Raus aus dem Museum!

Raus aus dem Museum! Eine Auseinandersetzung mit der RAF kann nicht ernsthaft betrieben werden, wenn sie wie im Falle der Kunst-Werke von staatlichen Stellen subventioniert wird. von gaston kirsche

Das Berliner Ausstellungshaus Kunst-Werke plant eine Schau künstlerischer Darstellungen rund um die Rote Armee Fraktion. Die Familien von Hanns Martin Schleyer und Detlev Rohwedder haben sich bei Bundeskanzler Gerhard Schröder wegen einer angeblichen »Glorifizierung« der RAF beschwert. Anlass dafür ist ein Satz aus dem Konzept der Kunst-Werke: »Welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit behalten und können nicht als naiv abgetan werden, was haben wir aus der Geschichte über das Verhältnis von Individuum und Staat, von Möglichkeiten der Einflussnahme und über Machtstrukturen gelernt?«

Viel Aufregung um nichts. Denn dieser Satz stammt aus einem veralteten Konzept für eine Ausstellung, in der es auch um die Studentenrevolte in den sechziger Jahren gehen sollte. Dazu hätte ein solch verquaster Satz auch gut gepasst. Aber die Ausstellungsplaner üben sich jetzt in einer fast vergessenen Kunstform, die in den siebziger Jahren en vogue war: der Distanzierung von linker Militanz und der RAF.

Vom Staat vor die Wahl gestellt, sich entweder zu distanzieren oder als Sympathisant des Terrorismus stigmatisiert zu werden, entschied sich das damalige linksliberale Milieu eindeutig für die zweite Option. Oliver Tolmein schrieb vor Jahren in konkret treffend, dass im Herbst 1977 die deutsche Zivilgesellschaft entstanden sei.

In diesem Sinne distanzierte sich jetzt Klaus Biesenbach, der künstlerische Leiter der Kunst-Werke: »Das ist ein Satz, der so nie hätte veröffentlicht werden dürfen.« Keineswegs sei eine Mystifikation der RAF geplant gewesen. Vielmehr solle die Schau gerade die Legendenbildung verhindern, erklärte auch Beate Barner, die Geschäftsführerin der Kunst-Werke. Die Idee zur RAF-Schau sei »aus dem Bedürfnis entstanden, den oberflächlichen und ahistorischen popkulturellen Verarbeitungen der letzten Jahre eine ernsthafte Auseinandersetzung entgegenzustellen«.

Diese Behauptung blamiert sich selbst. Die Debatte entstand, weil die Kunst-Werke aus dem Hauptstadtkulturfonds mit 100 000 Euro gefördert werden. Die Bundeszentrale für Politische Bildung sollte am Rahmenprogramm zur Ausstellung beteiligt werden. Eine Auseinandersetzung mit der RAF kann aber nicht ernsthaft betrieben werden, wenn sie sich von staatlichen Stellen bezuschussen lässt und somit auf Unabhängigkeit verzichtet.

Schließlich verfolgte die Bundesregierung die RAF mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Nicht zu vergessen sind auch die bis heute ungeklärten Todesfälle im Isolationstrakt des Gefängnisses Stammheim. Solange die deutsche Justiz zudem den letzten fünf gefangenen Mitgliedern aus der RAF die Freilassung verwehrt – Rolf-Clemens Wagner ist seit 1979 inhaftiert –, gibt es einen offenkundigen Grund, den deutschen Staat bei der Auseinandersetzung mit der RAF als Konfliktpartei und nicht als möglichen Finanzier von Ausstellungen zu betrachten.

Eine Debatte über die RAF ist daher für Linksradikale nur unter zwei Bedingungen sinnvoll. Zum einen muss veranschaulicht werden, wozu dieser Staat bereit ist, wenn es gegen radikale Linke geht. Und zweitens muss eine Kritik an der Programmatik der RAF geübt werden. So etwa an ihrer verharmlosenden und plumpen Analyse der BRD als bloßer Vasall des US-Imperialismus. Kritisiert werden muss auch ihre Feindschaft zu Israel, die darin gipfelte, den Terroranschlag der PLO-Gruppe Schwarzer September auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 zu begrüßen.

Eine kritische Aufarbeitung und Aneignung linksradikaler Geschichte muss aber auch die Apologeten der Zivilgesellschaft, welche unentwegt an einer Verschönerung des deutschen Staates mitwirken möchten, rechts liegen lassen. Die Ausstellungsmacher der Kunst-Werke dagegen wollen mit Wolfgang Kraushaar zusammenarbeiten, der an Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung tätig ist. »Die RAF-Leute waren ›Leninisten mit Knarre‹, grundsätzliche Gegner der Demokratie«, empörte er sich noch vor wenigen Jahren. Antikommunisten und Apologeten der Zivilgesellschaft spreche ich aber jedes Recht ab, über die ideellen Anliegen der RAF zu urteilen.