Suicidal Tendencies

Proteste gegen die Zustände im Köpenicker Abschiebegefängnis

»18.03.03: Abschiebegewahrsam Köpenick. 24jähriger Inder. Schnittverletzungen, Selbstmordversuch durch Erhängen«, steht auf dem Pappschild, das ein Jugendlicher vor der Ausländerbehörde in Berlin-Lichtenberg in die Kameras hält. Über 100 Menschen folgten am vergangenen Donnerstag dem Aufruf der Antirassistischen Initiative unter dem Motto: »Kommt ihr nicht zu den Protestierenden in Köpenick, kommen wir zu euch.« Mit der Aktion sollten die Forderungen der Hungerstreikenden im Berliner Abschiebeknast zu den AdressatInnen getragen werden. (Jungle World, 6/03)

»Seit Mitte Januar haben mehr als 35 Menschen einen Selbstmordversuch unternommen«, berichtete Christine Schmitz von der Initiative gegen Abschiebehaft auf der anschließenden Pressekonferenz. Noch nie zuvor haben so viele Insassen einer deutschen Abschiebehaftanstalt in einem so kurzen Zeitraum versucht, sich das Leben zu nehmen.

Das ist jedoch kein Grund für die Innenbehörde, auf die Forderungen der Gefangenen einzugehen. Seit dem 24. Februar werden verletzte, selbstmordgefährdete Häftlinge ins Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt Moabit verlegt und anschließend zurück nach Köpenick gebracht, statt wie vorher in öffentliche Krankenhäuser, aus denen sie in der Regel in die Freiheit entlassen wurden.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will einen »Nachahmungseffekt« verhindern. Selbst die kleinen Verbesserungen des Haftalltags, die nach den Hungerstreiks der Inhaftierten im Januar vom Innensenat angekündigt worden waren, wurden bis heute nur teilweise verwirklicht.

Dass der Senat offensichtlich auch in Zukunft die Versprechungen nicht einlösen will, vermutet Volker Ratzmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus: »In den Haushaltsberatungen sind für die Veränderungen in Köpenick keine Mittel bereit gestellt worden.«

Seiner Ansicht nach ist das größte Problem die Praxis der Ausländerbehörde. Sie ist für die Haftanträge zuständig, auf deren Grundlage die Menschen in Köpenick eingesperrt werden. Dabei besitze die Behörde einen Ermessensspielraum und dürfe »Haftanträge nur stellen, wenn eine Abschiebung möglich ist«, sagt Ratzmann. Trotzdem würden ständig Personen festgesetzt, die nicht abgeschoben werden könnten und die nach mehrmonatiger Haft dann eine Aufenthaltsduldung erhalten müssten.

Der Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Bösch-Soleil, sieht das völlig anders. »Sie sind an der falschen Stelle«, sagte er zu den Protestierenden, die ihm den Forderungskatalog der Häftlinge überreichten.

martin kröger