Das ABC des Freihandels

Bei seinem ersten Besuch in Afrika pries US-Präsident Bush ein Aids-Hilfsprogramm. Im Hintergrund schwelt der Streit um Kopien patentierter Medikamente. von alex veit
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George W. Bush war in der vergangenen Woche auf einer Mission. »Ich glaube, Gott hat uns zum Handeln berufen. Unser Land trägt eine Verantwortung, wir sind eine große Nation, wir sind eine reiche Nation, wir tragen eine Verantwortung gegenüber einem Nachbarn in Not und Brüdern und Schwestern in einer Krise«, erklärte der US-amerikanische Präsident während eines Besuchs in einem Aids-Behandlungszentrum am Ufer des Viktoriasees in Uganda. Vier Stunden dauerte sein Aufenthalt in dem ostafrikanischen Land, während dem er die Erfolge der dortigen Regierung in der Aids-Prävention lobte und eine geeignete Bühne zur Darstellung des eigenen humanitären Engagements fand.

Die im Januar angekündigte Hilfe, die 15 Milliarden US-Dollar für die Aids-Behandlung und Prävention in einem Dutzend afrikanischer und zwei karibischer Staaten vorsieht, war das wesentliche Thema in den Reden des Präsidenten während seiner einwöchigen Reise nach Senegal, Südafrika, Botswana, Uganda und Nigeria, die am Samstag zu Ende ging. Insbesondere in Uganda konnte er mit seinen religiösen Anspielungen auf Verständnis hoffen, denn die dortige Regierung unter Präsident Yoweri Museveni und vor allem dessen von christlichen Motiven geleitete Frau Janet betonen seit Jahren, wie wichtig sexuelle Enthaltsamkeit im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit ist. A wie Abstinenz und B wie Behaviour Change (Verhaltensänderung), C wie Condoms (Kondome) oder D wie Die (Stirb) sind die Kurzformeln für das erfolgreichste Präventionsprogramm in Afrika, das die Neuinfektionen mit dem HI-Virus in Uganda stark verringert hat.

Das Geld aus den USA soll nun dazu beitragen, ähnliche Programme auch in anderen afrikanischen Ländern durchzuführen, in denen die Verbreitung der Krankheit nicht nur eine menschliche Tragödie ist, sondern auch die wirtschaftliche und politische Entwicklung bedroht.

Ungünstig für Bushs Darstellung der eigenen Politik war nur, dass wenige Stunden vor seinem religiösen Bekenntnis im US-Repräsentantenhaus ein Streit über das amerikanische Aids-Programm entstand, in dem demokratische Abgeordnete dem Präsidenten vorwarfen, die eigenen Versprechen von Beginn an nicht zu erfüllen. Denn die republikanische Mehrheit im zuständigen Ausschuss reduzierte bereits die erste Rate des auf fünf Jahre angelegten Programms von drei auf nur zwei Milliarden Dollar. Die demokratische Politikerin Nita Lowey warf Bush vor, sich nicht ausreichend für die vollständige Finanzierung des Programms eingesetzt zu haben und nannte seine Initiative »einen Schwindel«.

Auch die Regierung in Botswana, wo nach Schätzungen bereits knapp 40 Prozent der Bevölkerung HIV-infiziert ist, zeigte sich enttäuscht. Gesundheitsministerin Joy Phumaphi erklärte, dass wegen der schleppenden Bereitstellung des Geldes bereits ein Programm zur Bekämpfung der Übertragung des Virus von Müttern auf ihre Kinder verkleinert werden musste. »Wir mussten kürzen, denn die Gelder sind nicht so umfangreich wie benötigt. Wir brauchen die Hilfe schon gestern.«

Im Hintergrund des US-amerikanischen Aids-Programms spielt sich der Streit über das internationale Patentrecht für Medikamente ab, das auf Wunsch der USA im Rahmen der WTO bei ihrem Treffen im mexikanischen Cancun verschärft werden soll. Bei der Doha-Runde 2001 war es zu keiner Einigung gekommen, weil afrikanische Staaten sich gegen Regelungen gewehrt haben, die ihnen die Einfuhr von Generika, Kopien patentierter Medikamente, verboten hätten. Die US-Regierung versucht seit langem, Einfuhr und Produktion von Anti-Aids-Generika in Afrika zu unterbinden, um die heimische pharmazeutische Industrie zu schützen.

