Guter Rat ist teuer

Nach der Pleite des Kirch-Konzerns stellt sich heraus, dass das Unternehmen Beraterverträge mit hochrangigen Politikern abgeschlossen hatte. Die Gegenleistungen sind bisher nur teilweise bekannt. von thies marsen

Als vor einem Jahr der Verkauf des insolventen Kirch-Konzerns an das Medienimperium des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi drohte, war die Empörung groß. Der Bundesrepublik stünde eine ähnliche Verflechtung von politischer und publizistischer Macht bevor wie in Italien, warnten Politiker und Journalisten, und dies gelte es unbedingt zu verhindern. Zwölf Monate später ist klar: Der Ausverkauf des Imperiums Kirch markierte nicht den Beginn der Verflechtungen zwischen den Medien und der Politik in der Bundesrepublik. Allenfalls bedeutete er das Ende solcher Beziehungen.

Nun ist Leo Kirchs Konzern Vergangenheit, und es stellt sich die Frage, ob der Zusammenbruch damit zu tun hat, dass seine Förderer seit 1998 nicht mehr in der Regierung sitzen, oder ob es an der allzu großzügigen Geldverteilung gelegen hat. Wahrscheinlich kam beides zusammen.

Aus der Flick-Affäre Anfang der achtziger Jahre hat die politische Klasse der Bundesrepublik die Lehre gezogen, besser keine kleinen Umschläge anzunehmen und erst recht nicht, während man ein politisches Amt bekleidet. Stattdessen werden die Geschäfte mittels einer allgemein üblichen Verkehrsform der bürgerlichen Gesellschaft geregelt: des Vertrages.

Mindestens sechs ehemals hochrangige Politiker haben nach ihrer Amtszeit eine Kirch-Pension in Form eines »Beratervertrags« erhalten: 600 000 Mark jährlich bekamen Helmut Kohl (CDU) und sein früherer Finanzminister Theo Waigel (CSU), 300 000 Mark kassierte der ehemalige Postminister Wolfgang Bötsch (CSU), maximal 800 000 Mark der ehemalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (damals noch FDP). Nicht bekannte Summen gingen an den früheren Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) und den CSU-Politiker Peter Gauweiler. Und der einstige Postminister durfte sich zusätzlich über lukrative Aufträge für seine Firma freuen.

Nun regelt ein Vertrag gemeinhin ein Geben und ein Nehmen. Für die Leistung des einen muss der andere eine Gegenleistung erbringen. Diese Regel könnte die Empfänger der Pensionen nun teuer zu stehen kommen. Denn die Aufgabe der Insolvenzverwalter ist es, das verbliebene Vermögen des Konzerns zu sichten und im Sinne der Gläubiger abzuwickeln. Dabei stieß man auf die Beraterverträge. Nach Recht und Gesetz müssen die Insolvenzverwalter nun prüfen, welche Leistungen die gut bezahlten Berater erbracht haben. Sollten sie nichts für ihr Geld getan haben, so müsste der insolvente Konzern das ausgezahlte Geld im Interesse seiner Gläubiger zurückfordern.

Diesen Nachweis zu führen, könnte für Kohl, Waigel und Co. schwierig werden. Zweifellos haben sie sich um den Konzern verdient gemacht, doch ihre Verdienste dürften vor allem aus der Zeit vor dem Abschluss der Beraterverträge stammen, als sie noch ihre politischen Ämter innehatten.

Dem Druck Helmut Kohls auf die damals noch staatseigene Deutsche Telekom etwa verdankt der Konzern, dass sich im Wettbewerb um das Bezahlfernsehen der hauseigene TV-Decoder durchsetzte. Als die Europäische Union (EU) kurz darauf eine Zusammenarbeit zwischen Bertelsmann und Kirch beim Bezahlfernsehen nicht genehmigen wollte, soll Kohl dem damaligen Kommissionspräsidenten der EU, Jacques Santer, entgegnet haben: »Das bedeutet Krieg.«

Auch Bötsch setzte sich in seiner Amtszeit für Kirchs Decoder ein. Welche Leistungen Möllemann, Waigel, Scholz und Gauweiler erbrachten, darüber kann bislang nur spekuliert werden. »Vielleicht spielt Loyalität da eine Rolle«, vermutet die Süddeutsche Zeitung. »Wer die Werte des Unternehmens teilt, so die einfache Regel, wird belohnt.«

Der Pate Kirch war aber vor allem ein Geschäftsmann. Das heißt, seine Millionen flossen dahin, wo es was zu holen gab, weshalb er nicht nur in Politiker investierte, sondern auch in Sportfunktionäre und Medienleute. Wilfried Scharnagl etwa, der langjährige Chefredakteur des CSU-Organs Bayerkurier und engste Vertraute des einstigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, kassierte vom Frühjahr 2000 bis zu Kirchs Insolvenz jährlich 360 000 Mark.

Weil Scharnagl zugleich Mitglied des ZDF-Fernsehrates war und das ZDF bei Kirch die Rechte an Spielfilmen einkaufte, könnte er jetzt Ärger bekommen. Denn in den Statuten des Fernsehrates steht ausdrücklich, dass ein Mitglied nicht zugleich bei einem privaten Fernsehveranstalter angestellt sein darf. Scharnagl verhinderte übrigens auch, dass Günter Struve Intendant des ZDF wurde. Dieser hatte in seinem früheren Job als Programmdirektor der ARD heftig gegen den Einkauf überteuerter Übertragungsrechte von Fußballspielen bei Kirch protestiert. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der dem Verwaltungsrat des ZDF vorsteht, kommentierte Scharnagls Fall mit den Worten: »Es riecht nach Korruption.«

Leo Kirchs Schmiergeldern ist es wohl auch zu verdanken, dass die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland stattfinden wird. 3,5 Millionen Dollar soll er dafür berappt haben. Um bei der entscheidenden Abstimmung auch die Stimmen von Malta, Tunesien und Thailand zu gewinnen, organisierte Kirch, der Süddeutschen Zeitung zufolge, in diesen Ländern Freundschaftsspiele des FC Bayern. Die Übertragungsrechte kaufte er dann teuer bei den jeweiligen Sportverbänden.

Nun streiten sich die Experten, ob es Kirch war, der die entscheidenden Stimmen organisierte, oder doch die Titanic, die damals mit Geschenkkörben samt Schwarzwälder Kuckucksuhren die Mitglieder der Fifa beschenkte. Das Organisationskomitee der WM bestreitet übrigens die unsauberen Geschäfte. Sowohl der Vorsitzende, Franz Beckenbauer, als auch sein Stellvertreter, Fedor Radmann, hatten gut dotierte Kommentatoren- bzw. Beraterverträge mit Kirch.

Von einem Freund des Hauses Kirch ist bislang nicht bekannt, dass er einen Beratervertrag hat: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Er war als Staatssekretär in der bayerischen Staatskanzlei Anfang der achtziger Jahre maßgeblich an der Entwicklung des neuen Mediengesetzes beteiligt und ermöglichte somit die Einführung des privaten Fernsehens in der Bundesrepublik. Seinem Spezl Leo Kirch schanzte er Frequenzen zu, und Kirchs Aufstieg zum Fernsehmogul konnte beginnen.

Später investierte Stoiber zwei Milliarden Euro in Anteile an der Hypo-Vereinsbank, was sich für Kirch ebenfalls bezahlt machte. Die Hypo und die halbstaatliche Bayerische Landesbank halfen dem angeschlagenen Konzern aus der Klemme. Inzwischen ist aber auch die Hypo-Vereinsbank in Schwierigkeiten geraten. Der Aktienkurs fiel auf ein Zehntel seines Höchststandes, den er vor fünf Jahren erreichte. 1,8 Milliarden Euro an Einlagen des Freistaates sind verpufft.