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Türken, Kurden, Amerikaner von deniz yücel

Niemand hat in der Türkei den Krieg gewollt, weder das Militär, noch die gemäßigt-islamistische Regierung. Außenminister Abdullah Gül brachte Anfang März die türkische Haltung auf den Punkt: »Wenn wir schon den Krieg nicht verhindern können, müssen wir von Anfang an dabei sein, um unsere nationalen Interessen zu wahren.« Die Ausgangslage schien günstig.

Mitte der neunziger Jahre hatte sich Ankara mit den irakisch-kurdischen Parteien arrangiert. Man pflegte Handelsbeziehungen mit dem faktisch autonomen Nordirak. Gemeinsam mit den Milizen der Kurdisch-Demokratischen Partei (KDP) nahm man die türkisch-kurdische PKK-Guerilla in die Zange, der KDP-Vorsitzende Massoud Barzani bekam einen türkischen Diplomatenpass. Ihr gutes Verhältnis zu den irakischen Kurden hätte sich die Türkei zunutze machen können, sie hätte als Schutzmacht auftreten und die Kurden zugleich kontrollieren können.

Bestens war das Verhältnis zu den USA. Neben Israel war das Nato-Mitglied deren wichtigster Verbündeter in der Region. Und das rentierte sich. Dass die seit zwei Jahren anhaltende Wirtschaftskrise zu einer Massenverarmung geführt hat, der Kollaps aber bislang ausgeblieben ist, lag an der schützenden Hand der Amerikaner. Sie machten ihren Einfluss beim IWF geltend, um dem Land wieder fresh money zukommen zu lassen. Selbst auf dem Höhepunkt der Krise blieben türkische Politiker und Medien überzeugt: »Bei uns wird es keine argentinischen Verhältnisse geben, die USA können uns nicht im Stich lassen.«

Mit dem Krieg schlug die Stunde der Geostrategie, doch scheint der türkische Staat das Opfer einer maßlosen Selbstüberschätzung geworden zu sein. Zwar trugen die Querelen zwischen dem Militär und der Regierung dazu bei, dass das Parlament zunächst den USA jegliche Unterstützung verweigerte. Entscheidend war etwas anderes: Der Glaube, ohne die türkische Unterstützung könnten die USA keinen Krieg führen. Deshalb forderte Ankara nicht nur finanzielles und wirtschaftliches Entgegenkommen, sondern wollte mehr als ein Wort bei der Nachkriegsordnung im Nachbarland mitreden.

Beides wäre drin gewesen, aber die Türken wollten zu viel. Jetzt sind sie draußen.

»Ohne Frage wäre der Krieg schneller zu beenden, wenn wir US-Streitkräfte im Nordirak hätten«, sagt Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz. An diese Brüskierung durch die Türken, die sich selbst bei den Überflugrechten zickig gaben, wird man sich in Washington lange erinnern.

Futsch sind auch die guten Beziehungen zu den irakischen Kurden. Egal, ob es gemeinsam mit ihnen für eine Nordfront reicht, die US-Truppen im Nordirak sind ein deutliches Signal an Ankara. Mit ihrer Kriegsdrohung gegen die Kurden hat die Türkei auch die Qualifikation für den europäischen Antikriegsblock verpasst. Die Europäer, die die Türkei für ihre eigene Ambitionen benutzen wollten, dürften Konsequenzen aus deren Unberechenbarkeit ziehen.

»Der Türke hat keine anderen Freunde als den Türken«, lautet eine nicht nur bei türkischen Faschisten beliebte Redewendung. Wenn man diesen dummen Satz zur außenpolitischen Maxime erklärt, darf man sich nicht wundern, wenn’s hinterher genauso kommt.