Weder Brücke
noch Esel

Polen und sein Irakeinsatz von anton landgraf

Der baldige Beitritt des »wunderbaren Polen« sei für alle Europäer ein »Grund zur Freude«, versicherte der französische Staatspräsident Jacques Chirac artig. Und auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder beteuerte am vergangenen Freitag brav, wie sehr er über das neue »Vollmitglied« in der Europäischen Union begeistert sei.

Dabei haben gerade Schröder und Chirac das frisch gebackene EU-Mitglied in den vergangenen Monaten nicht für voll genommen. »Sie haben eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten«, brüskierte Chirac noch im Februar die polnische Regierung wegen ihrer Solidaritätserklärung für US-Präsident George W. Bush, und drohte gar damit, den EU-Beitritt nicht »verantwortungsvoller Staaten« zu verhindern.

Davon ist zwar jetzt keine Rede mehr. Aber die Warnung ist in Warschau angekommen: Auf Dauer ist Polen auf die europäischen Hegemonialmächte im Westen angewiesen. Und trotz der Genugtuung über das Angebot, eine führende Rolle beim Irakeinsatz zu übernehmen, versucht die politische Klasse in Warschau nun zu beschwichtigen, wo es geht.

Adam Michnik, Herausgeber der größten polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, schlug kürzlich sogar einen »Verzicht« auf einen Irakeinsatz vor, um die Beziehungen zu den westlichen Nachbarn wieder zu verbessern. Und Janusz Reiter, ehemaliger polnischer Botschafter in Deutschland sowie Vorsitzender des Zentrums für internationale Beziehungen in Warschau, warnte in einem Gastbeitrag in der FAZ davor, dass Polen durch den Streit mit Deutschland und Frankreich »seinen europäischen Handlungsspielraum verlieren« könnte. Stattdessen solle es sein neu erworbenes Prestige dafür nutzen, um in der EU eine prominentere Rolle einzunehmen – und zwar ausgerechnet in der von Deutschland und Frankreich angestrebten Verteidigungsunion.

Tatsächlich besteht für Polen keine Alternative zur EU. Wer will schon eine Freihandelszone mit Weißrussland oder der Ukraine? Und selbst die hoch gelobte Freundschaft mit Washington kann auf lange Sicht kein Gegengewicht zu Brüssel bilden.

So verweist die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, ein außenpolitischer ThinkTank der Bundesregierung, auf die geringe wirtschaftliche Bedeutung der USA für Polen. Nur drei Prozent der polnischen Exporte gehen in die Vereinigten Staaten, aber 70 Prozent in die EU. Daher werde »Polens neue politische Lebenswirklichkeit als EU-Mitglied und seine Furcht, durch plumpen Pro-Amerikanismus in Europa an Einfluss zu verlieren, dazu beitragen«, freut sich die Stiftung in einer aktuellen Stellungnahme, »dass Polen sich nicht als Amerikas ›trojanischer Esel‹ (...) gebärden wird«.

Das wissen auch die meisten Polen, selbst wenn sie wegen der herben Bedingungen, die der Beitritt mit sich bringt, von der EU alles andere als begeistert sind. Eine knappe Mehrheit beim Referendum Anfang Juni gilt zwar als wahrscheinlich. Doch viele Polen glauben, dass sie zu große Zugeständnisse machen müssen. Das neue Verhältnis zu den USA und die Abgrenzung zu Kerneuropa kommt da gerade recht. Dass ihre Regierung nun selbstbewusster gegen die europäischen Hegemonen auftritt, könnte helfen, die Folge des Beitritts besser zu verkraften.

Mehr aber wird das alles vermutlich nicht bedeuten.

Der französische Staatspräsident Jaqcues Chirac ließ jedenfalls keine Zweifel aufkommen, wo die Grenzen sind. »Trotz aller Achtung vor den Polen«, erklärte er am Freitag in Wroclaw, »brauchen wir keine Brücke zwischen den USA und Europa.«