Zwei sind zwei zu viel

Wegen eines Streits unter den Kameraden treten Anfang März bei der Kommunalwahl in Lübeck zwei rechtsextreme Bündnisse an. von daniel kilpert

Wie tief muss jemand, der sich selbst Nationalist nennt, sinken, wenn er mit Hilfe von Systemschergen Nationalisten die Möglichkeit nimmt, ihr Anliegen vorzutragen?« Jürgen Gerg, ein Mitglied des schleswig-holsteinischen Landesvorstandes der NPD, ist nicht gut auf seine ehemaligen Kameraden zu sprechen. Denn bei einer Veranstaltung des Bündnisses Rechts für Lübeck (BRL) holte der Vorsitzende, Dieter Kern, die Polizei, um Gerg und seine Kameraden aus dem Saal entfernen zu lassen.

Vor fünf Jahren noch vereinten sich in Lübeck alle rechten Strömungen in dem Bündnis, um sich nicht gegenseitig die Wähler wegzunehmen. So erreichten die Rechtsextremen 3,6 Prozent der Stimmen in der Stadt. Seit seiner Gründung arbeiteten im Bündnis Funktionäre aus verschiedenen rechtsextremen Parteien, von den Republikanern über die Deutsche Liga für Volk und Heimat bis zur NPD. Auch die so genannten freien Kameradschaften waren vertreten. Für den Zusammenhalt sorgten die Hamburger Neonazis Thomas Wulff und Christian Worch.

Damit ist es nun vorbei. Vor der Wahl am 2. März zerstritt sich das Bündnis. Beim monatlichen Stammtisch im Oktober des vergangenen Jahres, bei dem zum letzten Mal versucht werden sollte, die Konkurrenz zweier rechter Wahlbündnisse abzuwenden, rief Dieter Kern dann sogar die Polizei. Zu spät. Aktivisten der Freien Nationalisten und der NPD wie Jürgen Gerg und Jörn Lemke, auch ein Mitglied des NPD-Landesvorstandes, gründeten Ende Oktober die Wählergemeinschaft Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck.

Kern warf »den Initiatoren« der Abspaltung vor, mit »ihrem Handeln die Ziele der etablierten Parteien, Medien, Staats- und Verfassungsschützer sowie des ›Linken Spektrums‹ (zu) erfüllen, nämlich eine Einigkeit zu verhindern«. Er schimpfte die Abtrünnigen »Systemidioten«, da sie sowieso vorhätten, vier Wochen nach der Wahl ihre Vereinigung wieder aufzulösen.

Die beiden Bündnisse unterscheiden sich vor allem programmatisch. Das BRL, das zur Bundestagswahl empfahl, die NPD zu wählen, geht mit einem vor allem kommunalpolitischen Programm auf Wählerfang. Man ist gegen das »Verkehrschaos auf Lübecks Straßen«, für eine »saubere Hansestadt« und ein »strenges Vorgehen gegen Wandbeschmierer und Schmutzfinken«.

Auch das »kommunale Wahlrecht nur für mündige Deutsche« wird gefordert, denn: »Vor allem der deutsche Bürger sieht sich im eigenen Land gegenüber Nichtdeutschen schwer benachteiligt und als der Dumme.« Das Bündnis streitet für »das Heimat- und das Selbstbestimmungsrecht aller Völker«, gegen »Überfremdung«, für die »Förderung des nationalen Bewusstseins« und sucht den »Schulterschluss zu allen, die für Volk und Heimat eintreten«.

Die Schwerpunkte der Agitation des BRL jeneits der Kommunalpolitik sind der Antiamerikanismus und die Hetze gegen Israel. Den USA werfen die Rechtsextremen eine »Verschwörung gegen den Frieden, Vorbereitung eines Angriffkrieges und Verbrechen gegen die Menschlichkeit« vor und glauben, dass diese Anklagepunkte »zum Tode durch den Strang vieler Deutscher geführt« hätten. Israel hingegen lasse »die Palästinenser in KZ-ähnlichen Sperrgebieten dahinvegetieren«.

Zum Irakkrieg erklärt das BRL: »Eine moralische Schuld ›der Deutschen‹, sofern die NS-Sippenhaft in Betracht kommen sollte, kann logischerweise nur bedeuten, dass Deutschland sich nicht an einem Krieg beteiligt. Wenn die USA einen Krieg brauchen, um ihre Wirtschaft wieder in Gang zu bringen oder von internen Problemen abzulenken, wie Hitler es tat (Däubler-Gmelin), oder eben nur das im irakischen Boden lagernde Öl in ihre Kontrolle bringen wollen, haben sich die Deutschen herauszuhalten, andernfalls hätten wir die ›Lehre aus der Geschichte‹ nicht verstanden.«

Die Programmatik des Bündnisses nationaler Sozialisten für Lübeck enthält dagegen keinerlei kommunalpolitische Stellungnahmen. »Wir stehen für den Gedanken der Volksgemeinschaft anstatt des trennenden und heuchlerischen Parlamentarismus!«, heißt es an einer Stelle. Die nationalen Sozialisten stellten sich »gegen die drohende Gefahr der Überfremdung, Unterdrückung oder Ausbeutung durch den Imperialismus raumfremder Großmächte und international agierender Interessengruppen« und »gegen die weltweite Unterdrückungspolitik der USA«. Das Bündnis gibt sich jugendlich, kaum einer der Kandidaten ist über 30 Jahre alt. Während Gerg und Lemke in allen 27 Wahlkreisen einen Kandidaten aufstellen konnten, sammelte das BRL nur in elf Wahlkreisen die erforderlichen Unterstützungsunterschriften.

Beide rechtsextremen Gruppen bekamen auch schon Ärger mit den Behörden. Gergs Wohnung wurde vom Staatsschutz durchsucht. Und Dieter Kern vom BRL wurde im Oktober des Jahres 2001 von seinem Arbeitgeber, der Stadt Lübeck, gekündigt, weil er nach den Terroranschlägen in den USA ein Infotelefon mit einer Ansage besprach, in der er die Anschläge als »längst überfällige Befreiungsaktion gegen die USA« bezeichnete und als »Folge einer Politik, welche die Völker durch Sanktionen für die Interessen einer zionistischen Oligarchie in die Knie zwingen« wolle. Im November des vergangenen Jahres wurde seine Entlassung gerichtlich bestätigt.

Den Wahlkampfauftakt der nationalen Sozialisten bildete ein Aufmarsch am 25. Januar im Lübecker Stadtteil Kücknitz. Unter dem Motto »Arbeitsplätze für Lübeck! – Nur nationaler Sozialismus schafft Vollbeschäftigung« demonstrierten rund 70 statt der angekündigten 250 Rechtsextremisten. Die Stadt Lübeck hatte den Aufmarsch zwar verboten, in letzter Minute wurde er jedoch vom Verwaltungsgericht in Schleswig erlaubt. An der Gegendemonstration, zu der ein großes Bündnis aufgerufen hatte, beteiligten sich rund 250 Menschen.

An Aktivitäten gegen die rechten Umtriebe war jenseits der Demonstration in Kücknitz von Seiten der in der Lübecker Bürgerschaft vertretenen Parteien bisher nicht viel zu sehen. Man fürchtet offensichtlich, den Rechtsextremen unnötige Aufmerksamkeit zu schenken, wie es die Grünen erklärten. Die örtliche Antifa jedoch will am 1. März gegen die rechtsextremen Wahlbündnisse demonstrieren.