Deutscher Knallkopf

ich-ag der woche

Einer, der seit nunmehr über 20 Jahren unermüdlich mit beachtlichem Erfolg daran arbeitet, immer unangenehmer zu werden, ist der Schlagersänger Heinz Rudolf Kunze. Man spreche es probehalber einmal laut aus: Heinz Rudolf Kunze. Aus Osnabrück. Genau so hört sich auch die Musik an, die der Mann straflos seit Jahrzehnten in Umlauf bringt. Als sei das aber noch nicht degoutant genug, forderte er 1996 die Radiosender auf, nicht länger tatenlos dem »Genozid an der deutschen Rockmusik« zuzusehen. Seitdem haben ihn gutmeinende Menschen wiederholt dazu ermahnt, sein Treiben einzustellen und zum Wohle aller zu schweigen. Gerade das aber tut er nicht.

In einem Interview, das er der Berliner Zeitung anlässlich des Erscheinens seines neuen Albums »Rückenwind« gab, beantwortete er die Frage, ob es ihm leicht falle, jährlich 15 neue Lieder zu schreiben, mit einer Drohung: »Ich schreibe sogar noch viel mehr. Ich könnte die Plattenfirma damit quälen, dass ich jedes Jahr drei Alben abliefere.« Dass er als »Botho Strauß des Rock’n’Roll« bezeichnet wird, betrachtet er als »Kompliment«. Und siehe da, mit dem Schriftleiter der selbstbewussten Nation, Botho Strauß, hat er tatsächlich einiges gemeinsam: das Deutschsein, das Deutschgefühl, den Deutschkopf. Wie die seines dichtenden Kollegen offenbaren auch Kunzes Erzeugnisse eine beängstigende Mischung aus Humorlosigkeit, Eitelkeit und Sinnhuberei, und beide teilen den Irrglauben, dass der prätentiöse und holprige Schwulst, den sie Jahr um Jahr ausstoßen, etwas mit Kunst zu tun habe und nicht mit dem Knall, den sie haben.

thomas blum