Die Wahl der Waffen

Mit Hilfe neuer Wahllisten versucht die baskische Separatistenpartei Batasuna ihr Verbot zu umgehen. von gaston kirsche

Das Ziel der Terroristen ist es«, schnaubte Baltasar Garzón, Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof Spaniens, am vergangenen Donnerstag, »mit Hilfe der zwei neuen Arten von Wahlplattformen, den kommunalen und regionalen, an den nächsten Wahlen teilzunehmen und so die Gerichtsurteile lächerlich zu machen.« Mithilfe neuer Wahllisten solle das Verbot der baskischen Separatistenpartei Batasuna (Einheit) durch die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofes vom 17. März umgangen werden. Dies sei die Strategie der bewaffneten Bande Eta, verkündete Garzón.

Also eröffnete Garzón Ende April ein Ermittlungsverfahren gegen Udalbiltza, den Rat der Gemeinden. Der Rat wurde vor drei Jahren von Kommunalabgeordneten aus dem französischen und spanischen Baskenland sowie aus Navarra gegründet, die damit die »erste gesamtbaskische Institution« schaffen wollten.

Bis Anfang Mai gab es Udalbiltza sogar doppelt. Die Abgeordneten der bürgerlichen baskischen Parteien hatten sich vor zwei Jahren von dem Rat abgespalten, weil sich die linksnationalen Abgeordneten von Batasuna nicht von Eta distanzieren wollten. Seit dem 29. April sind alle Büros der linksnationalen Udalbiltza geschlossen, acht bekannte Funktionäre verhaftet.

Garzón wirft ihnen vor, sich am »Projekt des Aufbaus einer Nation« beteiligt zu haben, das von Eta geleitet werde. Die spanische Justiz kriminalisiert die baskischen Nationalisten als vermeintliche Etarras, die sich selbst jedoch als gewaltfreie Aktivisten einer baskischen Zivilgesellschaft verstehen. Die acht Verhafteten wurden allesamt bei der letzten Kommunalwahl von 1999 in ihr Amt gewählt. So sitzen die Bürgermeister der Gemeinden Oiarzun und Ondarroa in Haft, die sich besser mit der örtlichen Müllabfuhr auskennen als mit Autobomben.

Die Verhafteten hätten Udalbiltza mit kommunalen Geldern finanziert, lautet der Vorwurf. Sie müssten sich nun wegen der Kollaboration mit einer bewaffneten Bande verantworten, da der Rat der Gemeinden von der Eta gesteuert werde.

Außerdem hätten sie den Rat dafür genutzt, um das Verbot von Batasuna zu umgehen und Kandidaturen unter neuen Namen zu organisieren. Vier Tage nachdem Garzón die Funktionäre von Udalbiltza hatte verhaften lassen, verbot der Oberste Gerichtshof die Kandidaturen in 241 Orten der Region Baskenland für die Kommunalwahlen am 25. Mai.

In zehn Dörfern wird es jetzt keine Wahl geben können, weil dort die verbotenen Wählerlisten die einzigen Kandidaturen waren. In 15 weiteren Orten wird automatisch die konservative Volkspartei (PP) gewinnen, da sie nun die einzige Liste stellt.

Ebenfalls verboten wurde vom Obersten Gerichtshof die Kandidatur der »Plattform für das Selbstbestimmungsrecht« (AuB), die ein unabhängiges Baskenland fordert. »Spanischer Staat – faschistischer Staat«, heißt es dazu unter anderem in dem kürzlich verabschiedeten Wahlprogramm der Plattform, in dem auch zur Solidarität mit den Eta-Gefangenen aufgerufen wird. Innerhalb von einem Monat erhielt die Initiative rund 90 000 Unterschriften, die ihre Kandidatur unterstützten, und damit wesentlich mehr als nötig.

Das ist kaum verwunderlich. Bei den letzten Wahlen zum baskischen Regionalparlament erhielt Batasuna mehr als 200 000 Stimmen. Sie bzw. ihr Wahlbündnis Euskal Herritarrok (Baskische Bürger) war bis zum Verbot die viertgrößte Partei im Baskenland und stellte in 61 Gemeinden den Bürgermeister, 882 Gemeinderäte, Dutzende Abgeordnete in den Provinz- und Regionalparlamenten sowie einen Vertreter im Europaparlament. Da die baskischen Linksnationalisten mit politischen Methoden nicht zu marginalisieren sind, bemüht sich nun die Justiz darum.

Richter Garzón handelt dabei oft sogar noch schneller als die Sonderkammern der Gerichte. Kaum hatte das spanische Parlament im letzten Sommer das neue Parteiengesetz verabschiedet, wonach Parteien, die sich nicht von terroristischen Gruppen distanzieren, verboten werden können, ließ Garzón alle Aktivitäten von Batasuna für einen Zeitraum von drei Jahren untersagen. Im März folgte die Beschlagnahme des Parteivermögens.

Das Verbot von Batasuna, ihrer Vorläuferin Herri Batasuna und von Euskal Herritarrok wurde von den großen spanischen Parteien einhellig begrüßt. »Man kann eine terroristische Organisation nicht zerschlagen, wenn man einem Teil erlaubt, legal zu sein«, erklärte Ministerpräsident José María Aznar. Und Juan Fernando López Aguilar von der sozialdemokratischen PSOE meint: »Es war zu erwarten, dass sich das Eta-Umfeld neu strukturiert und dafür alle Tricks benutzt.« Innenminister Angel Acebes versicherte, dass es »mehr Beweise gibt, dass hinter diesen Machenschaften die Eta steckt«. Die verbotenen Wahllisten seien »Teil einer von der Eta entworfenen Strategie«.

Die Plattform will das Verbot nicht akzeptieren und notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Im zivilen Ungehorsam erfahren, hat sie eigene Wahlzettel gedruckt und ihre Wähler dazu aufgerufen, am 25. Mai damit abzustimmen.

Zudem gründete sie eine »nationale Garantiekommssion«, die eine eigene Stimmenauszählung in den Wahllokalen koordinieren soll. Diese Kommission wird auch von den Parteien der baskischen Regionalregierung, der Baskisch-Nationalen Partei (PNV) und der Vereinigten Linken unterstützt. Garzón ließ am vergangenen Donnerstag in Navarra die Druckerei stürmen, in der die Stimmzettel gedruckt wurden, und leitete ein neues Ermittlungsverfahren wegen Kollaboration mit einer bewaffneten Bande ein.

Die Eta sieht sich indes durch das Vorgehen der Justiz bestätigt und erklärte, dass die Parteienverbote »die gewalttätigsten faschistischen Angriffe in den letzten Jahrzehnten« darstellten. Und auch die konservativen Nationalisten sind trotz der repressiven Maßnahmen zuversichtlich. Die Gründung von Staaten wie Moldawien oder Litauen zeige, erklärte der PNV-Vorsitzende Xabier Arzalluz auf einer Kundgebung im französischen St. Jean de Luz, dass es eine Chance für einen unabhängigen baskischen Staat gebe. »Deshalb ist Paris nervös, und mit Madrid befinden wir uns fast im Krieg.« Die Waffen seien dabei allerdings die Wahlurnen und nicht Pistolen.