Schwarzrote Gemütlichkeit

Eröffnung des FAU-Lokals

Das Missverständnis klärt sich gleich zu Beginn. Wenn AnarchosyndikalistInnen ein »Lokal« eröffnen, dann meinen sie keine Kneipe im herkömmlichen Sinn, sondern einen Ort für politische Veranstaltungen. Einen solchen hat sich die Berliner Gruppe der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) in der Straßburger Straße 38 im Prenzlauer Berg geschaffen. Zur Eröffnung gibt es dennoch Bier, gegrillte Würstchen, Mais und Käsehäppchen.

Der unübersehbare schwarzrote Schriftzug der FAU/IAA über dem Eingang zieht an diesem Abend nicht nur das bekannte Publikum an. Neben Altlinken, die wie die Bombenmännchen aus Seyfried-Comics aussehen, sind Poplinke, Antifas, Autonome, Trotzkisten und andere Neugierige gekommen. Genau das ist auch die Absicht der FAU. Man wolle öffentlich wahrnehmbar sein und Offenheit signalisieren, sagt Mattias Koks. Er ist einer der Gastgeber, die durch einen V.I.A.-Sticker (»Very Important Anarchist«) zu erkennen sind, und ruft die BesucherInnen herein: »Kommt bitte alle, dann halte ich eine kleine Rede. Danach gibt es Kuchen und Sekt, und dann machen wir Revolution.« Drinnen gibt es ein Büro, eine Küche und ein einen Veranstaltungsraum, buckelnde Katzen, schwarzrote Tischdecken und teilweise etwas angestaubte Literatur über Kronstadt, Kropotkin und Spanien im Jahr 1936. Der Raum ist proppenvoll.

Dann geht es los. Ein älterer Gewerkschafter referiert die Geschichte des deutschen Anarchosyndikalismus. 150 000 Mitglieder hatte die FAU in den zwanziger Jahren. Vor 70 Jahren, am 9. März 1933, schloss die Gestapo die Berliner Geschäftsräume. Wenige Jahre später war auch die illegale Organisation der verbliebenen Kader zerschlagen, viele starben in Konzentrationslagern. Wer emigrieren konnte, kämpfte meist im spanischen Bürgerkrieg.

Erst 1977 wurde die FAU neu gegründet, und sie bemüht sich seither, die Selbstorganisation von Beschäftigten jenseits der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften voranzutreiben. »Anarchosyndikalismus bedeutet: Anarchismus ist das Ziel, Syndikalismus die Organisationsform.« Weltweit ist die FAU in der Internationalen ArbeiterInnen Assoziation (IAA) organisiert. Drei »Syndikate« unterhalten die etwa 30 Berliner Anarchisten: das Bildungssyndikat, an dem StudentInnen und Lehrende teilnehmen, das Kultursyndikat und das Allgemeine Syndikat für alle übrigen Berufsgruppen. Ein Schwerpunkt ihres Tuns ist derzeit die Mitarbeit im Anti-Hartz-Bündnis.

Der schwarzrote Kuchen wird angeschnitten, der Sekt fließt in Strömen. Das Lokal ist eröffnet. Draußen läuft Charlie Chaplins »Modern Times«, später gibt es Folk mit dem kanadischen Sänger Pat Blare. Ein bißchen altmodisch wirkt das, wie auch die angekündigten Veranstaltungen, die vor allem historische Rückblicke versprechen. Der Einstand aber ist bestens gelungen. Bis spät in die Nacht plaudern die Veranstalter und ihre Gäste, zum Beispiel über den 1. Mai.

Die FAU hat es sich einfach gemacht, sie ruft zu beiden revolutionären Demonstrationen auf. Schwarzrot eben.

arne norden