Brandt und andere Anschläge

in die Presse

Vom Rheinischen Merkur wird kolportiert, er habe 100 000 Käufer. Auf jeden Fall aber hat das Blatt interessantes Personal. Für sein Ressort »Christ und Welt« existieren etwa zwei verantwortliche Redakteure: der eine »ev.«, der andere »kath.«, was schon cool ist. Als »Diplomatischer Korrespondent« wird Dieter Kronzucker geführt, was bedeutet, dass der Mann so gut wie nie schreibt und folglich weiterhin eher auf N-24 erscheint. Dort wird er nicht gesehen, im Rheinischen Merkur würde er nicht gelesen. Und einen bemerkenswerten Herausgeberkreis hält sich der Rheinische Merkur. Steffen Heitmann, der um ein Haar Bundespräsident geworden wäre, was er nicht wurde, weil er seine Ansichten über Frauen und Familie zu früh äußerte, gehört dazu. Und Christa Meves, die schon gar nicht mehr unter den öffentlich Wahrnehmbaren gewähnte Theologin mit lustigen Ansichten.

Herr Heitmann meldet sich im Rheinischen Merkur am liebsten mit seinem Thema zu Wort, der DDR. Denn von der Familie versteht in diesem redaktionellen Umfeld Frau Meves mehr. Herr Heitmann schreibt also, warum es ganz schlimm ist, dass die DDR nun »der westdeutschen Unterhaltungsbranche« überlassen wird. Erst »Sonnenallee«, dann »Good Gye, Lenin«, und bald soll es noch einen Film geben, wo vielleicht auch gelacht wird. Heitmann schüttelt sich: »Geschmacklosigkeiten der alles vermarktenden Spaßgesellschaft«.

Frau Meves hingegen sorgt sich um andere Geschmäcker. Die »Befreiung der Sexualität« habe, kolportiert sie treudoof, zu den jüngsten Kindermorden geführt, und wer daran schuld ist, weiß sie auch. »Dieser Kurs, der mit der Brandt-Regierung begann und 1976 mit der Freigabe der ›einfachen Pornografie‹ in Deutschland festgeschrieben wurde«, war es, der alles möglich machte.

Doch selbst Zweifler, die nicht glauben wollen, dass Willy Brandt schuld ist am Kindermord, müssen doch eins zugeben. Den Erfolg des Rheinischen Merkur hat die Freigabe von Pornografie leider doch ermöglicht.

bruno engelin