Kraut, gekaut

Neues Altes von S.Y.P.H.

1980 sangen die Fehlfarben, gerichtet an die Adresse aller alten Hippies: »Ihr kommt nicht mit bei unseren Änderungen.« Womit sie einmal mehr die besondere Differenz ihres neuen Rock zu der damals gerade mal vier, fünf Jahre zurückliegenden Hippieära betonten. Auf wie viel Selbstermächtigung und auf wie wenig musikalischer Substanz dieses Statement beruhte, machen besonders schön S.Y.P.H.s »Harbeitslose«-Sessions aus dem Dezember 1981 deutlich, die nun wieder veröffentlicht wurden.

1982 erschienen diese Sessions verstreut auf zwei Tonträgern und einigen Kassetten-Compilations. Die Wiederveröffentlichung auf CD versammelt nun erstmals die gesamten Aufnahmen aus dieser Ära.

S.Y.P.H. aus Solingen und Düsseldorf, hervorgegangen aus der Band Mittagspause, eng verwandt mit den Fehlfarben, deren Gitarrist Uwe Jahnke mit S.Y.P.H.-Mastermind Harry Rag federführend an diesen Aufnahmen beteiligt war, spielen hier eine Musik, die sich nur graduell von den Krautsessions von Can und Faust um 1973 herum unterscheidet.

In den siebziger Jahren war das Soundideal vielleicht noch ein wenig anders – fetter, großspuriger, ausladender musste es klingen. Die Produktionsbudgets von Krautrock-Epen waren noch so richtig großzügig bemessen. S.Y.P.H. geben sich dagegen ausgedünnt und ausgezehrt. Das Fahrige, Nervöse und Unkonzentrierte ihrer Musik resultiert nicht aus dem Konsum bewusstseinserweiternder Drogen (jedenfalls nicht primär), sondern eher aus einer Art Geldmangel, für den man sich mehr oder weniger bewusst frei entschieden hat.

Dennoch lassen auch S.Y.P.H. die wildesten Hippieblumen blühen: formlose Musik (keine einzige Songidee wird ausformuliert), permanentes Gitarrengeschrängel (das in seinem sperrigen Sound noch am ehesten an Punk erinnert), beknackte Studiospielereien (Echo, rückwärts laufende Spuren), derilierender, oft unverständlicher Gesang, Schlagzeug (Gilbert Hetzel) und Bass (Thomas Oberhoff) arg neben der Spur. Das wirkt lieblos, dies jedoch mit voller Absicht.

Im Gegensatz zum opulenten, auf Dauer aber ordinären Krautrock-Fest, ist die »Harbeitslose«-Musik Resteessen. Interessanterweise wird durch dieses Knochenabnagen S.Y.P.H.s Musik wieder besonders authentisch und unmittelbar, geradezu »entwaffnend ehrlich« – alles Attribute, die der Pop-Diskurs der achtziger und neunziger Jahre sonst dem verhassten Siebziger-Jahre-Rock zuschreibt. Es sind die wenigen halbwegs verständlichen Texte, die zudem einen Korrektheits-Diskurs cool und schnoddrig verhöhnen, die die entscheidende Trennlinie zwischen sich und den Gutmensch-Hippies markieren.

Im Produktinfo zur CD kann man lesen, dass die damals neu formierte Band für die vorliegenden Sessions nicht geprobt und die Stücke in einem Rutsch aufgenommen habe. Also doch Punk? Ach was, Amon Düül I haben auch nie geprobt. Dass S.Y.P.H. sich gerne von Cans Holger Czukay, einem anderen Krautrockkumpel produzieren ließen, ist da nur folgerichtig. Verstehen wir uns nicht falsch: Can und Faust waren zwei rotzfrech geniale Bands. Dass S.Y.P.H. sich auf »Harbeitslose« als deren verarmte Verwandtschaft gebärden, spricht nicht gegen sie.

felix klopotek

S.Y.P.H.: »Harbeitslose« (Fuenfundvierzig/

Indigo)