Deutscher Krieg

Die Bundesregierung beteiligt sich intensiv am Irakkrieg. von ulrike gramann

Die Bundesrepublik ist stärker in den Irakkrieg involviert, als es das Auftreten ihres Außenministers im UN-Sicherheitsrat vermuten lässt. Überflug- und Transitrechte sowie die Nutzung der deutschen US-Air-Bases sind für die USA derzeit kaum entbehrlich. Ramstein, der größte Militärflughafen Europas, und die Rhein-Main-Air-Base machen Deutschland zum internationalen Drehkreuz für Nachschub, Logistik und Operationsplanung. Trotz geltender Nato-Verträge könnte die Bundesrepublik den USA die Nutzung der Air Bases und des deutschen Luftraums versagen, wenn die Flüge einem – grundgesetzlich verbotenen – Angriffskrieg dienen. Und eine solche Maßnahme würde den Ablauf der Kriegsroutine tatsächlich hemmen.

Der umstrittene Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen vorgeblich zum Schutz der Türkei geht auf eine sechs Punkte umfassende Wunschliste zurück, die die USA bereits im Januar im Nato-Hauptquartier vorlegten. Dazu hat sie wohl weniger die Sorge um die türkische Sicherheit veranlasst als vielmehr die Tatsache, dass diese Flugzeuge über dem irakischen Gebiet mögliche Luftziele erfassen, deren Position an das türkische Luftwaffenoberkommando und an die Nato weitergeleitet wird. Dort stehen diese kriegswichtigen Informationen den USA selbstverständlich zur Verfügung.

Ebenfalls auf der Wunschliste der USA standen Patriot-Flugabwehrraketen für die Türkei. Nur einige dieser Boden-Luft-Raketen wurden von den Niederlanden zur Verfügung gestellt, die übrigen stellt die Bundeswehr. Humanitären Zwecken dienen sie ebenso wenig wie das jetzt auf 200 Soldaten aufgestockte Kontingent für die Abwehr von ABC-Angriffen inklusive von sechs Fuchs-Spürpanzern in Kuwait. Bundesverteidigungsminister Struck selbst begründete die Aufstockung damit, dass bei Kriegsbeginn die US-amerikanischen und tschechischen ABC-Spezialisten in den Irak »verlegt« würden und die deutschen Soldaten sie dann »ersetzten«.

Seit Ende Januar verrichten Bundeswehrsoldaten rund um die Uhr Wachdienst an US-amerikanischen Militäreinrichtungen in der BRD, inzwischen 3 800 Soldaten an 60 Einrichtungen. Für jeden einzelnen dieser Soldaten wird ein Soldat der US Army frei für den Einsatz im Krieg – allein aufgrund deutschen Engagements.

Rund 600 weitere Soldaten der deutschen Marine operieren am Horn von Afrika, wo sie US-amerikanischen Seestreitkräften Geleitschutz auf dem Weg in den Persischen Golf geben. Alles in allem unterstützen bis jetzt mehr als 4 600 Bundeswehrsoldaten den Angriff auf den Irak direkt. Deshalb ist die BRD die viertgrößte am Angriff beteiligte Partei nach den Krieg führenden Staaten USA und Großbritannien sowie der Türkei. Staaten, die in der »Koalition der Willigen« vertreten sind, beteiligen sich eher symbolisch, während die »unwillige« BRD kriegswichtige Aufgaben erfüllt.

Das offizielle Nein der Bundesregierung zur Beteiligung ist kein Ausdruck einer pazifistischen Position, sondern ebenso ein Teil deutscher Interessenpolitik wie das faktische Ja zum Einsatz. Deshalb muss die Bundesregierung trotz ihres möglicherweise konstruktiven Engagements im UN-Sicherheitsrat aus einer antimilitaristischen Perspektive kritisiert werden. Dass dies nicht in größerem Ausmaß geschieht, liegt vor allem an der zwar gutwillig-kritischen, vielfach jedoch apolitischen Haltung der KriegsgegnerInnen.

Wer wissen will, welche Haltung die vermeintlichen Friedenstauben in der Regierung wirklich einnehmen, sollte sich über die konkrete Neuausrichtung der Bundeswehr informieren. Laut Bundesverteidigungsminister Struck wird sie »von der Landesverteidigung hin zu einer territorial unabhängigen Krisenbewältigung« erfolgen. Für alle Begriffsstutzigen erklärte Struck bereits Anfang Dezember 2002: »Die Bundesrepublik wird auch am Hindukusch verteidigt.« Ende Februar teilte er mit, dass neu auszuarbeitende verteidigungspolitische Richtlinien daran orientiert werden müssten, alle Einheiten und Strukturen aufzulösen, die ausschließlich der Landesverteidigung dienten. Die Aufgaben der Bundeswehr würden »auf absehbare Zeit im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen« liegen, Ressourcen müssten vor allem für »originär militärische Aufgaben« eingesetzt werden. Gesagt, getan.

Ulrike Gramann ist Mitglied der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär