Europa schaffen mit Waffen

Schröder will höhere Militärausgaben von christian honnens

»Wer für sich in Anspruch nimmt, bei aller Befriedung von Bündnispflichten im Ernstfall auch zu differenzieren oder nein zu sagen, wie im Falle Irak, der muss sich in die Lage versetzen, auch etwas aus eigener Kraft zu leisten.« Das verriet Bundeskanzler Gerhard Schröder in der vergangenen Woche in einem Interview mit der Zeit. Zugleich sprach er sich für eine europäische Emanzipation von den Vereinigten Staaten aus. Wenn Europa im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht mit einer gemeinsamen Stimme spreche, müsse man Konsequenzen daraus ziehen und sich auch über die Ausrüstung und Finanzierung der Bundeswehr unterhalten.

Mehr Geld für das Militär, diese Aussage passt nicht so recht zum Image vom Friedenskanzler, das sich Schröder in den vergangenen Wochen und Monaten aufgebaut hatte. Transparente auf Friedensdemos jubelten ihm immerhin zu: »Weiter so, Gerd!« So etwas ist für einen Regenten eine seltene Erfahrung.

Der Widerspruch fiel auch anderen auf. Schnell die Debatte wieder beenden, lautete die Devise. Als Erster schränkte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) Schröders Aussagen ein. Er rechne in den nächsten Jahren nicht mit zusätzlichem Geld für die Bundeswehr. Die Vorsitzende der Grünen, Angelika Beer, meinte, die Debatte sei »völlig überflüssig«. Gerade in einer Zeit, in der man den Menschen Einschnitte im sozialen Bereich zumute, könne man nicht einfach den Verteidigungsetat erhöhen.

Auch Schröder merkte, was er angerichtet hatte, und verschob die Erhöhung des Militäretats auf das Jahr 2006. Bis dahin soll sich die Bundeswehr neu und effizienter organisieren. Dann wird auch der Aufbau einer Armee der Europäischen Union (EU) vorangeschritten sein.

Allenthalben wird derzeit gefordert, eine solche Gegenmacht zu den Vereinigten Staaten zu schaffen. Der Leiter des Instituts für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, Michael Staack, schrieb in der vorigen Woche in der Süddeutschen Zeitung, die EU entfalte wirtschaftlich und politisch eine mit den USA vergleichbare »weltweite Ausstrahlung«. »Mit dem Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung wird sie auch sicherheitspolitisch mehr Handlungsfähigkeit erlangen«, prophezeite er. Staack sieht die Staaten der EU gewillt, »ein sicherheitspolitisch handlungsfähiges Kerneuropa zu gestalten«.

Andere Stimmen, wie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), finden wenig Gehör. Er befürwortete in einem Interview mit der Berliner Zeitung zwar eine europäische Armee. Allerdings sollten sich dieser auch solche Länder anschließen, die in der Irakfrage eine andere Meinung vertreten als Deutschland, Frankreich und Belgien. So solle der Eindruck vermieden werden, die europäische Armee »richte sich gegen die USA«.

Aber genau diese Vermutung drängt sich auf. Der Wunsch, den USA auch militärisch Paroli zu bieten, wird immer offener geäußert, auch in dieser Frage ist Schröder ein geübter Populist. Nur die Fragen des Etats lassen sich doch besser im Jahr 2006 regeln, wenn möglicherweise wieder Frieden herrscht. In Friedenszeiten braucht es nämlich keinen Friedenskanzler.