33 Euro

Der TV-Nova-Deal

In einer bis zum Exzess entwickelten Marktwirtschaft ist die Frage, wem eigentlich was gehört, oft nicht so einfach zu beantworten. Auch im Medienbereich sind die Besitzverhältnisse oft unübersichtlich. In Tschechien, das ab nächstes Jahr EU-Mitglied sein wird, gilt diese Regel neuerdings ebenso. Eigentlich wäre das bei jeder Schraubenfabrik egal, doch wenn jahrelang völlig ungewiss ist, wem des Landes größter privater Fernsehsender, TV Nova, tatsächlich gehört, so wird die Sache zur Staatsaffäre.

Alles begann damit, dass Ronald Lauder, der Erbe des gleichnamigen Kosmetikkonzerns, vor Jahren genug hatte von der Beschäftigung mit der Dermatologie und in Prag ins Mediengeschäft einstieg: TV Nova war geboren und wurde binnen kürzester Zeit dank enger Bindung des Programms an die niedrigsten Instinkte des marktrelevanten Publikums zum erfolgreichsten privaten Fernsehsender Europas.

Zu seinem Statthalter in der goldenen Stadt bestimmte Ronald Lauder, der zeitweilig auch amerikanischer Botschafter in Wien war, den Tschechen Vladimir Zelezny. Dieser begann Gefallen an dem Gedanken zu finden, Politiker aller Parteien durch seinen medialen Einfluss unter Druck zu setzen. Sowohl privat als auch beruflich. Als etwa sein Sohn ein Gerichtsverfahren am Hals hatte, weil ihm vorgeworfen wurde, eine junge Frau vergewaltigt zu haben, soll Zelezny – so behaupten böse Zungen – die zuständigen Politiker mit sanftem Druck dazu angehalten haben, Milde walten zu lassen. Auch geschäftlich nutzte er die Segnungen zweistelliger Einschaltquoten, um sich von allen Sorgen frei zu senden: 1999 brachte er die staatliche Rundfunkkommission dazu, ihm persönlich die Sendelizenz für TV Nova zu erteilen. Dadurch hatten der eigentliche Besitzer, Ronald Lauder, und seine Central Media Enterprises (CME) plötzlich den Zugriff auf den Sender verloren.

Vor einem Monat nun wurde Zelezny von seinem amerikanischen Arbeitgeber als Generaldirektor von TV Nova gefeuert. Doch sein Versuch, Lauder zu hintergehen, kostete letztlich den tschechischen Staat eine Menge Geld. Ein internationales Schiedsgericht entschied nämlich im Mai, dass Tschechien an die CME Lauders eine Entschädigung von rund 400 Millionen Euro zu zahlen hat. Jeden Einwohner Tschechiens kostet also Zeleznys Husarenstück etwa 33 Euro.

Der Schiedsspruch erfolgte durchaus zu Recht, denn die staatliche und von der Regierung eingesetzte Rundfunkkommission hätte die Eigentumsverhältnisse von TV Nova überprüfen müssen, bevor sie die Sendelizenz einem Mann gibt, der nicht der Haupteigner des Senders ist, sondern eben bloß Generaldirektor.

Selbst der nunmehrige Chef der staatlichen Rundfunkkommission, Petr Pospichal, musste jetzt in einem Interview mit der in der tschechischen Hauptstadt erscheinenden Wochenzeitung The Prague Post eingestehen, dass »es eines der größten Medienprobleme dieses Landes ist«, dass niemand weiß, wem TV Nova und der zweite private Sender TV Prima gehören. So gemein kann Marktwirtschaft eben sein.

martin schwarz