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»Verschwende deine Jugend«

Es wird wohl die Hoffnung gewesen sein, etwas von der Popularität und der Credibility des Buches abzustauben, die den 27jährigen Filmemacher Benjamin Quadbeck getrieben hat, seinen Film nach Jürgen Teipels Band »Verschwende deine Jugend« zu benennen. Doch fehlt ihm so ungefähr alles, was das Buch interessant gemacht hatte.

Jürgen Teipels Oral History »Verschwende deine Jugend« (der Titel zitiert ein DAF-Stück) über Punk und NDW in Düsseldorf, Berlin und Hamburg in den frühen Achtzigern bezog ihre Credibility aus dem Anschein von Authentizität. Er war früher nun mal dabei und hat sich mit allen wichtigen Protagonisten der Zeit unterhalten. Was macht aber ein kommender deutscher »Regie-Star« (Neon), der damals gerade mal sechs Lenze zählte?

Seine Geschichte subversiver Popbewegungen spielt im Jahre 1981 in München. Dort arbeitet der 19jährige Harry (Tom Schilling) nicht nur bei einer Bank, sondern auch an der Karriere von Apollo Schwabing, der Band seiner Freunde Vince (Robert Stadlober) und Melitta (Jessica Schwarz). Die lesen nämlich die Musikzeitung Sounds und wollen ganz dolle Popstars werden. Da sie bisher nicht über Auftritte in den lokalen Gemeindezentren hinausgekommen sind, mietet Harry sich das Zelt vom Zirkus Krone, um dort seine Kumpels mit den legendären DAF auftreten zu lassen. Nur, tja, DAF wissen noch nichts von ihrem Glück.

Es passiert, was passieren muss, wenn deutsche Schauspiel- und Musikfernsehsternchen und eine durchschnittlich nette, potenziell überflüssige Jugendgeschichte zusammenfinden: Es entsteht ein im besten Falle ganz okayer Film. Hauptdarsteller Tom Schilling macht ein paar Punkte gut, weil sein unprätentiöses Spiel den netten Jungen von nebenan glaubhaft werden lässt. Mit Hundeaugen und Clash-Krawatte kommuniziert er ein bisschen was von der Tragik, die Lebensentwürfe urbaner Jugendbewegungen in spießigen Städten realisieren zu wollen. Das zweite Highlight sind die Szenen mit der Band DAF. Da gibt es diesen wunderbar wahnsinnigen Manager (Steffen Jürgens), und DAF werden lässig als latent schwules Pärchen inszeniert, das sich während eines Interviews im Hotelbadezimmer die Zehennägel schneidet.

Der Rest ist typisch deutsches Kino, bestehend aus einer banalen Liebesgeschichte mit einem Öko-Mädchen, das sich oppositionell zum Star-System verhält, und einer übersichtlichen Odyssee eines pubertierenden Träumers. Historische Abläufe interessieren den Film nicht, z.B. dass die Neue Deutsche Welle sich zunächst an avantgardistischen oder Punk-affinen Vorbildern orientierte, bevor sie als deren kommerzielle Verwässerung durch die Hitparaden schwappte.

»Verschwende deine Jugend« negiert alles, was die Achtziger-Jahre-Popkultur in Zentren wie Berlin und Düsseldorf einmal spannend gemacht hat. Das Anarchisch-Chaotische findet in diesem Film nicht statt. Mehr als ein paar gelangweilte Kids mit pseudo-hippen Rockstar-Phantasien und ihren alltäglichen Problemen ist nicht zu sehen. Letztlich geht es nicht um ein anderes Leben, sondern nur um ein bisschen Schwärmerei.

tim stüttgen

»Verschwende deine Jugend«, D 2003.

R: Benjamin Quabeck; Start: 3. Juli