Das Ende einer Reise

Die erste eigenständige EU-Militäroperation in Mazedonien steht vor dem Aus. von markus bickel

Mit großen Worten hatte Javier Solana den ersten eigenständigen Militäreinsatz der EU Ende März in Skopje angekündigt. »Dies ist der Beginn einer langen, aber schönen Reise«, erklärte der Hohe Repräsentant der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zum Start der Operation »Concordia«. Doch nur vier Monate später steht die Mission offenbar vor dem Aus. Zwar beschlossen die EU-Außenminister vorige Woche die Verlängerung des Einsatzes bis zum 15. Dezember. Die 300 auf den Südbalkan entsandten EU-Soldaten werden aber kaum über das Jahresende hinaus in Skopje und Umgebung stationiert bleiben, wie Solanas Sprecher François Head gegenüber der Jungle World einräumte.

Ursprünglich sollte das Mandat der EU-Militäroperation (Eufor) bereits am 30. September auslaufen. Das wäre jedoch für Solana und andere EU-Militärstrategen dem Eingeständnis gleich gekommen, mit dem Versuch, eine Operation unabhängig von Strukturen der Nato oder den USA zu führen, gescheitert zu sein. Schließlich hatten EU-Politiker Eufor stets als Testfall für die Übernahme der von der Nato geführten Bosnien-Schutztruppe im Frühjahr 2004 bezeichnet. Also übte Brüssel erheblichen Druck auf die mazedonische Regierung aus, bis diese einer Verlängerung zustimmte.

Die Soldaten aus den 15 EU-Staaten und rund einem Dutzend weiteren Ländern lösten Ende März die Nato-Mission »Allied Harmony« ab, die seit Abschluss des Friedensabkommens im August 2001 den Waffenstillstand überwacht hatten. Mit dem Wechsel an der Spitze des Kommandos sollte nicht zuletzt dem deutsch-französischen Streben nach einer eigenständigen EU-Militärpolitik endlich Rechnung getragen werden. Als Oberkommandierender der Truppen vor Ort wurde im Frühjahr der französische General Pierre Maral eingesetzt, während der Deutsche Rainer Fest von Brüssel aus die Operation überwacht.

Für Solana stellte die Ablösung an der Spitze der Mazedonienmission seinerzeit kein Anzeichen für eine Entfremdung zwischen Nato und EU dar, obwohl die Führung des Nordatlantikpakts dem Drängen der EU-Regierungen, zum ersten Mal unter eigener Regie Truppen in einen Einsatz zu schicken, erst nach Monaten nachgegeben hatte. »Das heißt nicht, dass nun die EU drin und die Nato draußen ist«, so Solana Ende März, »sondern dass die beiden Organisationen gemeinsam einfach stärker sind – hier in Mazedonien ebenso wie an anderen Orten.«

Mazedoniens Präsident Boris Trajkovski hatte vorige Woche ebenfalls auf ein Auslaufen des EU-Mandats zur Überwachung des 2001 vereinbarten Waffenstillstandes gedrängt. Um die Chancen auf einen EU-Beitritt nicht weiter zu verschlechtern – die Unterzeichnung eines Immunitätsabkommens für US-amerikanische Peacekeeper vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag im Juni durch die mazedonische Regierung hatte bereits für Unmut in Brüssel gesorgt – will man jedoch der Entsendung einer kleinen EU-Polizeieinheit die Zustimmung erteilen, die nach dem Ende der Militärmission im Land stationiert bleiben soll. Ob diese nach dem Vorbild der unbewaffnet operierenden EU-Polizeimission in Bosnien-Herzegowina lediglich die lokalen Polizeikräfte überwachen wird, sei noch nicht entschieden, erklärte der Sprecher von Solana.

Von dem hohen Anspruch, sich nach dem Irakkrieg als militärisch handlungsfähiges Bündnis gegenüber den USA und ihren Verbündeten präsentieren zu können, müssen sich die Regierungen in Paris und Berlin wohl vorerst verabschieden. Wenig schmeichelhaft fällt nach etwas mehr als hundert Tagen das Urteil für die militärischen Fähigkeiten der Union auch innerhalb der Eufor-Führung in Skopje aus. So verweist Sprecher Peter Sykora zur Verteidigung auf die geringen Anforderungen, die die Regierung in Skopje an die Eufor-Einheiten gestellt habe, räumt aber ein, dass man bei der EU-Kongo-Mission »Artemis« mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen müsse. Berichte der Brüsseler Wochenzeitung European Voice von voriger Woche, wonach im kommenden Jahr ein weiterer EU-Militäreinsatz zur Stabilisierung der Situation in Moldawien geplant sei, wollten offizielle Stellen angesichts der offensichtlichen Überforderung, die bereits bei dem Minieinsatz in Mazedonien zu Tage trat, daher auch nicht bestätigen.

Begeistert von den ersten militärischen Gehversuchen der EU war bei der Nato ohnehin niemand. Der Sprecher von Nato-General Alvarez del Manzano, der in Skopje an der Spitze des Kosovo-Nachschubkontingents steht, deutete an, dass die Unterstützung des Pakts für die erste EU-Operation unter eigenem Kommando vorerst am Ende sei. »Die Nato ist wieder der wichtigste Spieler im Land«, erklärte Craig Ratcliff der Jungle World. Noch heute sind Nato-Soldaten in Mazedonien abgestellt, um die nur mit leichten Waffen ausgestatteten EU-Einheiten im Notfall zu evakuieren oder mit schwererem militärischen Gerät zu schützen. EU-Militärs in Skopje räumten ein, dass sie ohne Zutun der Nato kaum adäquat auf Krisen reagieren können. Der Beschluss der EU-Außenminister zur Verlängerung der Mission bis Dezember kam ebenfalls erst zustande, nachdem die Nato-Führung Mitte Juli ihre Zustimmung erteilt hatte.

Sonderlich eigenständig war es also ohnehin nicht, was da als Operation »Concordia« unter den misstrauischen Augen der Nato und des Pentagon in Mazedonien in den vergangenen Monaten ablief. Dem Vorgehen lag eher der politische Wille Solanas sowie der Regierungen von Frankreich und Deutschland zugrunde, dem nach dem Kosovo-Krieg gefassten ehrgeizigen Beschluss, bis Ende 2003 eine von den Nato-Strukturen unabhängige einsatzfähige Armee auf die Beine zu stellen, auch Taten folgen zu lassen. Weil es bei der Aufstellung der Schnellen Eingreiftruppe nicht so schnell voran ging wie gewünscht, musste eben die Mission in Mazedonien als Testfall herhalten.

Unklar ist allerdings weiterhin, wer die Eufor-Einheiten nach Auslaufen des bisherigen Mandats bis Mitte Dezember führen soll. Ohne ihren Beschluss näher zu begründen, hatte die Regierung in Paris vor zwei Wochen angekündigt, keinen Nachfolger für General Maral ernennen zu wollen. Dabei gilt Frankreich neben Deutschland, Belgien und Luxemburg als stärkster Förderer einer europäischen Militärpolitik. Auf der Ratssitzung in Brüssel wurde in der vergangenen Woche eine Übernahme des Kommandos durch die 1995 von Italien, Spanien und Portugal eingerichtete Schnelle Eingreiftruppe nicht ausgeschlossen. Womit das Kommando über die erste EU-Militäroperation ausgerechnet in die Hände der größten Unterstützer einer Zusammenarbeit mit den USA fiele.