Nun soll das Geld genügend Anreiz bieten, damit afrikanische Staaten auf die billigen Generika verzichten. Allerdings kann sich ohnehin nur ein Bruchteil der an Aids erkrankten Afrikaner die antiretroviralen Medikamente leisten.

In Uganda etwa erhalten von einer Million Infizierten nur 10 000 die lebenserhaltenden Medikamente, die trotz des Preissturzes in den letzten Jahren noch immer 26 US-Dollar pro Monat kosten. Das ugandische Gesundheitsbudget stellt jährlich theoretisch 3,50 Dollar pro Einwohner zur Verfügung. Angesichts dieser Lage erklärte Francis Omaswa aus dem ugandischen Gesundheitsministerium anlässlich des Besuchs von George W. Bush der regierungseigenen Zeitung New Vision: »Wir gehören zu den Ländern, die Generika importieren. Die öffentliche Meinung ist, dass die Hersteller ein menschliches Antlitz zeigen sollten. Wir versuchen, so schnell wie möglich mehr Menschen mit den Medikamenten zu versorgen.«

Das Verbot von Generika könnte auch Teil eines Freihandelsvertrages zwischen den USA und Ländern im südlichen Afrika sein, einem weiteren Gesprächsthema während Bushs Reise. Während der Amtszeit von Präsident Bill Clinton verabschiedete der US-Kongress den African Growth and Opportunity Act (Agoa), der vielen Ländern die zollfreie Einfuhr von Handelsgütern in die USA erlaubt. Vor allem Südafrika, das als eines der wenigen afrikanischen Länder über eine nennenswerte verarbeitende Industrie verfügt, profitierte von dem Gesetz. Inzwischen sind die USA der wichtigste Außenhandelspartner Südafrikas.

Doch nun würde Washington statt Agoa ein festes Freihandelsabkommen zwischen der Zollunion im südlichen Afrika (Sacu) und den USA bevorzugen, denn unter Agoa genießen die Afrikaner einseitig Handelsvorteile, ohne den eigenen Markt vollständig öffnen zu müssen. Die Südafrikaner aber sperrten sich bislang gegen ein solches Abkommen. Darin müssten sie möglicherweise nicht nur Generika aufgeben, sondern auch US-amerikanischen Firmen den Erwerb von privatisierten Staatsbetrieben erlauben. Das Privatisierungsprogramm in Südafrika dient aber unter anderem dazu, Betriebe in die Hände von schwarzen Südafrikanern zu geben. Denn auch zehn Jahre nach dem Ende der Apartheid besitzt die weiße Minderheit im Land den Großteil der Produktionsmittel.

Um den Freihandel ging es auch in Nigeria, das trotz der umstrittenen Innenpolitik der Regierung von Präsident Olusegun Obasanjo zu den wichtigsten Verbündeten der USA in Afrika zählt. Für die meisten europäischen Medien war ohnehin klar, welchen Zweck die Reise von Bush hatte: Öl.

In den letzten Jahren wurden vor der Küste Westafrikas umfangreiche Ölfelder entdeckt. Seitdem gibt es eine intensive Konkurrenz US-amerikanischer und europäischer Konzerne um die Lizenzen zur Ausbeutung dieser Ressourcen. Bush selbst antwortete auf die Frage, ob seine Reise nicht hauptsächlich der Sicherung dieser Vorkommen diene: »Überall Verschwörungstheoretiker, denke ich. Das ist eine der erstaunlichsten Verschwörungen, von denen ich gehört habe.« Allerdings spielt das westafrikanische Öl in den Planungen des US-Energieministeriums tatsächlich eine große Rolle. Sie sehen die Erhöhung des Importanteils afrikanischen Öls bis 2015 von bislang 15 auf 25 Prozent vor.

Die westafrikanische Großmacht Nigeria spielt in der Verteilung der Ölvorkommen eine Schlüsselrolle, denn das Land übt großen Einfluss auf die Stabilität der gesamten Region aus. Dementsprechend debattierten Bush und sein nigerianischer Kollege auch über die bevorstehende militärische Intervention im liberianischen Bürgerkrieg. Die westafrikanische Gemeinschaft Ecowas beschloss inzwischen die Entsendung von 1 500 Soldaten in der nächsten Woche, von denen Nigeria einen Großteil stellen wird. Ob sich die USA den Wünschen der Ecowas entsprechend an dieser Intervention mit Bodentruppen beteiligen werden, gab Bush bis Redaktionsschluss allerdings nicht bekannt.