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Wo ist der Surrealismus?

Versteigerung. Es gab Tumulte und Proteste. »Wir sind alle Kinder Bretons – erste, zweite, dritte Generation«, wurde skandiert, aber am Ende des Tages war genau das passiert, was die Demonstranten unbedingt hatten verhindern wollen: Der Nachlass des Surrealisten André Breton war aufgeteilt worden. Insgesamt 46 Millionen Euro brachten nach Angaben des Pariser Auktionshauses Drouot-Richelieu die Bücher, Gemälde, Fotografien und Objekte, die eine der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen ausmachten. Genau deshalb hatten sich Künstler und Intellektuelle aus aller Welt gegen den Verkauf und für die Errichtung einer Stiftung eingesetzt.

Vergeblich hatten sie dagegen opponiert, dass die noch im Original erhaltene Pariser Wohnung André Bretons aufgelöst wird und dass deren Interieur unter den Hammer kommt. »Damit würde ein singuläres Stück europäischen Weltkulturerbes in alle Winde zerstreut«, hieß es auf der Post-Surrealisten-Situationisten-Homepage www.twokmi-kimali.de. Allerdings trug der Wind die Kunstwerke zumeist nicht über die Grenzen Frankreichs hinaus, denn französische Institutionen hatten ein Vorkaufsrecht. Die Auktionschefin Laurence Calmels betonte denn auch die Vorteile der Auktion. Erst der bevorstehende Verkauf habe die Auflistung und Digitalisierung der Sammlung erlaubt. Zudem seien die Objekte größtenteils nicht in Privatbesitz übergegangen, sondern an öffentliche Institutionen verkauft worden. Interessierten sei auch weiterhin der kleinste Manuskriptschnipsel zugänglich.

»X-Men«-Paranoia

Kopierschutz. Eigentlich sind die Previews genannten Filmvorführungen für die Presse eine angenehme Möglichkeit, ohne Aufwand und umsonst ins Kino zu gehen. Neuerdings kommt bei den Pressevorführungen aber eine unentspannte Stimmung auf, denn geradezu bombastisch sind die Sicherheitsvorkehrungen der Kulturindustrie geworden. Wobei es nicht darum geht, irgendwelche hollywoodfeindlichen Terroristen von den Kinosälen fernzuhalten, sondern darum, Piraten ihr Kopier-Handwerk zu legen. Vor dem weltweiten Start von »X-Men 2« im Mai informiert der Verleih der 20th Century Fox die Kinokritiker über die Kontrollen, die sie über sich ergehen lassen müssen, wenn sie ihre Arbeit tun wollen:

»1. Es dürfen keine Mobiltelefone, elektronische Organizer und PDAs sowie alle technischen Geräte, die eine Bild- und /oder Tonaufzeichnung vornehmen können, mit in den Kinosaal genommen werden. Natürlich auch keine Mäntel, Jacken und Taschen .

2. Es wird bei jedem Gast der Vorführung eine Leibesvisitation geben. Männer werden von einem Mann, Frauen von einer Frau durchsucht. Es können auch Metall-Detektoren in Einsatz kommen.

3. Jeder Gast, der während der Vorführung den Kinosaal verlässt, wird bei Wiedereintritt erneut durchsucht. (…)« Sparen wir uns den Leider-Leider-Abspann (mit der Bitte um Verständnis usw.) und fragen wir uns, ob wir uns nicht schon mitten im »X-Men«-artigen Hyper-Kontrollregime befinden. Jedenfalls scheint die Dramaturgie der Paranoia aus »X-Men 2«, wo die Auseinandersetzung der Mutanten mit einer Gesellschaft, die sie fürchtet und ihnen misstraut, eskaliert, irgendwie auf die Marketing-Abteilung abgefärbt zu haben.

Prosecco raus

Bundestagskantine. Neulich schüttelten wir die Köpfe über die bizarre Kantinen-Diplomatie des US-amerikanischen Kongresses, wo man aus Verärgerung über Frankreichs Haltung zum Irakkrieg die »French Fries« genannten Fritten in patriotische »Freedom Fries« umtaufte. Jetzt schüttelt es uns bei der Meldung im Spiegel, dass es in der Kantine im Berliner Reichstag künftig national korrekt zugehen soll. Mit Mal-eben-Umtaufen wie im Kongress ist es im Reichstag natürlich nicht getan, dort sollen nichtdeutsche Produkte in Zukunft von der Speisekarte fliegen. Dafür setzt sich ein durch nichts als Wichtigtuerei legitimierter »Untersuchungsausschuss« ein, der aus rheinland-pfälzischen Abgeordneten aller Fraktionen besteht. Italienischen Prosecco möchten sie in Zukunft durch Perlwein aus deutschem Anbau ersetzt sehen, die undeutsche Ananas zugunsten von Äpfeln aus der Region. Im Restaurant im Dachgarten können die Deutschtümler bereits erste Erfolge vermelden: Statt argentinischem Rindfleisch verwendet man hier nur welches aus Brandenburg.

Nichtlineare Dynamiken

Einparken. Dass die Wissenschaft nicht ausschließlich dem Wohl des Menschen, sondern auch den Interessen des Kapitals dient, sieht man daran, dass man inzwischen zwar Schafe klonen kann, es aber auch im 21. Jahrhundert noch immer keine glasscherbenresistenten Fahrradreifen gibt. Die Mathematikerin Rebecca Hoyle jedoch hat etwas wirklich Praktisches entwickelt, nämlich eine Formel zum perfekten Einparken. Ihre Gleichung sagt dem/der FahrerIn, ob er oder sie beim Einparkversuch alles richtig macht. Problem: Das Ausrechnen ist so kompliziert, dass die herkömmliche Vor-und-zurück-Kurbel-Methode letztlich zeitsparender sein dürfte. Die Mathematikerin ist Spezialistin für nichtlineare Dynamiken und beschäftigt sich mit so faszinierenden Themen wie dem Bewegungsverhalten von Sand. Was sie sonst so erforscht, kann man unter www.damtp.cam.ac.uk/ user/rbh/ erfahren.