Mit Gewalt im Regenwald

Im Nordosten Ecuadors hat eine kanadische Firma mit der Erdölförderung begonnen. von caroline ausserer

Ohne den amazonischen Regenwald wäre die Luft auf der gesamten Erde um einiges schlechter. Er bedeckt eine Fläche von mehr als fünf Millionen Quadratkilometern, fast 50 Prozent der Landesfläche Ecuadors sind von ihm bedeckt.

Die Region Cuyabeno im Nordosten Ecuadors wurde bereits im Jahr 1979 zum Tierschutzgebiet erklärt. Sie umfasst mehr als 600 000 Hektar, wovon der überwiegende Teil im Jahr 1999 wegen der hohen Biodiversität unter dem damaligen Präsidenten Jamil Mahuad zur so genannten unberührten Zone (»zona intangible«) erklärt wurde. Das bedeutet, dass jede Art der kommerziellen Ausbeutung des Regenwalds verboten ist und dass die territorialen und kollektiven Rechte der dort ansässigen indigenen Gemeinschaften besonders geschützt sind.

Leider gilt das nicht für die gesamte Region, da die ecuadorianische Regierung bereits in den siebziger Jahren die Genehmigung zur Erdölförderung für ein 60 000 Hektar großes Gebiet erteilte, das sich zum Teil mit dem Naturschutzgebiet überschneidet.

Die kanadische Erdölfirma Encana, ehemals Alberta Energy Company, hat bereits mit den ersten seismographischen Tests auf der Suche nach dem Öl begonnen und erste Spuren im Regenwald hinterlassen. Man sieht nackte Erdhügel an hellen Lichtungen im ansonsten düsteren Regenwald. Im Abstand von jeweils 50 Metern hat Encana eine Linie quer durch das Tierschutzgebiet gezogen, völlig legal. Denn der Widerspruch zwischen der Erlaubnis, in diesem Gebiet nach Erdöl zu bohren und zu diesem Zweck auch Sprengungen durchzuführen, und der Tatsache, dass es sich dabei um eine geschützte Zone handelt, wurde bis heute nicht gelöst.

»Wir rechnen mit etwa fünf Explosionen pro Hektar, das würde etwa 100 000 Explosionen bedeuten«, schätzt Julio Gonzalez, ein Abgeordneter der Partei Pachakutik, die seit den Neuwahlen im Dezember mit dem MPD (Movimiento Popular Democrático) koaliert und in der Regierung vertreten ist. »Für uns bedeutet die bisherige Erdölpolitik Abholzung und Verschmutzung der Umwelt«, klagt der Abgeordnete. Ein Besuch des neuen Präsidenten Ecuadors, Lucio Gutierrez, bei George W. Bush im Februar zeigte, dass die bisherige Politik beibehalten werden soll. Ausländische Investitionen in die Ölförderung sollen weiterhin das Problem der hohen Auslandsschulden lösen.

»Immer hieß es, Erdöl bringe Fortschritt und Reichtum. Doch das ist eine Lüge. Vor dem Beginn der Erdölförderung in Ecuador betrugen die Auslandsschulden 344 Millionen Dollar. Im Jahr 2000 sind sie auf 16 400 Millionen Dollar angestiegen. Dies bedeutet, dass wir uns in der Zeit des so genannten Reichtums in großem Maß verschuldet haben.« So spricht die Umweltexpertin Alexandra Almeida von der NGO Acción Ecológica. Sie plädiert dafür, die Sonnenenergie zu nutzen und die Erdölförderung einzustellen. Das Erdöl habe für Ecuador Armut und Umweltverschmutzung mit sich gebracht.

