Deutscher Friede

Eine direkte deutsche Kriegsbeteiligung wird halluziniert. von stefan wirner

Attac ist »empört« darüber, »dass die Bundesregierung trotz ihrer verbalen und diplomatischen Ablehnung des Irak-Angriffs aktive Beihilfe zum Tod von tausenden irakischen Zivilisten leistet.« Silke Reinecke von der Informationstelle Militarisierung (Imi) ist überzeugt: »Selbst wenn keine deutschen SoldatInnen Jagdbomber fliegen, hat die Bundesregierung den geplanten Krieg gegen den Irak wesentlich ermöglicht und unterstützt.« Die PDS erstattete sogar eine Anzeige gegen Gerhard Schröder wegen der Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Hier wird eifrig um die Wette phantasiert. Obwohl die Bundesregierung ihre Ablehnung eines Irakkrieges bereits Monate vorher selbst für den Fall eines vorliegenden Uno-Mandats ankündigte, wird sie nun verdächtigt, insgeheim am Krieg beteiligt zu sein. Schließlich gewähre sie den Amerikanern die Überflugrechte, deutsche Soldaten säßen in den Awacs-Flugzeugen, die den türkischen Luftraum sicherten, in Kuwait sei eine deutsche ABC-Einheit stationiert.

Doch die Kampagne gegen Wehrpflicht muss schon mit einem Taschenspielertrick die 3 800 deutschen Soldaten, die US-amerikanische Militäreinrichtungen in Deutschland schützen, dazuzählen, um auf »mehr als 4 600 Soldaten der Bundeswehr« zu kommen, die den Krieg unterstützten. Anders betrachtet, handelt es sich gerade mal um 200 Soldaten der ABC-Einheit in Kuwait und um vier Awacs-Flugzeuge in der Türkei, die der Nato unterstellt sind.

Diese Präsenz der Bundeswehr in der Nähe des Kriegsgebietes zu einem »wesentlichen« Beitrag zum Irakkrieg zu stilisieren, verdeckt nur die deutsche Interessenpolitik. Wer in Deutschland eine Kriegspartei sieht, kann den deutschen Unilateralismus in der Irakfrage nicht verstehen.

Es war die Bundesregierung, die mit ihrer früh geäußerten ablehnenden Haltung andere Nationen, wie Frankreich oder Russland, ermutigte, sich gegen die USA zu stellen. Schröders anfangs mit niemandem abgesprochene Friedenspolitik führte zur Krise der Nato und der Europäischen Union. Darüber muss man nicht traurig sein, aber man sollte es zur Kenntnis nehmen.

Wer die Bundesregierung an die Seite der USA in diesem Krieg imaginiert, hat nichts verstanden von dem Bruch in den deutsch-amerikanischen Beziehungen, den nicht zuletzt die Sozialdemokraten bewirkten. Jüngstes Beispiel hierfür: Der Parteitag der hessischen SPD am vorigen Wochenende forderte UN-Sanktionen gegen die USA.

Das Embargo gegen den Irak dagegen haben einige deutsche Firmen unterlaufen. Zu den Waffengeschäften mit dem Irak oder »kritischen Dialogen« mit anderen despotischen Regimen wird diskret geschwiegen.

Wenn viele Friedensinitiativen nun die Bundesregierung drängen, den Amerikanern die Überflugrechte zu verweigern oder die Einheiten aus Kuwait abzuziehen, fordern sie nichts anderes als eine noch härtere Gangart auf dem »deutschen Weg«. Die Bundesregierung aber kann es sich nicht leisten, alle Bündnisvereinbarungen auf einmal platzen zu lassen.

Für die Antikriegsbewegung lautet der Wahlspruch: Schluss mit den Bündnispflichten, Ami go home! Und wer sich Hollywood-Filme ansieht oder bei Esso tankt, muss womöglich demnächst mit einer Anzeige wegen Unterstützung eines Angriffskrieges rechnen.

Alfred Schobert kritisiert in der graswurzelrevolution den Verteidigungsminister Peter Struck dafür, dass er »das Ausfliegen verletzter US-Soldaten nach Deutschland« anbot. Die Deutschen sollten offenbar verletzte Yankees lieber im Wüstensand liegen lassen. Solche Kritik stärkt den Antiamerikanismus und führt zum deutschnationalen Overkill der Friedensbewegung.

Der Wunsch, in Deutschland eine Kriegspartei zu sehen, rührt her vom Unbehagen, diesen Krieg zusammen mit Schröder abzulehnen. Sicher sind die Bundesregierung und ihre militarisierte Außenpolitik zu kritisieren. Doch die Behauptung, Deutschland unterstütze den Irakkrieg »direkt«, ist unsinnig. Die deutschen Interessen werden gegenwärtig mit einer gegen die USA gerichteten Friedenspolitik verfolgt und nicht mit einer Kriegsbeteiligung an der Seite der USA.