Ein Arbeitsplatz
an der Sonne

Streit um die EU-Präsidentschaft Von lucien maigret

Wenn man den ehemaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing in seiner Muttersprache reden hört, dann weiß man gleich, wie der Mann aussieht. Stimme, Gestus und Habitus passen so richtig zu dem Edelmann, der wie kein anderer für das elitäre System steht, nach dem die Verwaltung des französischen Staates aufgebaut ist. Für so jemanden beginnt die Geschichte nicht mit der Gründung der Fünften Republik und auch nicht mit der französischen Revolution. Mit Stolz blicken er und seinesgleichen auf das zurück, was vorher war: auf den Sonnenkönig, der mit seinem Gepränge Frankreich in den Mittelpunkt dessen rückte, was damals als zivilisierte Welt galt, und sich selber natürlich in den Mittelpunkt Frankreichs.

Die Bündelung der Staatsmacht in den Händen einer starken Zentralgewalt, die ihrerseits wiederum von einer mächtigen Einzelperson geführt wird, war seitdem ein Leitmotiv der französischen Politik. In keinem anderen EU-Staat wird die Idee des Föderalismus mitsamt ihren regionalistischen und separatistischen Auswüchsen bis heute so eindeutig zurückgewiesen wie in Frankreich.

Das passt sehr gut zu den Vorstellungen über die künftige Ausgestaltung der Europäischen Union, die Giscard als Präsident des Europäischen Verfassungskonvents mit an Sturheit grenzender Hartnäckigkeit gegen den Widerstand einer Mehrheit der Konventsmitglieder betreibt: Ein Präsident, wie Frankreich einen hat, soll die Geschicke der Union lenken. Möglichst soll er auch wie in Frankreich direkt gewählt werden, womit die Chancen der kleineren EU-Staaten, wie bisher gleichberechtigt an der Macht beteiligt zu werden, gegen Null tendierten. Damit das elitäre Element nicht zu kurz kommt, sollen nur frühere oder amtierende Regierungschefs wählbar sein

Giscard kommt zugute, dass der von ihm geführte Konvent sich einem tatsächlichen Problem gegenübersieht. Würde die Ratspräsidentschaft bei 25 EU-Staaten wie bisher halbjährlich rotieren, dann könnte von einer echten Teilhabe an der Macht auch keine Rede mehr sein. Alle dreizehn Jahre sechs Monate lang regieren – der Blick auf die vergangenen dreizehn Jahre lehrt, dass in einem solchen Zeitraum eine Menge passieren kann.

Es herrscht daher auch kein Mangel an weiteren Vorschlägen, wie die EU-Spitze künftig strukturiert sein soll. Schweden, Polen und Spanien legten einen Entwurf vor, nach dem das Rotationsmodell beibehalten werden soll, schlagen aber vor, dass jeweils mehrere Staaten sich die Präsidentschaft teilen. Die Benelux-Staaten wichen von ihrer strikten Ablehnung einer ständigen Ratsspitze ab und schlugen vor, dem Rat für Äußeres und dem für Allgemeine Angelegenheiten hauptamtliche Präsidenten vorzusetzen.

Ein Vorschlag, dem sich Deutschland umgehend anschloss, war doch der heißeste Kandidat für den Posten im Außenrat sogar im Raum: Außenminister Joseph Fischer, der es durch geschickte Arbeit im Hintergrund und absichtsvolles Schweigen geschafft hat, die wichtigen Staaten Frankreich und Polen von seiner Eignung für die simultane Nachfolge Xavier Solanas und Christopher Pattens zu überzeugen. Ob ihm das etwas nützt, wird sich spätestens nächstes Jahr zeigen, wenn der Streit erst so richtig aufflammen dürfte. Dann geht es nämlich auch offiziell um Personalfragen.