Nachrichten

Franco kehrt zurück

Spanien. Erstmals seit Ende der Franco-Diktatur plant die spanische Regierung eine Reform des Strafgesetzbuches, die die Beteiligung an Antikriegsprotesten »während eines bewaffneten Konflikts, an dem Spanien teilnimmt«, unter Strafe stellen soll. Der Entwurf wurde am vergangenen Dienstag von der Zeitung El País veröffentlicht. »Wenn das Gesetz bereits in Kraft wäre, könnte ein Militärrichter Millionen von Demonstranten, die gegen den Irakkrieg protestiert haben, wegen Defätismus zur Rechenschaft ziehen«, kommentierte die Zeitung den Entwurf. Ein Sprecher des konservativen Verteidigungsministers Federico Trillo wies diesen Vorwurf zwar umgehend zurück. Es handele sich um ein Arbeitspapier ohne Priorität in dieser Legislaturperiode. Dennoch haben alle Oppositionsparteien eine Erklärung von der Regierung verlangt. Auch in der Bevölkerung stieß der Entwurf auf große Empörung. Schließlich hatten sich in Spanien mehr Menschen an den Demonstrationen gegen den Irakkrieg beteiligt als in jedem anderen Land der Welt.

Verschleierte Proteste

Frankreich. Wenig Freunde machte sich der französische Innenminister Nicolas Sarkozy mit einem Auftritt vor radikalen Islamisten. Am Osterwochenende sprach er zur Union islamischer Organisationen Frankreichs (UOIF), die jedes Jahr im April über 10 000 Muslime im Pariser Vorort Le Bourget versammelt. Sarkozy ist der erste Minister, der jemals dort auftrat. Zuerst erntete er Beifall für sein Kommen, später Proteste, als er darauf bestand, dass zur Aufnahme von Passfotos das Kopftuch abzulegen ist. Einzelne Redner gingen sogar so weit, die Aufforderung mit der Einführung des Judensterns zu vergleichen. Die Internationale Liga für Frauenrechte gratulierte dagegen Sarkozy für seine Haltung.

Im neu geschaffenen Repräsentativen Rat der französischen Muslime stellt die UOIF eine der beiden großen Organisationen. Der Regierung gelang es, dort alle islamischen Strömungen zu vereinen. Zudem soll die islamische Religionsgemeinschaft – wie bisher der katholische, protestantische und jüdische Kultus – einen Rechtsstatus und offizielle Institutionen erhalten. Damit will man sowohl die Gleichberechtigung aller Religionsgruppen erreichen als auch Instrumente zur Kontrolle der Immigranten schaffen.

Ungeteilte Freude

Zypern. Außer der Türkei erkennt kein Land die »Türkische Republik Nordzypern« (KKTC) an. Auch die Bevölkerung ist mit ihrem Status in wachsendem Maße unzufrieden, vor allem seit klar ist, dass der griechische Teil der Insel im Mai des nächsten Jahres der EU beitreten wird. Um den Unmut in der Bevölkerung etwas zu mildern, beschloss die KKTC-Regierung am 21. April völlig überraschend, die Grenze an drei Tagen zu öffnen. Zypern ist geteilt, seit türkische Truppen 1974 in den Norden einmarschierten, um einen Anschluss an Griechenland zu verhindern. 1983 wurde die KKTC ausgerufen und fast alle direkten Kontakte zwischen Griechen und Türken unterbrochen. Etwa 20 000 Menschen nutzten nun die Gelegenheit zu einem Besuch im anderen Landesteil. Nur ein Dutzend Zyprioten protestierte lautstark dagegen, dass beim Übertritt ein Reisepass vorgezeigt werden mußte. »Als würden wir ein fremdes Land betreten«, beschwerte sich Michalis Pilides. »Das haben wir abgelehnt, weil es ein Schritt zur Anerkennung des illegalen türkisch-zyprischen Staates wäre.«

Bezeichnende Stille

Menschenrechte. Europa ist nicht einfach eine geografische Bezeichnung, sondern eine »Wertegemeinschaft«, ein Synonym für Freiheit, Menschenrechte, Zivilisation. Dass es auch hier um die Einhaltung der Menschenrechte nicht zum Besten bestellt ist, mussten sich die Europaparlamentarier während einer Anhörung sagen lassen. »Während die EU dem Rest der Welt Lektionen in Sachen Menschenrechte erteilt, ist sie äußerst still, wenn daheim Menschenrechte verletzt werden«, sagte Dick Oosting von amnesty international. Lotte Leicht von Human Rights Watch kritisierte, Antiterrormaßnahmen könnten zu Folter führen, und verwies auf die Haftbedingungen von Personen, die in Großbritannien unter Terrorismusverdacht inhaftiert seien. Andere beklagten Verstöße gegen die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Privatleben in mehreren Ländern. Die meisten Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, wurden für ihre restriktive Einwanderungspolitik gerügt, Frauenorganisationen prangerten Frauenhandel, Prostitution und sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz an.

Armenhaus Europa

Osteuropa. Das Wirtschaftswachstum ist in den meisten osteuropäischen Ländern derzeit größer als bei den westlichen Nachbarn. Dennoch werde der Einkommensabstand zu Westeuropa nur langsam schrumpfen, heißt es in einem Bericht der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Zwar sei bei »richtigen Rahmenbedingungen« ein realer Zuwachs von vier bis fünf Prozent möglich, aber selbst dann werde es auch in den meisten Beitrittsstaaten zwanzig bis dreißig Jahre dauern, bis das Durchschnittseinkommen 75 Prozent des Niveaus der bisherigen EU-Staaten erreicht. Im Jahr 2001 betrug das Einkommen der Türken nur 22 Prozent des EU-Durchschnitts, in Rumänien waren es 25, in Polen 40 und in Ungarn 51. In Moldawien lag das Sozialprodukt im vergangenen Jahr sogar um 62 Prozent unter dem Niveau des Jahres 1989. In Russland erreichte es nur zwei Drittel des damaligen Standes. Vielleicht gleichen sich die Einkommen ja doch schneller als gedacht an, wenn dank »richtiger Rahmenbedingungen« das Masseneinkommen in Deutschland oder Frankreich auf das Niveau östlich der Oder gedrückt wird.