Gelbes Feuer

Göttinger Möllemann-Fans auf Abwegen

Thorsten Peters (Name geändert) staunte nicht schlecht, als er am frühen Morgen des 20. Juli im Keller eines Studierendenwohnheims in Göttingen durch Geräusche und Stimmen geweckt wurde. Er hatte in den Räumen übernachtet, um eine Ausstellung über die Besetzung des AStA-Gebäudes im Frühjahr zu bewachen. Die Ausstellung wurde dort anlässlich eines linken Straßenfestes am Samstag der vergangenen Woche gezeigt.

Plötzlich stand Nicolo Martin vor ihm, der 27jährige Vorsitzende des Göttinger FDP-Kreisverbandes. Nach einem kurzen Streit habe Martin die Flucht ergriffen, gab Peters später der Polizei zu Protokoll. Aus einem anderen Raum kommend, sei schließlich der 23jährige Moritz Strate, ein Parteifreund Nicolo Martins, an ihm vorbeigerannt und ebenfalls geflohen.

In diesem anderen Zimmer entdeckten die alarmierten Hausbewohner dann einen Schwelbrand. Er konnte gelöscht werden, ein größerer Brand blieb den Hausbewohnern erspart. Martins und Strates Version der Geschichte hingegen lautet so: Sie hätten das Feuer bemerkt und versucht, es zu löschen. Aus Angst vor Gewalttätigkeiten der linken Hausbewohner hätten sie die Flucht ergriffen. Die Polizei verdächtigt die beiden FDPler indes, durch ein offenes Kellerfenster in das Haus eingedrungen zu sein und dort Feuer gelegt zu haben. Die Staatsschutzabteilung der Göttinger Polizei übernahm die Ermittlungen.

Diese Ereignisse gefährden eine politische Karriere in Göttingen, wie sie dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle gefallen müsste. Nicolo Martin, ein smarter Student der Wirtschaftspädagogik, war bereits mit 26 Jahren nicht nur Kreisvorsitzender seiner Partei, sondern auch Finanzreferent des Asta und Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe (LHG). Als Bundestagskandidat für den Wahlkreis Göttingen konnte er im vergangenen Jahr eines der besten Ergebnisse der Göttinger FDP seit Jahrzehnten erzielen.

Martin gehört zum Möllemann-Flügel seiner Partei. Möllemanns Konterfei beherrschte im Bundestagswahlkampf die Plakate der Göttinger FDP. Selbst nach dem Rücktritt von seinen Ämtern hielt Martin ihm die Treue und warb für die Kampagne »Möllemann muss bleiben«.

Auch der zweite Tatverdächtige, Moritz Strate, ist in Göttingen kein Unbekannter. Bei den Wahlen zum Studierendenparlament trat er in diesem Jahr als Kandidat der Freiheitlich Demokratischen Liste (FDL) auf. Furore machte die FDL mit ihren Forderungen: Abschaffung des Studierendenrates ausländischer Studenten und des Schwulen/Lesbenreferats der Universität; Stopp der Finanzierung von Deutschkursen für Ausländer und Vertreibung von Obdachlosen vom Universitätsgelände durch einen privaten Sicherheitsdienst.

Die FDL brachte es sogar zu einer Anzeige wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Als Gruppensymbol hatten sich Strate und seine Freunde die Flamme des französischen Front National ausgesucht, die dem Zeichen der seit 1989 verbotenen Neonazi-Vereinigung Nationale Sammlung zum Verwechseln ähnlich sieht.

Doch der nun zu erwartende Karriereknick ist bei weitem nicht das größte Problem der beiden Liberalen. Wenn sich ein Richter der Auffassung des Anwalts der Hausbewohner, Johannes Hentschel, anschließt, es habe sich um eine versuchte schwere Brandstiftung gehandelt, droht ihnen eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr.

jan langehein