Nchrichten

Nutzloses Feigenblatt

Abschiebungen. Damit in Frankreich niemand mehr über Menschenrechtsverletzungen klagen kann, sollen in Zukunft bei jeder Kollektivabschiebung per Charterflug Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen mit an Bord sein. So durfte am Dienstag der vergangenen Woche ein Vertreter des Roten Kreuzes – neben 90 Polizisten der Ausländer- und Grenzpolizei – den Abschiebeflug nach Dakar und Abidjan begleiten. 55 Staatsbürger der Côte d’Ivoire und zehn Senegalesen wurden auf diese Weise, gegen ihren Willen, außer Landes geschafft. Das war bereits der dritte, speziell für Abgeschobene reservierte Charterflug, der im März vom Pariser Flughafen Roissy startete. Augenzeugen berichteten von Gewalttätigkeiten in der extraterritorialen Zone des Flughafens. Zahlreiche Personen seien zudem mit einem Pflaster auf dem Mund, auf den Rücken gefesselten Händen und Fesseln um die Füße abtransportiert und wie Pakete in bereit stehende Busse geworfen worden. Etiketten mit Nummern auf dem Rücken sowie auf dem Gepäck hätten zur Identifizierung der Personen gedient.

Zwei Tage später wurden dann 70 Roma aus Rumänien nach Bukarest geflogen, den Flug hatten Frankreich und Spanien zusammen organisiert. Für Anfang April ist ein gemeinsamer französisch-britischer Abschiebeflug nach Afghanistan angekündigt. Ab sofort werde es einen Charterflug pro Woche geben, erklärte Innenminister Nicolas Sarkozy.

Held hinter Gittern

Kroatien. Für kroatische Nationalisten ist General Mirco Norac ein »Held des großen vaterländischen Verteidigungskrieges«. 200 Demonstranten versammelten sich am Montag der vergangenen Woche vor dem Gerichtsgebäude in Rijeka, um gegen seine Verurteilung zu protestieren. Sie sangen Lieder der faschistischen Ustascha und verunglimpften das Gericht, das Norac an diesem Tag wegen Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten zu zwölf Jahren Haft verurteilte. Er und seine Mitangeklagten, Tihomir Oreskovic und Stjepan Grandic, hatten 1991 die Ermordung von mehr als 50 Menschen im Raum Gospic angeordnet, organisiert und ausgeführt. Oreskovic und Grandic erhielten Haftstrafen von fünfzehn bzw. zehn Jahren. Es war das erste Mal, dass ehemalige Angehörige des kroatischen Militärs in ihrer Heimat wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurden. Als Norac vor zwei Jahren verhaftet wurde, demonstrierten noch Hunderttausende für ihren »Helden«. Nach der Urteilsverkündung errichteten einige Hundert Veteranen in Senje, einer Hochburg der Nationalisten, Straßensperren und blockierten die Durchfahrtstraßen.

Botschaft der Revanchisten

Sudetendeutsche. Nun haben die Sudetendeutschen in Prag auch eine offizielle Vertretung. Bei ihrer Eröffnung am vorletzten Montag sprach der Vorsitzende der Landsmannschaft, Bernd Posselt, gar von einer »Botschaft«. Wenn organisierte »Volksgruppen« im Ausland paradiplomatische Vertretungen eröffnen, unterstreichen sie damit ihre sezessionistischen Absichten. Bei den Vertriebenen liegen die Dinge anders, ihre Botschaft richtet sich an die Tschechen: »Seht, der Weg in die EU führt über uns!« Beim Adressaten scheint die Botschaft angekommen zu sein, so nahmen hochrangige Vertreter der regierenden Koalition an der Eröffnung teil. Staatspräsident Vaclav Klaus hingegen nannte das Büro »unnötig und unpassend«.

Wenige Tage zuvor hatte Posselt, der für die CSU im Europäischen Parlament sitzt, im außenpolitischen Ausschuss gegen den Tschechien betreffenden Erweiterungsbericht gestimmt. Der 1956 in München geborene Vertriebene fügte hinzu, für die Zustimmung der Abgeordneten der CDU/CSU zum tschechischen EU-Beitritt müsse Prag »den nationalistischen Müll einer unseligen Epoche beiseite räumen«.

Ein gutes Team

Schweden. Die schwedisch-deutsche Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung hat zu einem ersten Prozess in Deutschland geführt. Ein 24jähriger Berliner ist in der vergangenen Woche vom Landgericht Moabit zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Ihm wurden Steinwürfe auf Polizeibeamte und Sachbeschädigungen beim EU-Gipfeltreffen in Göteborg zur Last gelegt. Der Angeklagte gestand die Taten, begründete sie aber mit den brutalen Übergriffen der Göteborger Polizei, gegen die er sich zur Wehr gesetzt habe. Als Beweismittel dienten Fotos der Krawalle, die im letzten April an die Berliner Staatsanwaltschaft übergeben worden waren. Auch wenn das Urteil wohl hinter den Erwartungen der schwedischen Justiz zurückblieb, die in ähnlichen Fällen zahlreiche Haftstrafen ohne Bewährung verhängt hat, ist die Strafe höher als in vielen vergleichbaren Berliner Verfahren.

Der Prozess war der erste einer ganzen Reihe im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Göteborg. Gegen mindestens elf Deutsche wird zurzeit wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt.

Nicht kreditwürdig

EU-Kommission. Einen schweren Dämpfer erhielt die Bundesregierung von der EU-Kommission. Sie muss einen wichtigen Bestandteil der Hartz-Reform, das Programm »Kapital für Arbeit«, einschränken. Jeder mittelständische Betrieb, der einen der zahlreichen Arbeitslosen einstellt, erhält im Moment quasi als Kopfgeld einen günstigen Kredit über 100 000 Euro. 2 000 Betriebe haben bereits abkassiert. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti forderte die Bundesregierung nun auf, die Kredithöhe spürbar zu reduzieren, ansonsten werde er ein Verfahren wegen zu Unrecht gewährter Subventionen einleiten. Die Regierung gab sich unschuldig und erklärte, man werde in Zukunft die Regeln der EU beachten. Angeblich hat niemand geglaubt, dass für die Beihilfe eine Genehmigung aus Brüssel notwendig sein könnte.