheinprivilegs« zu sehen ist.

Andererseits trägt die Rede von der besonderen Eignung von Frauen für Existenzgründungen im Dienstleistungsbereich zu einer einseitigen Sicht bei. Die Auswirkungen der Geschlechterordnung werden dabei zum privaten Problem. Frauen, die kleine Kinder zu versorgen haben, werden auf dem Markt wesentlich schlechtere Chancen haben.

Die Frage ist also, wie eine emanzipative, eingreifende Geschlechterpolitik aussehen könnte. Es gilt, sich von der neoliberalen Geschlechterrhetorik zu distanzieren, die uns weismachen soll, dass endlich auch weibliche Qualitäten anerkannt werden, sofern sie verwertbar sind.

Die Verinnerlichung des Marktprinzips ruft in einem neuen Rahmen alte Rollenbilder wieder auf und fördert unternehmerisches, bisher vorwiegend maskulin kodiertes Verhalten. Jenseits der Festschreibung eines binären Geschlechtermodells geht es also darum, die Wiederbelebung alter Klischees zu beobachten und sich dagegen zu wehren.