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Debatte über die Rentenreform von philipp steglich

Ulla Schmidt, die sozialdemokratische Gesundheitsministerin, hatte es wohl sehr eilig. Auf Schmidts dringenden Wunsch legte die Reformkommission für Rente und Gesundheit, benannt nach ihrem Vorsitzenden Bert Rürup, um Monate verfrüht ihr Konzept zur Reform der Rentenversicherung vor.

Schon jetzt stehen täglich neue Vorschläge zur Reform der Krankenversicherung und des Steuerwesens zur Diskussion. Gleichzeitig findet in der SPD eine aufgeregte Debatte über die Kürzungsvorschläge von Kanzler Gerhard Schröder statt, die euphemistisch Agenda 2010 genannt werden. Um die Verwirrung perfekt zu machen, rief Ulla Schmidt nun die Expertenkommission auf den Plan. Ihr Vorsitzender Bert Rürup forderte dann auch, das Rentenalter um zwei auf 67 Jahre zu erhöhen. Zudem müsse die Anpassung der Rente an die Lohnsteigerung um einen gewissen »Nachhaltigkeitsfaktor« reduziert werden.

Die Freude bei den Arbeitgeberverbänden war groß, aber sie wurde nur von wenigen geteilt. Umgehend gab es harsche Kritik an den Vorschlägen, von der CSU und den Gewerkschaften. Deren Vertreter in der Kommission kritisierten, dass sie die Vorschläge erst am Tag der Verabschiedung erhalten hätten. Mithin kam es in der »Expertenrunde« zu keiner Diskussion.

Die »Expertenratschläge« sind eine Wiederauflage der Kürzungsvorhaben aus Helmut Kohls letzten Regierungsjahren, damals von dessen treuem Vasallen Norbert »Die Rentä is sischä« Blüm kongenial vertreten. Auf Vorschlag von Bert Rürup wurde damals der »demographische Faktor« eingeführt, den Rot-Grün nach dem Wahlsieg 1998 abschaffte und der jetzt als »Nachhaltigkeitsfaktor« seine nachösterliche Auferstehung erlebt. Die Rürup-Kommission heißt mit gutem Grund so, sie kommt zu denselben unternehmerfreundlichen Lösungen wie ihr Namensgeber.

Dabei sind die zukünftigen demographischen Probleme bei der Alterssicherung nicht einmal im Ansatz berücksichtigt. Denn das jetzige Modell der Rentenversicherung funktioniert nur bei annähernder Vollbeschäftigung, die angesichts der Produktivitätssteigerung der Wirtschaft wohl nicht mehr zu erreichen sein wird.

Das höhere Renteneintrittsalter dient also lediglich dazu, die Renten zu kürzen. Wenn man nämlich früher als mit 67 Jahren in Rente geht, sind deutliche Abschläge fällig. In Kombination mit dem »Nachhaltigkeitsfaktor«, der je nach Haushaltslage beliebig interpretiert werden kann, dürfte die Rente nur noch in Ausnahmefällen die volle Höhe erreichen. Denn das durchschnittliche Rentenalter liegt heute bei 62 Jahren, und dass z.B. ein 63jähriger noch einmal eingestellt wird, ist Wunschdenken. So werden viele Rentner Kandidaten für die Sozialhilfe. Umso wichtiger wird die private Vorsorge. Und siehe da: Im Interview mit BamS fordert Rürup konsequent die Verpflichtung aller zur bisher freiwilligen »Riester-Rente«.

Was bleibt, ist propagiertes und produziertes Chaos. Der Bundeskanzler und seine wirtschaftsfreundliche Regierung, die den Gewerkschaften und auch manchen in der eigenen Partei gerne bei jeder Gelegenheit Realitätsferne bescheinigen, sind, so sie ihre eigenen Verlautbarungen ernsthaft glauben, die wahren Traumtänzer. Zudem ziehen sie die SPD in den Abgrund, aber das soll nicht unsere Sorge sein.