Brücke über den Teich

Seit 50 Jahren kümmert sich die »Atlantik-Brücke« um das deutsch-amerikanische Verhältnis. von jan süselbeck

Wir waren von der Reaktion überwältigt, das hätten wir in der Form überhaupt nicht erwartet«, sagt Beate Lindemann, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Atlantik-Brücke. »Mindestens 800 Zuschriften: E-Mails, Briefe, Faxe. Von einfachen amerikanischen Bürgern, meist ehemaligen GIs. Alle waren hoch erfreut und erleichtert, dass es doch noch Deutsche gibt, die zu Amerika halten!«

Atlantik-Brücke e.V. ist »einer der in Deutschland seltenen Versuche, von privater Seite in den politischen Raum hineinzuwirken, sympathiebildend, kontaktvermittelnd, katalysatorisch«, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zuletzt schaltete der Verein im Februar eine großformatige Anzeige in der New York Times, die danach in mehreren deutschen Tageszeitungen nachgedruckt wurde.

Darin heißt es: »Drei Generationen von Amerikanern und Deutschen schufen die Voraussetzungen dafür, dass ihre Länder in Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit leben können. Für die überwältigende Mehrheit der Deutschen bleiben die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von zentraler Bedeutung. Es darf nicht dazu kommen, dass die gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen in der Irak-Frage dieses Bündnis zerstören.«

Unter den Unterzeichnern finden sich u.a. der konservative Historiker Arnulf Baring, der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), Jörg Schönbohm (CDU), Roland Koch (CDU), Claudia Roth (Grüne), Guido Westerwelle (FDP), der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD), die Medienmacher Kai Dieckmann und Georg Gafron, Arend und August Oetker, der Präsident der Deutschen Bundesbank, Ernst Welteke, und Michael Rogowski vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Zur Atlantik-Brücke gehören »über 390 führende Vertreter des wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens Deutschlands sowie einige Redakteure führender Zeitungen«, wie der Internetseite der Organisation zu entnehmen ist. »Die Atlantik-Brücke will das Verständnis für Deutschland in anderen Staaten, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika fördern.«

Der Lobbyverein entstand 1952 in Hamburg. Eric M. Warburg, der als jüdischer Geschäftsmann 1938 vor den Nazis in die USA geflohen und 1945 als amerikanischer Offizier zurückgekehrt war, hatte in den USA das American Council on Germany (ACG) mitbegründet, das im Kalten Krieg dabei helfen sollte, die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland zu festigen.

Neben Warburg beteiligten sich an der Gründung der Atlantik-Brücke junge Hamburger Bürger, auf die große Karrieren warteten: der Unternehmer und CDU-Politiker Erik Blumenfeld, die Journalistin Marion Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt (SPD).

Seit 1988 verleiht die Organisation alle zwei Jahre den Eric M. Warburg-Preis, den bisher u.a. Helmut Kohl, der ehemalige US-amerikanische Außenminister Henry A. Kissinger und der frühere deutsche Verteidigungsminister Manfred Wörner erhielten. Im Jahr 2000 wurden Otto Graf Lambsdorff (FDP) »für seine Vermittlerrolle in den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern« und der General a.D. Klaus Naumann »für seinen Einsatz als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses während der Balkan-Krise« ausgezeichnet.

Neben den Mitteln der finanzkräftigen Angehörigen der Organisation, die auch die 140 000 Dollar teure Anzeige in der New York Times ermöglichten, erhält die Atlantik-Brücke angeblich auch Geld vom Auswärtigen Amt. Der Verein veranstaltet Workshops, Konferenzen und Seminare in Deutschland und den USA, zuletzt in Washington unter der Beteiligung von Senatoren des Repräsentantenhauses.

Um den Verein ranken sich auch Verschwörungstheorien. Nach Ansicht der Autoren des Buches »Das RAF-Phantom«, Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker, bestünden Ähnlichkeiten zwischen der angeblich vom CIA gesteuerten italienischen Geheimloge P 2 und der Atlantik-Brücke. Diese diene den USA als politisches Steuerungsinstrument in Deutschland, sie sei direkt an die US-amerikanische Außenpolitik und den Geheimdienstapparat angebunden, und zwar über die beiden Einflussgruppen Council on Foreign Relations (CFR) und American Council on Germany.

Auch die große Spendenaffäre der CDU führe zur Atlantik-Brücke. Der Rüstungslobbyist Karl-Heinz Schreiber und der vormalige Schatzmeister der hessischen CDU, Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein, beide Schlüsselfiguren der Spendenaffäre, hätten mit dem Verein zu tun gehabt.

Aber ein Beweis scheint dies angesichts der Vielzahl von Mitgliedern nicht zu sein. Der seit 1984 als Vorstandsvorsitzender des Vereins amtierende Walther Leisler Kiep (CDU) zog sich nach der Spendenaffäre aus der ersten Reihe der Organisation zurück.

Beate Lindemann betont, ihr Verein sei für alle Parteien offen. Man habe auch keine Berührungsängste gegenüber der PDS, die man allerdings zum letzten Ausflug nach Washington nicht eingeladen habe, da die Partei nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Doch sei die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Bläss (PDS), Mitglied gewesen.

Zum Jubiläum im vergangenen Jahr gratulierten zahlreiche Personen in einer großen Anzeige in der Welt, darunter die Transatlantiker Eckart von Klaeden, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, und der außenpolitische Sprecher der CDU, Friedbert Pflüger, der zu den schärfsten Kritikern der Außenpolitik Gerhard Schröders gehört.

Anlässlich des 50jährigen Bestehens der Organisation im Jahr 2002 erhielt der frühere US-amerikanische Präsident George Bush senior den Eric M. Warburg-Preis. Die Laudatio hielt Bundesaußenminister Joschka Fischer. Er fügte schon damals in seine Lobeshymnen auf Bush ein, die deutsche Außenpolitik werde auch »zukünftig von größerer Zurückhaltung gegenüber militärischen Einsätzen geprägt sein als diejenige vergleichbarer europäischer Staaten oder gar der USA«. Fischer fügte hinzu: »Unsere historischen Erfahrungen waren weniger glücklich, um es ganz diplomatisch auszudrücken, und dies wirkt über eine lange Zeit fort.«

Doch angesichts der gezeigten transatlantischen Allianzen muss sich wohl niemand Sorgen machen, dass Schröder das deutsch-amerikanische Verhältnis auf lange Sicht ernsthaft beschädigen könnte. Die Brücke über den Teich dürfte vorerst nicht so leicht zum Einsturz zu bringen sein.