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Mut zur Lücke

USA. Sieben Monate lang stritten die US- Administration und der Untersuchungsausschuss des Kongresses über die Veröffentlichung des 900seitigen Hintergrundberichts über den 11. September. In der vergangenen Woche wurde er endlich freigegeben. Er fasst die Fehler und Versäumnisse der Sicherheitsbehörden zusammen, die zu al-Qaida führende Spuren nicht auswerteten.

Der brisanteste Teil betrifft jedoch die mangelnde Kooperation der saudischen Regierung bei der Terrorismusbekämpfung. Neugier weckt die Tatsache, dass 28 Seiten geheim bleiben. Der demokratische Senator Bob Graham, der die Untersuchung leitete, beschuldigte die Regierung, »ein Land oder Länder zu schützen«, die einigen Attentätern geholfen hätten. Niemand zweifelt daran, dass damit Saudi-Arabien gemeint ist. Auf den 28 Seiten, so David Johnston in der New York Times, werde die finanzielle Unterstützung in dreistelliger Millionenhöhe für so genannte Wohlfahrtsorganisationen beschrieben, die in Wahrheit aber das Geld an terroristische Netzwerke weiterreichten. Den mildtätigen Spendern aus der saudischen Oligarchie sei diese Zweckentfremdung bekannt gewesen.

Siegreiche Atommacht

Nordkorea. Die Regierung in Pjöngjang zeigt wieder einmal ihre Zähne. Fortan werde man jede Stationierung von modernen US-amerikanischen Waffensystemen in Südkorea mit der von taktischen Atomwaffen gleichsetzen und dementsprechend antworten. Folglich wolle man sich beim 55. Nationalfeiertag am 9. September selbst zu einem Nuklearwaffenstaat erklären, falls die USA ihre Aufrüstungspläne verwirklichen sollten und sich weiterhin einem bilateralen Nichtangriffsvertrag verweigerten. Der nordkoreanischen Erklärung gingen Gespräche zwischen US-Präsident George W. Bush und seinem südkoreanischen Verbündeten, Präsident Roh Moo-hyun, voraus. Beide einigten sich darauf, Nordkorea zu multilateralen Verhandlungen zu nötigen. Dies ist aber nicht im Sinne der stalinistischen Erbmonarchie, die insbesondere eine Beteiligung Japans ablehnt.

Ob Pjöngjang mit seiner Taktik erfolgreich sein wird, ist fraglich, aber vorsichthalber hat es schon mal einen anderen Sieg für sich deklariert: Am 27. Juli jährte sich der 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, der den Koreakrieg beendete und in der nordkoreanischen Geschichtsschreibung inzwischen zu einem Sieg umgemünzt wurde.

Williges Nippon

Japan. Der erste bewaffnete Auslandseinsatz japanischer Truppen seit dem Zweiten Weltkrieg ist beschlossene Sache. Am Samstag passierte das von der Drei-Parteien-Koalition von Ministerpräsident Junichiro Koizumi eingebrachte Entsendegesetz das Oberhaus, das Unterhaus hatte bereits Anfang Juli zugestimmt. Der Abstimmung gingen Tumulte im Ausschuss für Außenpolitik und Verteidigung voraus. Oppositionelle Abgeordnete protestierten lautstark und bedrängten den Ausschussvorsitzenden, nachdem dieser die Diskussion für beendet erklärt hatte.

Die offiziell als Selbstverteidigungskraft bezeichnete japanische Armee soll die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau im Irak unterstützen. Eine Vorhut will die Regierung bereits im August entsenden, das Kontingent von 1 000 Soldaten soll bis Oktober folgen. Aus Sicht der Opposition ist der Einsatz aber nicht verfassungskonform, da er kein UN-Mandat hat und sich Kampfhandlungen nicht vollständig ausschließen lassen. Einer Umfrage der Tageszeitung Asahi Shimbun zufolge lehnen 55 Prozent der Japaner die Truppenentsendung ab.

Schlechte Zeiten für Putschisten

Argentinien. Mehrfach hatte der spanische Richter Baltasar Garzon es bereits versucht, nun war er erfolgreich. In der vergangenen Woche ordnete ein argentinisches Gericht die Verhaftung von 46 Offizieren an, unter ihnen auch der Putschistenführer Jorge Videla. In Argentininen gilt weiterhin eine Amnestie für alle im »schmutzigen Krieg« während der Militärdiktatur (1976 bis 1983) begangenen Verbrechen, doch Präsident Nestor Kirchner widerrief ein Dekret, dass die Auslieferung an ausländische Ankläger untersagt. Unter den 30 000 Opfern des Militärregimes waren auch mehrere hundert Europäer.

Kirchner sieht den Bruch mit der Vergangenheit und die Entfernung der Rechtsextremisten aus dem Staatsapparat als Voraussetzung für institutionelle Reformen. Er sagte auch zu, alle Dokumente über die Bombenanschläge auf die israelische Botschaft und das jüdische Kultur- und Gemeindezentrum in Buenos Aires (Jungle World, 4/02) zu veröffentlichen. Die Attentate, bei denen 114 Menschen starben, »waren der 11. September Argentiniens«, erklärte Kirchner der israelischen Tageszeitung Ha’aretz.

Lulas neue Nachbarn

Brasilien. 6,6 Millionen Familien kampieren im ganzen Land auf Straßen und öffentlichen Plätzen, rund 4 000 obdachlose Familien haben ihre Zelte auf einem Grundstück von Volkswagen do Brasil in der Nähe von São Paulo aufgeschlagen. Das unweit der Privatwohnung des Präsidenten Lula da Silva gelegene 170 000 qm große Areal war dem Konzern während der Militärdiktatur geschenkt worden. Nachdem man dort bis 1990 Lastwagen produziert hatte, wurde die leer stehende Fabrik vor zwei Jahren abgerissen und das Gelände lag brach.

Die Bewegung der obdachlosen Arbeiter (MTST), welche die Landnahme organisierte, betonte, dass es sich »nicht nur um eine Besetzung, sondern ein Sozialprojekt« handele. Die MTST fordert kostenloses Wohnrecht auf dem Gelände und kündigte Widerstand gegen Räumungsversuche an. Die Staatsmacht ist derweil auch aufmarschiert, gleichzeitig verhandeln die Stadtverwaltung, MTST und VW miteinander. Neuer Streit droht dem deutschen Konzern auch mit den Gewerkschaften, weil die Streichung von 4 000 Stellen angekündigt wurde.