Kam, sars
und siegte

Globale Gesundheitspolitik von ferdinand muggenthaler

Nach dem Abklingen der Pest im Jahre 1517 tanzten in München die Schäffler durch die Straßen. Die Leute sollten sich wieder auf die Straße trauen und Bier aus den Fässern der Schäffler (Fassmacher) konsumieren.

Für den 2. Mai verkündete die größte kanadische Stadt die erste »Go out Toronto night«, um der unter Sars leidenden Gastronomie wieder auf die Beine zu helfen.

Zwar geht in Toronto die Zahl der Sars-Fälle zurück, und die WHO hat die Reisewarnung für die Stadt aufgehoben, doch für einen internationalen Schäfflertanz ist es zu früh. In China steigt die Zahl der Infizierten weiter, bisher gibt es weder einen Impfstoff noch eine effektive Behandlung, zwischen vier und 18 Prozent der Erkrankten sterben.

Trotzdem lässt sich sagen, dass Sars nicht annähernd die Ausmaße der Pest oder von Aids, Malaria oder Tuberkulose hat. Das hat auch damit zu tun, dass die internationale Zusammenarbeit über die WHO eine wichtige Rolle bei der Eindämmung spielt und dass halbwegs verlässliche Informationen überall abrufbar sind.

Eines aber hat die neue Infektionskrankheit mit den anderen Epidemien gemein. Erst Armut und Aberglaube machen sie zur massenhaften Bedrohung. Positiv formuliert: Wo angenehme Lebensumstände herrschen und ein für alle zugängliches Gesundheitswesen existiert, hält sich der Schaden in Grenzen. Etwa in Toronto. Nur der Aberglaube, dass Chinesen besonders ansteckend seien, schien verbreitet zu sein. Chinesische Restaurants waren von der Flaute besonders betroffen.

Die Erkenntnis, dass Reichtum und Bildung die beste Medizin sind, hat keinen Nachrichtenwert. Neu hingegen ist die Rede von der globalen Krankheit. Was soll das heißen? Ist unsere Gesundheit bedroht, wenn auch die Chinesen überall hinreisen dürfen? Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten ist seit der Eroberung Amerikas ein weltweites Phänomen. Damals brachten die Missionare den Einheimischen in Kanada die Masern und ähnliche Krankheiten, über 90 Prozent starben.

Die jüngste Globalisierung dagegen bietet Chancen. Nicht ihretwegen ist Sars eine Bedrohung, sondern wegen ihrer unzureichenden Umsetzung. Am Beispiel Sars zeigen sich die Vorzüge moderner Kommunikationstechnik und weltweiter Zusammenarbeit. Wegen des Informationsaustauschs wussten die Krankenhäuser in Indonesien, Deutschland und Brasilien, wie sie reagieren mussten.

Umgekehrt konnte sich Sars in China nicht nur wegen der Armut und des Aberglaubens (die Behörden glaubten, die Krankheit durch Totschweigen bekämpfen zu können) unbemerkt ausbreiten. Ein Grund war, dass die internationale Öffentlichkeit und die WHO nicht informiert wurden. Wahrscheinlich sollte der Standort nicht durch schlechte Nachrichten beschädigt werden.

Diese Konkurrenzlogik ist nicht auf China beschränkt. Um Schaden abzuwenden, rückten die kanadischen Behörden von ihrer offenen Informationspolitik ab und meldeten einen neuen Fall erst, nachdem die WHO ihre Warnung für Toronto aufgehoben hatte.

Die Gefahr der globalen Verbreitung und des globalen wirtschaftlichen Schadens hat erst das Interesse an der Bekämpfung der Krankheit geschaffen. Aber überall hintertreibt die Globalisierung ihre Errungenschaften. Torontos Bürgermeister Mel Lastman zeigte dies, als er Werbung für seine weltoffene Stadt machen wollte und sich wie der letzte Provinzfürst aufführte. Von CNN auf die Reisewarnung der WHO angesprochen, polterte er: »Ich weiß nicht, wer diese Gruppe ist. Ich habe vorher nie von denen gehört.«