Darunter leiden insbesondere die Menschen, die in den Gebieten ansässig sind. Nicht nur nimmt die Armut in den Gebieten zu, in denen Erdöl gefördert wird. Eine Studie der Acción Ecológica in insgesamt 80 von der Erdölförderung betroffenen Gemeinden ergab außerdem, dass 96 Prozent der Befragten unter Hautallergien leiden, drei von vieren unter Atembeschwerden, 64 Prozent beklagen Verdauungsbeschwerden und fast jeder Zweite hat Augenprobleme. Außerdem sei in den befragten Familien mindestens ein Familienmitglied an der Verschmutzung durch die Erdölausbeutung gestorben.

Dabei trifft es fast immer die Jüngsten. Die Hälfte der Verstorbenen sind Kinder unter 14 Jahren. Die Studie ergab, dass die durchschnittliche Krebsrate in den nordöstlichen Provinzen Ecuadors, Orellana und Sucúmbios, dreimal so hoch ist wie in den übrigen Gebieten des Landes. Proteste der Betroffenen bei den Erdölfirmen werden entweder von paramilitärischen Einheiten unterdrückt oder aber es gibt Versprechen, die nie eingelöst werden.

Einige der typischen Kennzeichen dieser Zonen sind zerfallene Häuser ohne Wasser und Strom; Kinder, die am Rand der vielen Oleodukte spielen; abgeholzte Wälder; ständig brennende Gasrohre und schwarzes Wasser inmitten einer zerstörten Natur. Seit 30 Jahren wird in Ecuador Erdöl gefördert.

»Cuyabeno besitzt einen hohen ökologischen Wert wegen seiner großen Biodiversität. In diesem Gebiet gibt es 14 unterschiedliche Ökozonen. In einer derartigen Zone nach Erdöl zu graben, ist ungeheuerlich«, empört sich Almeida. »In einer Zone nach Erdöl zu bohren, in der es auf zwei Hektar Fläche mehr unterschiedliche Tierarten gibt als auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent, ist unglaublich«, klagt auch der Direktor des Umweltamtes in Cuyabeno, Fernando Luis Merino.

Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von sechs bis 15 Dollar haben die Erdölfirmen mitunter leichtes Spiel. So kaufte Encana den in Cuyabeno ansässigen indigenen Gemeinschaften der Siona für 340 Millionen Dollar die territorialen Rechte ab. Merino fühlt sich an die spanische Kolonisation erinnert: »Während die Spanier damals mit Krimskrams, Spiegeln und der Bibel in der Hand das Land eroberten, erobern heute die Erdölmultis mit Schecks unser Land.«

Die Tätigkeit der Erdölgesellschaft zu stoppen, stellt sich als schwierig heraus. Es wurde bereits ein Komitee zur Bewahrung des Tierschutzgebietes gegründet, doch da es sich dabei um eine nationale Angelegenheit handelt, liegt die Verantwortung beim Umwelt- und Energieministerium. »Uns sind die Hände gebunden. Daher fordern wir, dass die Zuständigkeit an die betroffene Gemeinde übertragen wird«, sagt der Umweltdirektor Cuyabenos Merino. Die Organisation Acción Ecológica habe bereits beim Umweltministerium eine Beschwerde eingereicht; vergeblich, berichtet Alexandra Almeida: »Unser Vorschlag besteht in einer strengen Kontrolle der Erdölaktivitäten, das heißt, wir wollen alle Verträge mit den Erdölgesellschaften auf ihre Legalität prüfen lassen und fordern, keine neuen Gebiete zur Erdölförderung freizugeben.«

Auch der Abgeordnete José Gonzalez will etwas tun: »Wir werden sofort handeln und beim Nationalkongress die untragbare Situation der Erdölförderung in einem geschützten Gebiet anzeigen.« Außerdem sei es wichtig, die Bevölkerung aufzuklären und eine öffentliche Debatte zu fördern, die Druck auf die Regierung ausübt. Aber auch internationaler Protest sei nötig: »Europa könne von einem Teil der Auslandsschulden unter der Bedingung absehen, dass Cuyabeno weiterhin geschützt bleibt.« Schließlich handele es sich um ein Gebiet, das zu den größten Sauerstoffproduzenten gehöre.